Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 24.03.2009 | Geschwindigkeitsüberschreitung

    Aktuelles zur Geschwindigkeitsüberschreitung: Lichtbildidentifizierung, Nachfahren und Vorsatz

    von RA und RiOLG a.D. Detlef Burhoff, Münster/Augsburg

    Die Geschwindigkeitsüberschreitung ist eine der am häufigsten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Für den Verteidiger ist die Kenntnis der aktuellen Rechtsprechungstendenzen daher unerlässlich. Im Anschluss an VA 09, 50 finden Sie daher nachstehend die wichtigsten aktuellen Entscheidungen aus den Bereichen Messung durch Nachfahren, Vorsatz/Fahrlässigkeit und Täteridentifizierung anhand eines Lichtbilds.  

     

    I. Messung durch Nachfahren (zur Nachtzeit)

    Häufig werden die amtsgerichtlichen Urteile den in diesem Bereich hohen Anforderungen der Obergerichte nicht gerecht (zu den Anforderungen siehe den Schwerpunktbeitrag VA 01, 75).  

     

    Einzelfallumstände  

    Rechtliche Einordnung  

    Fundstelle  

    (Allgemeine) Anforderungen an die Feststellungen.  

    Erforderlich sind i.d.R. nähere Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte und ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren.  

    OLG Hamm  

    VA 07, 73  

    = NJW 07, 1298, Abruf-Nr. 070727 ;  

    OLG Hamm  

    VRS 113, 302  

    Bei einem Verfolgungsabstand von 100 m sind nur noch die Rücklichter des gemessenen Fahrzeugs erkennbar.  

    Dies ist als Feststellung unter Berücksichtigung der technischen Anforderungen des § 50 StVZO an die Ausleuchtung der Fahrbahn durch die Scheinwerfer des Polizeifahrzeugs jedenfalls eine ausreichend zuverlässige Beurteilung der Gleichmäßigkeit des Abstands allein durch optische Wahrnehmung und Einschätzung, wenn für die Schätzung des gleichbleibenden Abstands trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden sind.  

    OLG Düsseldorf VRR 08, 111  

    Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit auf einer unbeleuchteten Straße.  

    Auch bei einem Abstand von nur ca. 100 m ist bei der Orientierung an den Leitpfosten sowie den Rücklichtern des vorausfahrenden, gemessenen Fahrzeugs eine zuverlässige Schätzung des gleichbleibenden Abstands durch einen geübten Polizeibeamten möglich.  

    OLG Düsseldorf VRS 113, 112  

    Polizeibeamte legen niedrigere als die vom Tachometer des Polizeiwagens angezeigte Geschwindigkeit zugrunde.  

    Es handelt sich nicht um eine unzulässige Schätzung der gefahrenen Geschwindigkeit.  

    OLG Hamm  

    VRR 08, 432  

    Toleranzwert bei der Messung durch Nachfahren.  

    Bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren in einem Fahrzeug mit nicht justiertem Tachometer erfolgt ein Sicherheitsabzug von sieben Prozent des Skalenendwerts als Ausgleich für mögliche Eigenfehler des Tachometers und ein weiterer Abzug von 12 Prozent der abgelesenen Geschwindigkeit für andere mögliche Ungenauigkeiten.  

    OLG Köln VA 09, 13 = DAR 08, 654, Abruf-Nr. 083598  

     

    Praxishinweis: Im Einzelfall nimmt das OLG aber eine Reduzierung vor.  

    Messung zur Nachtzeit ohne nähere Ausführungen zu den Sichtverhältnissen und zu den Orientierungspunkten.  

    Diese Feststellungen sind ausnahmsweise entbehrlich, wenn die Messstrecke mit 3.000 Metern außerordentlich lang und der Abstand zu dem gemessenen Fahrzeug mit 75 Metern zudem relativ gering war.  

    OLG Hamm  

    VRS 112, 40  

    Hinterherfahren mit einem nicht geeichten bzw. nicht justierten Tachometer im Polizeifahrzeug.  

