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  • 01.04.2006 | Fahrverbot

    Augenblicksversagen außerhalb geschlossener Ortschaft

    Bei einer dreispurig autobahnmäßig ausgebauten Fahrbahn einer Landstraße mit Mittelleitplanke braucht ein auswärtiger Verkehrsteilnehmer außerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich nicht mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h zu rechnen (OLG Karlsruhe 30.11.05, 1 Ss 120/05, Abruf-Nr. 060351).

     

    Entscheidungsgründe

    Der Betroffene kann sich auf ein Augenblicksversagen berufen. Bei einer dreispurig ausgebauten Fahrbahn mit Mittelleitplanke ist außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h ungewöhnlich. Mit einer solchen braucht ein auswärtiger Verkehrsteilnehmer nicht ohne weiteres zu rechnen. Gründe, welche eine solche Einschränkung erwarten lassen könnten, wie etwa eine Baustelle, Belagsmängel oder ähnliches, sind nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage hätte sich der Tatrichter mit der auf der Landstraße vorhandenen Beschilderung auseinandersetzen und abklären müssen, ob der Betroffene ggf. ein oder gar mehrere Verkehrszeichen übersehen hat und dies auf einer augenblicklichen Unaufmerksamkeit oder grober Nachlässigkeit beruhte.  

     

    Praxishinweis

    Unabhängig von der Frage des Augenblicksversagens (ausführlich Burhoff VA 01, 169) ist die Entscheidung des OLG Karlsruhe aus einem verfahrensrechtlichen Grund für die Praxis von Bedeutung. Aus den amtsgerichtlichen Urteilsgründen ergab sich nicht ausdrücklich, dass sich der Betroffene in der Hauptverhandlung auf das Vorliegen eines Augenblicksversagens berufen hat. Dies war aber nach Auffassung des OLG hier ausnahmsweise entbehrlich. Das AG hatte nämlich in zulässiger Weise zur Identifizierung des Betroffenen auf die in den Akten befindlichen Lichtbilder Bezug genommen (§ 267 Abs.1 S. 3 StPO, 46 OWiG), welche damit als Ganzes Bestandteil der Urteilsgründe geworden sind und vom OLG aus eigener Anschauung gewürdigt werden durften. Das OLG hat nun zugunsten des Betroffenen einen Hinweis auf das Vorliegen eines Ausnahmefalles aus dem Lichtbild entnommen, welches das AG zur Identifizierung des Betroffenen in Augenschein genommen hatte. Auf der Grundlage dieses Fotos hat es den Tatrichter als verpflichtet angesehen, sich auch dann mit dem Vorliegen eines Augenblicksversagens auseinanderzusetzen, wenn sich der Betroffene nicht ausdrücklich hierauf berufen hat.  

    Quelle: Ausgabe 04 / 2006 | Seite 66 | ID 90817