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  • 01.03.2006 | Fahrtenbuch

    Die Fahrtenbuchauflage in der Praxis

    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster

    Eine Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO hat zwar keinen Strafcharakter, sie wird von den meisten Haltern aber als Strafe empfunden. Nicht nur, dass das Ausfüllen des Fahrtenbuches lästig ist, es führt auch zu einer häufig unerwünschten Kontrolle durch Dritte, wenn das Fahrtenbuch im Handschuhfach des Autos aufbewahrt wird. Gerade deshalb erwarten die Mandanten von Ihrem Anwalt ein energisches Angehen gegen eine Fahrtenbuchauflage. Wir zeigen Ihnen in den nachfolgenden Checklisten, worauf Sie als Rechtsanwalt achten müssen, wenn Ihrem Mandanten eine Fahrtenbuchauflage droht (vgl. im Übrigen eingehend Gübner in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 681 ff.).  

     

    Checkliste 1: Allgemeine Fragen

    Frage

    Antwort  

    1. Gegen wen kann eine Fahrtenbuchauflage festgesetzt werden?

    Adressat der Fahrtenbuchauflage kann nur der Halter eines Kfz sein.  

    2. Wie ist der Halterbegriff in § 31a StVZO zu verstehen?

    Es gelten keine Besonderheiten, sondern der allgemein gültige Halterbegriff. Danach ist Halter, wer das Kfz für eigene Rechnung gebraucht, wer also die Kosten bestreitet sowie die Verwendungsnutzung zieht und über das Fahrzeug nicht nur vorübergehend verfügen kann (BGH NJW 97, 660).  

     

    Praxishinweis: Für den Begriff des Halters gilt also dasselbe wie bei der Halterhaftung nach § 25a StVG (dazu ausführlich Burhoff in VA 05, 199, 200).  

    3. Kann ein Fahrtenbuch auch bei gewerblich/ geschäftlich genutzten Kfz angeordnet werden?

    Ja, das ist möglich (vgl. z.B. VGH Mannheim zfs 84, 381, und VG Braunschweig NZV 05, 164).  

     

    Praxishinweis: Zwar beinhalten die Buchführungspflichten nach den §§ 238, 257 HGB keine Pflicht, Fahrtenbücher zu führen, aber es soll „sachgerechtem kaufmännischem Verhalten“ entsprechen, – sämtliche – Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren (OVG Münster NJW 95, 3335). Sollte das ausnahmsweise nicht möglich sein, muss dies dargelegt werden. Weigert sich die Geschäftsführung, den Fahrer zu benennen, so soll das Anlass genug sein, für sämtliche Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches anzuordnen, um den Halter auf diese Weise zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung anzuhalten (VG Braunschweig NZV 05, 164; s. auch OVG Münster zfs 95, 318; krit. dazu Gübner, a.a.O., Rn. 694).  

    4. Kann die Fahrtenbuchauflage auch auf Ersatzfahrzeuge erstreckt werden?

    Ja, das ist zulässig (BVerwG NZV 89, 206; OVG Münster NZV 92, 423; BayVGH BayVBl 04, 633; s. aber VGH Kassel VM 73, 82).  

     

     

     

    Checkliste 2: Erfasste Verstöße

    Frage

    Antwort  

    1. Wann kann eine Fahrtenbuchauflage festgesetzt werden?

    Bei der Anordnung eines Fahrtenbuches muss der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden. Das setzt die Verletzung von Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang voraus (BVerwG NJW 95, 2866; OVG Münster DAR 99, 375). Ein einmaliger und unwesentlicher Verstoß, der sich weder verkehrsgefährdend auswirkte noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, rechtfertigt die Fahrtenbuchauflage daher nicht.  

    2. Wann sind Verkehrsverstöße unwesentlich?

    Unwesentlich sind Verstöße i.d.R., wenn sie nur mit einem Verwarnungsgeld abgegolten werden können oder im ruhenden Verkehr begangen wurden (vgl. z.B. BVerwG NZV 00, 386).  

     

    Praxishinweis: Im Einzellfall oder bei wiederholter Begehung kommt die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage aber auch bei unwesentlichen Verstößen in Betracht (BVerwG NJW 79, 1054). Das ist z.B. angenommen worden bei einer großen Zahl bewusst innerhalb kurzer Zeit begangener Verstöße (OVG Münster VRS 66, 317, für 33 Parkverstöße in 2 Jahren).  

    3. Setzt die Anordnung eines Fahrtenbuches eine konkrete Verkehrsgefährdung voraus?

    Nein, das ist nicht der Fall. Die abstrakte Gefährlichkeit eines Verkehrsverstoßes reicht aus (zuletzt BVerwG NZV 00, 386 m.w.N.).  

    4. Muss der Verstoß verschuldet sein?

    Nein, auch das ist nicht der Fall (OVG Lüneburg DAR 96, 27). Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes genügt (OVG Münster DAR 05, 708 = NZV 05, 53, für § 142 StGB ).  

    5. Ist eine konkrete Wiederholungsgefahr für die Fahrtenbuchauflage erforderlich?

    Nein, die Anordnung ist bereits wegen der abstrakten Gefahr gerechtfertigt, dass mit dem Fahrzeug und nicht notwendigerweise auch vom Halter ein weiterer Verstoß begangen wird (VGH Mannheim NZV 98, 126).  