    Toleranzabzug von 20 Prozent der abgelesenen Geschwindigkeit grds. wenn die Messung bei guten Sichtverhältnissen durch einen geübten Beamten vorgenommen wird, der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug etwa den halben bis ganzen Tacho
    wert (in Metern) nicht übersteigt, der Abstand etwa gleich bleibt und die Nachfahrstrecke wenigstens rund das Fünffache des Abstands beträgt sowie der Tachometer in kurzen Abständen abgelesen wird.  

    OLG Rostock  

    VRS 113, 309  

     

     

     

    II. Vorsatz/Fahrlässigkeit

    Bei der Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist immer zu prüfen, ob sich den tatsächlichen Feststellungen entnehmen lässt, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Für die Annahme von Vorsatz ist erforderlich, dass der Mandant die Geschwindigkeitsbeschränkung gekannt und die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch bemerkt hat (OLG Hamm NZV 98, 124; OLG Brandenburg DAR 08, 532). Nicht erforderlich ist aber das genaue Wissen um die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung (KG VRS 113, 74).  

     

    Einzelfallumstände  

    Vorsatz/Fahrlässigkeit?  

    Fundstelle  

    Der Betroffene legt ein Geständnis zu den objektiven Tatumständen, wie Fahrereigenschaft und gefahrene Geschwindigkeit ab.  

    Daraus kann nicht auch auf eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung geschlossen werden.  

    OLG Hamm  

    VA 08, 53,  

    Abruf-Nr. 080341  

    Im amtsgerichtlichen Urteil lässt sich weder aus dem Tenor noch aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe eindeutig erkennen, ob eine vorsätzliche oder eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung des Betroffenen angenommen worden ist.  

    Rechtsfehler, der zur Aufhebung führt.  

    OLG Zweibücken VA 08, 137,  

    Abruf-Nr. 082076  

    Trotz ungewöhnlich großer Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit wird bloß Fahrlässigkeit angenommen.  

    Muss eingehend begründet werden.  

    OLG Jena  

    VRS 113, 351  

    Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 Prozent.  

    Es ist i.d.R. von einer vorsätzlichen Handlungsweise des Fahrzeugführers auszugehen  

     

    Praxishinweis: Um ausnahmsweise nur Fahrlässigkeit annehmen zu können, müssen besondere Umstände dargelegt werden.  

    KG VRS 113, 314  

     

     

    Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 74 km/h auf einer Bundesstraße.  

    Die Annahme von Vorsatz bedarf keiner weiteren Begründung.  

    OLG Hamm 4.6.08,  

    4 Ss OWi 239/08,  

    Abruf-Nr. 090902  

    Geschwindigkeitsüberschreitung um 57 km/h außerorts.  

    Es wird zu prüfen sein, ob der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat.  

    OLG Hamm 8.1.08,  

    4 Ss OWi 834/07, Abruf-Nr. 090903  

    Relative Geschwindigkeitsüberschreitungen von 18,75 bis 23,75 Prozent.  

    Allein keinesfalls geeignet, den Schluss auf eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu tragen.  

    OLG Jena  

    VA 08, 64  

    = DAR 08 35, Abruf-Nr. 080672  

    Drei Geschwindigkeitsverstöße in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang an drei aufeinanderfolgenden Messstellen.  

    Es ist davon auszugehen, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung in Kauf genommen hat.  

    OLG Jena  

    VA 08, 64  

    = DAR 08 35, Abruf-Nr. 080672  

    Innerorts eine relative Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 116 Prozent.  

    Die Annahme jedenfalls bedingt vorsätzlichen Handelns drängt sich auf.  

    OLG Hamm  

    VA 06, 176  

    = NZV 07, 263, Abruf-Nr. 062638  

     

    Praxishinweis: Vor der Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist ein rechtlicher Hinweis i.S.d. § 265 Abs. 1 StPO stets erforderlich, wenn im Bußgeldbescheid die Angabe der Schuldform fehlt (OLG Frankfurt StraFo 08, 31 = DAR 08, 33). Das Unterlassen dieses Hinweises muss in der Rechtsbeschwerde mit der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) geltend gemacht werden.