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  • 25.01.2010 | OWi-Recht

    Was Sie vom Einspruch gegen den Bußgeld-bescheid nach §§ 67 ff. OWiG wissen müssen

    von RA und RiOLG a.D. Detlef Burhoff, Münster/Augsburg

    Im Bußgeldverfahren endet das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde mit dem Erlass des Bußgeldbescheids. Legt der Betroffene dagegen Einspruch ein, wird das Verfahren i.d.R. in das gerichtliche Verfahren übergeleitet. „Verkehrsrecht aktuell“ zeigt Ihnen mit den nachfolgenden Checklisten, worauf Sie bei der Einlegung des Einspruchs achten müssen (s.a. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl. 2008, Rn. 676 ff., im Folgenden kurz: Burhoff, OWi).  

     

    Checkliste 1: Allgemeines

    Frage  

    Antwort  

    Handelt es sich bei dem Einspruch um ein Rechtsmittel im engeren Sinne?  

    Nein. Bei dem Einspruch handelt es sich nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen sog. „Rechtsbehelf eigener Art“. Die Einspruchseinlegung führt nämlich nicht dazu, dass die vorläufige Bußgeldentscheidung der Verwaltungsbehörde auf ihre Richtigkeit überprüft wird.  

    Welche Rechtsfolgen hat die Einspruchseinlegung?  

    Die Einspruchseinlegung bewirkt den Übergang des Verfahrens von der Verwaltungsbehörde an den Richter, der dann eigenverantwortlich weiterprüft.  

    Welche Bedeutung hat nach Einspruchseinlegung noch der Bußgeldbescheid?  

    Durch die Einspruchseinlegung ändert sich die Bedeutung des Bußgeldbescheids. Er ist nun nicht mehr vorläufig abschließende Entscheidung des vorbereitenden Verfahrens bei der Bußgeldbehörde, sondern er hat jetzt die „Anklagefunktion“. D.h.: Im Bußgeldbescheid ist festgehalten, was dem Betroffenen vorgeworfen wird.  

    Kann die Verwaltungsbehörde nach Einspruchseinlegung noch weiter tätig werden?  

    Ja, sie muss es sogar. Denn sie muss z.B. prüfen, ob der im Bußgeldbescheid enthaltene Vorwurf aufrecht erhalten wird.  

    Hat die Einlegung des Einspruchs gebührenrechtliche Konsequenzen?  

    Nein. Die Einlegung des Einspruchs gehört nach Vorbem. 5.1.2 VV RVG noch zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, so dass dadurch keine neuen Gebühren entstehen.  

     

    Praxishinweis: Wird allerdings nach Einlegung des Einspruchs der Bußgeldbescheid von der Verwaltungsbehörde zurückgenommen und ein neuer Bußgeldbescheid erlassen, gegen den dann kein Einspruch mehr eingelegt wird, erhält der Verteidiger eine Befriedungsgebühr nach Nr. 5115 Anm. 1 Nr. 3 VV RVG.  

     

     

     

    Checkliste 2: Form, Frist, Inhalt des Einspruchs

    Frage  

    Antwort  

    Wer kann Einspruch einlegen?  

    Der Einspruch kann durch den Betroffenen selbst, durch seinen Verteidiger, aber auch durch andere bevollmächtigte Personen (OLG Hamm NJW 52, 1150 ) eingelegt werden.  

     

    Praxishinweis: Der Verteidiger kann den Einspruch auch im eigenen Namen einlegen.  

    Muss der Verteidiger bei Einspruchseinlegung eine Vollmacht beifügen?  

    Nein, da der Verteidiger den Einspruch auch im eigenen Namen einlegen kann, muss er keine schriftliche Vollmacht vorlegen (Burhoff, OWi, Rn. 679). Um unnötigen Streit zu vermeiden, empfiehlt es sich aber, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen.  

    Wo wird der Einspruch eingelegt?  

    Nach § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG muss der Einspruch bei der Verwaltungsbehörde eingelegt werden, die ihn erlassen hat.  