    6. Wann kann ein Verstoß grundsätzlich als wesentlich angesehen werden?

    Nach der Rspr. wird es in der Regel ausreichen, wenn die Ahndung des Verkehrsverstoßes eine Bewertung mit einem Punkt im Verkehrszentralregister zur Folge hat (BVerwG NZV 00, 386; OVG Lüneburg NJE 04, 1124; kritisch dazu Gübner, a.a.O., Rn. 685, der darauf hinweist, dass es zweifelhaft sei, ob eine erstmalige eintragungspflichtige Geschwindigkeitsübertretung schon eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigen kann; (vgl. dazu auch VG Berlin NZV 99, 104).  

     

    Praxishinweis: Während das OVG Münster früher davon ausgegangen ist, dass die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches i.d.R. erst zulässig sein sollte, wenn der Verstoß mit mindestens 3 Punkten zu bewerten gewesen wäre, sieht es jetzt schon nach erstmaliger Begehung eines Verstoßes, der zu einem Punkt führt, die Anordnung als zulässig an (OVG Münster 30.11.05, 8 A 280/05, Abruf-Nr. 060355).  

    7. Ist auf dieser Grundlage die Anordnung eines Fahrtenbuches bei Verkehrsstraftaten immer gerechtfertigt?

    Bei (unaufklärbaren) Verkehrsstraftaten wird ein Fahrtenbuch grundsätzlich gerechtfertigt sein (OVG Münster DAR 05, 708 = NZV 06, 53 – für nur objektiv festgestellte Verkehrsunfallflucht nach § 142 StGB).  

    8. Wie verhält es sich beim Verkehrsverstoß, der zum Fahrverbot führt?

    Eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die ein Fahrverbot auslöst, rechtfertigt bereits bei erstmaliger Begehung, eine Fahrtenbuchauflage (VG Frankfurt 2.2.04, 12 G 3879/03, Abruf-Nr. 060403).  

    9. Was gilt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung?

    Bei einer nur geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung wird die Anordnung eines Fahrtenbuches nicht in Betracht kommen (Gübner, a.a.O., Rn. 685). Im Übrigen ist die Anordnung in folgenden Fällen als gerechtfertigt angesehen worden:  

     

    • Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 20 km/h (VGH Mannheim NZV 93, 47; VG Berlin NZV 99, 104), und zwar auch bei Überschreiten einer nur aus Lärmschutzgründen angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung um 20 km/h (VGH Mannheim NZV 91, 328),

     

    • erstmaliges Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 27 km/h (VGH Mannheim NZV 92, 167; a.A. VG Dessau NZV 94, 336 bei Überscheitung um 21 km/h),

     

    • Geschwindigkeitsüberschreitung um 28 km/h, wenn damit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 56 % überschritten wurde (OVG Münster NJW 95, 2242).

     

    • innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 30 km/h (VG Braunschweig VD 04, 165; NZV 05, 164; vgl. auch noch VG Braunschweig 9.6.05, 6 A 191/05, Abruf-Nr. 060356, für Geschwindigkeitsüberschreitung mit 3 Punkten).
    10. Hilft es dem Halter, wenn er gegen die Anordnung einwendet, die Geschwindigkeitsmessung sei fehlerhaft?

    Nein, das wird i.d.R. keinen Erfolg haben. Denn wie im Bußgeldverfahren ist bei standardisierten Messverfahren die Prüfung auf Fehler nur erforderlich, wenn im Einzelfall dazu konkrete Veranlassung besteht und insoweit substanziiert vorgetragen wird (OVG Münster NJW 95, 3335; VGH Mannheim NJW 92, 132).  

    11. Droht ein Fahrtenbuch auch bei einem Rotlichtverstoß?

    Ja, das ist möglich (OVG Lüneburg NJW 04, 1124), und zwar auch, wenn es sich um eine Lichtzeichenanlage an einer Baustelle handelt (VGH Mannheim NZV 91, 408).  

    12. Worauf ist hinsichtlich der Länge der Fahrtenbuchauflage zu achten?

    Auch hinsichtlich der Länge gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Auflage darf also nicht zu lang sein (vgl. VG Lüneburg zfs 05, 434 [grds. nicht mehr als 6 Monate]). Hinzuweisen ist auf:  

     

    • Fahrtenbuchauflage von 15 Monaten bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit 3 Punkten angemessen (VG Braunschweig 9.6.05, 6 A 191/05, Abruf-Nr. 060356),

     

    • Fahrtenbuchauflage von 15 Monaten bei einer Geschwindikeitsüberschreitung mit 5 Punkten angemessen (VG Braunschweig VD 05, 277).

     

    • Fahrtenbuchauflage von mehr als 6 Monaten bei einem einmaligen Rotlichtverstoß nicht angemessen (OVG Münster VRS 75, 38; OVG Lüneburg zfs 04, 434),

     

    • Fahrtenbuchauflage von 24 Monaten bei einem groben Rotlichtverstoß angemessen (OVG Münster VRS 103, 140);

     

    • Fahrtenbuchauflage von 3 Jahren bei Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB) angemessen (OVG Münster DAR 05, 708 = NZV 06, 53).

     

    Praxishinweis: Eine Auflage auf unbestimmte Zeit ist zulässig (VGH Mannheim VRS 103, 140; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 31a Rn. 9).  

    13. Hat der Zeitablauf (= Zeit zw. Tatzeit + rechtskräftiger Festsetzung der Fahrtenbuchauflage) Auswirkungen?

    Er kann Auswirkungen haben, aber allein der Umstand, dass zwischen der Tat und der Entscheidung über die Fahrtenbuchauflage längere Zeit liegt, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme (BVerwG VRS 90, 72; OVG Berlin VD 95, 259).