22.12.2010 | Beweisantrag
Zurückweisung eines Beweisantrags
Das Tatgericht ist unter Befreiung vom Verbot der Beweisantizipation nur dann befugt, Beweisanträge nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückzuweisen, wenn es seine nach § 77 Abs. 1 S. 1 OWiG prinzipiell fortbestehende Aufklärungspflicht nicht verletzt (OLG Celle 31.8.10, 311 SsRs 54/10, Abruf-Nr. 103649). |
Entscheidungsgründe und Praxishinweis
Ähnlich hat das OLG Hamm entschieden (VA 10, 122). Dort ging es um die Zurückweisung eines Beweisantrags nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG wegen Verspätung. Im Fall des OLG Celle hatte das AG den Beweisantrag auf Vernehmung des Bruders des Betroffenen, der dahin ging, dass sein in Spanien lebender Bruder zum Tatzeitpunkt Führer des Kfz gewesen sei und dieser dem Betroffenen „wie ein Ei dem anderen“ gleiche, als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) abgelehnt, weil es den Betroffenen für eindeutig identifiziert hielt und eine Ähnlichkeit von Brüdern unterschiedlichen Alters eher selten sei. Das OLG hat zutreffend betont, dass auch im OWi-Verfahren das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 OWiG verpflichtet sei, die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Das Gericht sei unter Befreiung vom Verbot der Beweisantizipation nur befugt, Beweisanträge nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückzuweisen, wenn es nicht seine nach § 77 Abs. 1 S. 1 OWiG prinzipiell fortbestehende Aufklärungspflicht verletze. Das war hier der Fall. Die Annahme, der Betroffene sei Fahrer des Fahrzeugs gewesen, beruhe allein auf dem Lichtbild, das vom Kfz-Führer gefertigt worden sei und welches nach Auffassung des AG das Antlitz des Betroffenen wiedergebe. Würde der Bruder dem Betroffenen tatsächlich „wie ein Ei dem anderen“ ähneln, hätte das AG jedoch keine verlässliche Grundlage für die Entscheidung, wer nun Führer des Kfz gewesen sei.