     

    Praxishinweis: Ausreichend ist der Eingang bei einer anderen Verwaltungsbehörde, wenn diese den Einspruch an die „richtige“ Verwaltungsbehörde weiterleitet. Der Einspruch muss bei dieser aber, um wirksam zu sein, innerhalb der Einspruchsfrist eingehen. Nach wohl h.M. in der Rechtsprechung ist die Eingangsbehörde nicht verpflichtet, besondere Maßnahmen zu treffen, damit der Einspruch bei der richtigen Behörde noch rechtzeitig eingeht (vgl. dazu OLG Düsseldorf NStZ-RR 99, 147; a.A. früher OLG Hamm [2. Strafsenat] NZV 04, 50; aufgegeben in NStZ-RR 09, 347 [Ls.]).  

    Innerhalb welcher Frist ist Einspruch einzulegen?  

    Der Einspruch muss binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids eingelegt werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Bußgeldbescheids zu laufen (zu den Zustellungsfragen Burhoff, OWi, Rn. 2873 ff.; zur Fristwahrung Rn. 710 ff.).  

    Wie berechnet sich die Frist?  

    Die Berechnung der Frist richtet sich nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 42, 43 StPO.  

     

    Praxishinweis: Für die Einhaltung der Frist und die damit ggf. zusammenhängende Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach einer Fristversäumung ist von Bedeutung, dass der Betroffene auf „normale Postlaufzeiten“ vertrauen darf (BVerfG NJW 01, 744; OLG Frankfurt NStZ-RR 02, 12; s. aber KG NStZ-RR 06, 124). Das Verschulden des Verteidigers wird dem Betroffenen nicht zugerechnet.  

    In welcher Form muss Einspruch eingelegt werden?  

    Nach § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG ist der Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, einzulegen.  

     

    Praxishinweis: Hinsichtlich des Schriftformerfordernisses gelten die allgemeinen Regeln. Das bedeutet, dass die Unterschrift des den Einspruch Einlegenden nicht unbedingt erforderlich ist, so lange sich aus dem Schriftstück erkennen lässt, von wem es stammt (vgl. Burhoff, OWi, Rn. 688 ff. m.w.N.).  

    Kann der Einspruch durch Telefax oder durch Computerfax eingelegt werden?  

    Ja, das ist zulässig (BVerfG NJW 96, 2857; BGH NJW 92, 244). Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs des Einspruchs kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Ausdrucks - also das Vorliegen des Faxes in Schriftform - an, sondern auf den Zeitpunkt des vollständigen Empfangs der gesendeten Signale durch das Empfangsgerät (BGH NJW 06, 2263; vgl. zum Computerfax BGH NJW 00, 2340; NJW 06, 3784). Maßgeblich ist die Uhrzeit des empfangenden Geräts (KG NJW 97, 1864).  

    Kann der Einspruch auch per Email eingelegt werden?  

    Die Frage wird in der Literatur von Göhler (OWiG, 15. Aufl., § 67 Rn. 22a) bejaht. In der Rspr. wird das inzwischen jedoch so lange als unzulässig angesehen, wie das Einreichen von elektronischen Dokumenten nicht durch eine Verordnung nach § 41a Abs. 2 StPO geregelt ist (vgl. wegen der Einzelh. Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 6. Aufl., 2010, Rn. 182 f zur vergleichbaren Rechtslage bei der Berufung; s.a. BGH NJW-RR 09, 357; OLG Oldenburg NJW 09, 536).  

     

    Praxishinweis: Wegen der unklaren Rechtslage sollte der Verteidiger von der Einlegung des Einspruchs per Email absehen.  

    Kann ein Einspruch auch fernmündlich eingelegt werden?  

    Die Frage ist umstritten. Teilweise wird in der Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 80, 1290; OLG Stuttgart NStZ 89, 42;BayObLG DAR 88, 371 bei Bär; OLG Celle NJW 70, 1142; OLG Hamm NStZ 85, 472) davon ausgegangen, dass das ausreicht, wenn bei der zuständigen Verwaltungsbehörde ein Vermerk darüber gefertigt wird. Zum Teil wird diese Möglichkeit aber auch abgelehnt (OLG Düsseldorf NStZ 84, 184).  

    Muss der Einspruch  

    begründet werden?  

