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  • · Fachbeitrag · Geschwindigkeitsüberschreitung

    Geschwindigkeitsüberschreitung ‒ Teil 2: Vorsatz/Fahrlässigkeit und Täteridentifizierung

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D. Leer/Augsburg

    | Im Anschluss an die Rechtsprechungsübersicht zur Geschwindigkeitsüberschreitung in VA 23, 141 haben wir die aktuelleren Entscheidungen zu Vorsatz und Fahrlässigkeitsfragen und zur Täteridentifizierung anhand eines Lichtbilds zusammengestellt. |

    1. Vorsatz/Fahrlässigkeit

     

    Übersicht / 

    Umstände des Einzelfalls
    Vorsatz/Fahrlässigkeit?
    Fundstelle

    Das AG stützt seine Entscheidung über die Kenntnis des Betroffenen von der Geschwindigkeitsüberschreitung auf die Erkennbarkeit der Gefahrensituation bei einer bestehenden Baustelle („Großbaustelle“, „dreispuriger Ausbau“), das Führen des gesamten Verkehrs („sämtlicher Verkehr“) auf einer Fahrbahnseite (Abgrenzung durch „Betonelemente“), die besondere Länge der Baustelle, wiederholt aufgestellte Verkehrsschilder mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h (Zeichen 274, § 41 Abs. 1 StVO), zuletzt 200 Meter und 1.000 Meter vor der Messstelle.

    Nicht zu beanstanden.

    OLG Brandenburg

    19.2.21,

    1 OLG 53 Ss-OWi 684/20, Abruf-Nr. 221434

    Geschwindigkeitsüberschreitung um 52 km/h.

    Die Annahme vorsätzlicher Begehung drängt sich geradezu auf. Dass dem Betroffenen der Umfang einer Geschwindigkeitsüberschreitung möglicherweise nicht exakt bekannt war, steht im Übrigen der Annahme von Vorsatz nicht entgegen. Vorsätzliches Handeln setzt eine solche Kenntnis nicht voraus, vielmehr genügt das Wissen, schneller als erlaubt zu fahren.

    OLG Brandenburg

    27.9.22,

    1 OLG 53 Ss-OWi 397/22, Abruf-Nr. 232185

    Der Betroffene wendet ein, ihm sei der Umfang einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht exakt bekannt gewesen.

    Steht der Annahme von Vorsatz nicht entgegen.

    OLG Brandenburg

    27.9.22,

    1 OLG 53 Ss-OWi 397/22,

    Abruf-Nr. 232185;

    OLG Hamm

    7.2.22,

    5 RBs 12/22,

    Abruf-Nr. 228157

    Zusatzbeschilderung („Straßenschäden“) ohne Entfernungsangabe.

    Die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise kann fraglich sein.

    OLG Brandenburg 17.11.22,

    2 OLG 53 Ss-OWi 388/22, Abruf-Nr. 233165

    Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h war durch beidseitig aufgestelltes Zeichen 274 festgesetzt.

    Wenigstens bei beidseitig vorhandenen Schildern dürfen die Gerichte grundsätzlich davon ausgehen, dass der Verkehrsteilnehmer sie bemerkt hat. Bei der festgestellten Geschwindigkeit (149 km/h abzüglich Toleranz) hatte der Betroffene die Schilder bis zur Messstelle (rund 3 km entfernt) auch vor wenig mehr als einer Minute passiert, sodass sie ihm von daher zur Zeit der Geschwindigkeitsmessung noch präsent waren.

    OLG Rostock 20.1.23, 21 Ss OWi 175/22 [B], Abruf-Nr. 236514

    Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h.

    Geht es um eine im absoluten Maß vergleichsweise niedrige Geschwindigkeitsüberschreitung ‒ hier von 22 km/h ‒ ist nicht ohne Weiteres und stets anzunehmen, der Fahrer habe die Übertretung anhand der äußeren Kriterien (Motorengeräusche, sonstige Fahrgeräusche, Fahrzeugvibration und Schnelligkeit der Änderung in der Umgebung) zwanglos erkannt.

    OLG Zweibrücken

    11.7.22, 1 OWi 2 SsBs 39/22, Abruf-Nr. 230592

    Ordnungsgemäß angebrachte Vorschriftszeichen.

    Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass (ordnungsgemäß angebrachte) Vorschriftszeichen, auch solche, durch die eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt, wahrgenommen werden und ein fahrlässiges Übersehen die Ausnahme darstellt.

    KG

    15.12.21,

    3 Ws (B) 304/21,

    Abruf-Nr. 228247

    Der Betroffene lässt sich dahin ein, er habe möglicherweise nicht die notwendige Sorgfalt für die Geschwindigkeitsbeschränkung aufgebracht.

    Es kann nicht ohne Weiteres von Fahrlässigkeit ausgegangen werden.

    OLG Zweibrücken

    3.2.22,

    1 OWi 2 SsBs 113/21, Abruf-Nr. 236515

    Der Betroffene liest beim Fahren im Berufsverkehr auf einer vielbefahrenen Straße über einen Zeitraum von sechseinhalb Sekunden Speichermedien.

    Annahme vorsätzlicher Tatbegehung ggf. gerechtfertigt.

    KG

    30.8.21,

    3 Ws (B) 140/21,

    Abruf-Nr. 236516

    Das Urteil enthält keine Ausführungen, dass der Betroffene das die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit anordnende Verkehrszeichen möglicherweise übersehen hat.

    Das muss der Tatrichter nur dann in Rechnung stellen, wenn der Betroffene sich darauf beruft oder sich hierfür sonstige Anhaltspunkte ergeben.

    OLG Hamm

    12.8.21,

     4 RBs 217/21,

    Abruf-Nr. 224801

     

    PRAXISTIPP | Ist der Betroffene bereits im „ersten Durchgang“ wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt worden, muss nach der Zurückverweisung der Sache der Hinweis auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung nicht wiederholt werden (OLG Düsseldorf 21.2.23, IV - 2 RBs 18/23, Abruf-Nr. 234453).