01.08.2006 | Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr
Bedingter Schädigungsvorsatz erforderlich
Ein Verkehrsverhalten wird nur dann von § 315b StGB als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfasst, wenn der Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat (OLG Hamm 20.2.06, 2 Ss 61/06, Abruf-Nr. 062129). |
Sachverhalt
Eine Zeugin fuhr mit ihrem Pkw mit 80 bis 90 km/h auf der linken Fahrspur. Der Angeklagte befuhr mit seinem Auto die rechte Fahrspur ungefähr in Höhe des Pkw der Zeugin. Plötzlich und unerwartet setzte der Angeklagte seinen Blinker nach links und zog zeitgleich auf die linke Fahrspur herüber. Die Zeugin musste ihren Pkw abbremsen und hupte, um den Angeklagten auf sich aufmerksam zu machen. Daraufhin wechselte der Angeklagte wieder auf die rechte Fahrspur. Die Zeugin fuhr weiterhin auf der linken Fahrspur. Als sie sich wiederum neben dem Auto des Angeklagten befand, zog der Angeklagte es erneut auf die linke Spur. Die Zeugin musste erneut abbremsen und nach links ausweichen. Wenn sie nicht ausgewichen wäre, wäre sie mit dem Auto des Angeklagten kollidiert. Nachdem der Angeklagte mit vollem Umfang die linke Fahrspur erreicht hatte, bremste er sein Fahrzeug plötzlich stark ab, ohne dass dieses verkehrsbedingt notwendig gewesen wäre. Das AG hat den Angeklagten wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt. Diese Verurteilung hatte beim OLG keinen Bestand.
Entscheidungsgründe
Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht. Ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten wird nur dann von § 315b StGB als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfasst, wenn der Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Fahrzeug dabei in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat. Er muss also in der Absicht gehandelt haben, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“. Überdies muss es ihm darauf ankommen, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Das lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen.
Praxishinweis
Bei dem vom AG zu beurteilenden Verkehrsgeschehen handelt es sich um eine „Standardsituation“ im Straßenverkehr. Das Verkehrsverhalten des Angeklagten war sicherlich vorschriftswidrig. Aber nicht jedes vorschriftswidrige Verkehrsverhalten ist zugleich auch schon ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Vielmehr verlangt die neuere BGH-Rspr. neben dem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Pkw als Waffe (Stichwort: Perversion) ein Handeln mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz (BGHSt 48, 233; BGH VA 05, 216, Abruf-Nr. 053134 = DAR 06, 30). Dazu müssen, woran es oft mangelt, vom Tatrichter tatsächliche Feststellungen getroffen werden. Ein bloße Gefährdungsabsicht reicht nicht (mehr) aus.
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