    Nein, einer Einspruchsbegründung bedarf es nicht. Allerdings wird sie sich zumindest empfehlen, wenn der Verteidiger eine Rücknahme des Bußgeldbescheids und Erlass eines neuen mit einer für den Betroffenen günstigeren Rechtsfolge erstrebt.  

    Kann der Einspruch  

    beschränkt werden?  

    Ja, eine Beschränkung des Einspruchs ist nach § 67 Abs. 2 OWiG grds. zulässig (wegen der Einzelheiten Burhoff, OWi, Rn. 688 ff.). Der Einspruch kann auch teilweise beschränkt werden. So ist z.B. die Beschränkung auf die Rechtsfolgen, also Geldbuße und Fahrverbot, möglich (ständige OLG-Rspr., z.B. BayObLG NZV 99, 51; OLG Hamm VRS 99, 220).  

     

    Praxishinweis: Der Verteidiger muss darauf achten, dass sich aus einer ggf. abgegebenen Einspruchsbegründung nicht eine (teilweise) nicht gewollte Beschränkung des Einspruchs ergibt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn in der Einspruchsbegründung nur zu den Rechtsfolgen Stellung genommen wird. In dem Fall sollte durch entsprechende Formulierungen vorab deutlich gemacht werden, dass aus der Begründung keine (konkludente) Beschränkung des Einspruchs abzuleiten ist, sondern der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten wird (zur konkludenten Beschränkung OLG Hamm 22.11.07, 3 Ss OWi 641/07, Abruf-Nr. 082356).  

    Ist auch eine Beschränkung des Einspruchs nur auf einen Teil der Rechtsfolgen zulässig?  

    Nein. Grds. kann nur auf die Rechtsfolgen insgesamt beschränkt werden (vgl. u.a. BayObLG NZV 99, 51; OLG Celle NZV 99, 524; OLG Hamm VRS 99, 220). Erforderlich ist aber, dass der Bußgeldbescheid eine tragfähige Grundlage zur Bemessung der Rechtsfolgen bildet und insbesondere eine Angabe zur Schuldform enthält (OLG Jena NZV 06, 168). Etwas anderes gilt, wenn der Bußgeldbescheid die Regelgeldbuße nach der BKatV anordnet. Daraus kann nämlich wegen § 1 Abs. 2 BKatV auf fahrlässige Begehungsweise und gewöhnliche Tatumstände geschlossen werden (OLG Bamberg NJW 06, 627; OLG Jena NZV 06, 168; OLG Zweibrücken VRS 110, 292).  

     

    Praxishinweis: Ob eine Beschränkung des Einspruchs nur auf die Höhe der Geldbuße, wenn auch ein Fahrverbot festgesetzt ist, zulässig ist, ist umstritten (vgl. dazu Burhoff, OWi, Rn. 696 ff.). Der Verteidiger sollte daher von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen.  

    Muss die Beschränkung sofort bei Einlegung erklärt werden?  

    Nein, sie kann auch noch im Laufe des Verfahrens erfolgen, also z.B. auch noch in der Hauptverhandlung. Nach § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO benötigt der Verteidiger dafür aber eine ausdrückliche Vollmacht. Liegt die nicht vor, ist die Teilbeschränkung, die einer Teilrücknahme entspricht, unwirksam (zur besonderen Vollmacht s. u.a. aus neuerer Zeit KG NJW 09, 1686; eingehend zu den Fragen Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 6. Aufl., 2010, Rn. 202 ff. m.w.N.).  

    Kann der Einspruch unter einer Bedingung eingelegt werden?  

    Nein, die Einspruchseinlegung ist bedingungsfeindlich (KK-Bohnert, § 67 Rn. 61; OLG Hamm NJW 73, 257). Zulässig sind aber bloße Rechtsbedingungen (BGH NJW 74, 66).  

     

     

     

     

    Checkliste 3: Rücknahme des Einspruchs

    Frage  

    Antwort  

    Ist die Rücknahme des Einspruchs zulässig?  

    Ja, der Einspruch kann zurückgenommen werden.  

    Kann der Einspruch auch noch im gerichtlichen Verfahren zurückgenommen werden?  

    Ja, die Einspruchsrücknahme ist nach § 67 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 302 Abs. 1 S. 1 StPO jederzeit möglich, und zwar bis zum Beginn der Urteilsverkündung.  

    Kann der Einspruch auch noch nach Übergang ins Strafverfahren gem. § 81 OWiG zurückgenommen werden?  

    Nein, nach Erteilung des Hinweises nach § 81 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 OWiG kann der Einspruch nicht mehr zurückgenommen werden (BGH NJW 80, 2364; OLG Köln NZV 02, 419; a.A. wohl Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 81 Rn. 19). Das wird in der Rechtsprechung z.T. dann anders gesehen, wenn der Betroffene vor Erteilung des Hinweises nicht gehört worden ist (vgl. LG Kaiserslautern NJW 87, 966; LG Traunstein NJW 82, 1826).  

     

    Praxishinweis: Der Verteidiger muss den Übergang in das Strafverfahren und den daraus folgenden Ausschluss der Rücknahme des Einspruchs immer im Auge behalten, wenn der dem Betroffenen gemachte Vorwurf ggf. auch Gegenstand eines Strafverfahrens werden könnte. Das wird z.B. immer der Fall sein, wenn es sich um einen Verkehrsunfall mit Körperverletzung handelt. Zeichnet sich in der Hauptverhandlung ab, dass der Amtsrichter den Übergang ins Strafverfahren gem. § 81 OWiG erwägt, sollte der Einspruch schnellstens zurückgenommen werden.  

    Kann der Einspruch ggf. auch noch nach der Urteilsverkündung zurückgenommen werden?  

    Ja, das ist möglich, wenn ein erstes Urteil vom OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden ist (OLG Hamm MDR 80, 161). Allerdings ist die Rücknahme ausgeschlossen, wenn das OLG nur im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben hat (OLG Hamm NZV 97, 89; OLG Köln NStZ 87, 372).  

    Bedarf die Rücknahme einer besonderen Form?  

    Nein, ausreichend ist die für die Einlegung des Einspruchs geforderte Form.  

    Bedarf der Verteidiger zur Rücknahme einer besonderen Vollmacht?  

    Ja, die o.a. Ausführungen zur nachträglichen Beschränkung des Einspruchs gelten entsprechend.  

     

     

     

    Checkliste 4: Verfahren

    Wie ist nach Einspruchseinlegung der weitere Verfahrensgang?  

    Die Verwaltungsbehörde prüft, ob sie den Bußgeldbescheid aufrecht erhält. Ist das der Fall, werden die Akten über die Staatsanwaltschaft dem Gericht vorgelegt (§ 69 OWiG).  

    Gilt im gerichtlichen Verfahren das Verschlechterungsverbot?  

    Nein, das Gericht kann in der Hauptverhandlung eine für den Betroffenen nachteiligere Entscheidung treffen.  

     

    Praxishinweis: Etwas anderes gilt nach § 72 Abs. 3 S. 2 OWiG, wenn das AG im Beschlussverfahren entscheidet. Deshalb kann es sich für den Verteidiger empfehlen, das Verfahren nach § 72 OWiG anzuregen (vgl. dazu Burhoff VA 09, 14).  

    Besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn die Einspruchsfrist versäumt worden ist?  

    Ja. Gegen die Fristversäumnis kann Wiedereinsetzung nach den allgemeinen Regeln beantragt werden. Über diese entscheidet die Verwaltungsbehörde. Gegen deren Entscheidung ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG zulässig.  

     

    Praxishinweis: Ein weiteres Rechtsmittel steht dem Betroffenen nach § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG dann nicht mehr zu.  

    Was geschieht mit einem unwirksamen Einspruch, also z.B. bei Fristversäumung?  

    Ist der Einspruch nicht wirksam eingelegt, so verwirft die Verwaltungsbehörde den Einspruch gem. § 69 Abs. 1 S. 1 OWiG als unzulässig. Gegen die Verwerfungsentscheidung der Verwaltungsbehörde ist Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 S. 2 OWiG i.V.m. § 62 OWiG zu stellen.  

     

    Praxishinweis: Die Frist für den Antrag beträgt zwei Wochen nach Zustellung der Verwerfungsentscheidung.  

     

    Nach § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG ist ein weiteres Rechtsmittel ausgeschlossen.  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2010 | Seite 32 | ID 132996