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  • 01.04.2005 | Schuldrechtsreform

    20 aktuelle Fragen zur Nacherfüllung beim Kauf

    von VRiOLG Dr. Christoph Eggert, Düsseldorf

    Nicht zuletzt die in dieser Ausgabe auf S. 58 mitgeteilte Entscheidung des BGH vom 23.2.05 zur eigenmächtigen Nachbesserung („Selbstvornahme“) lenkt den Blick erneut auf ein Thema, das zu den schwierigsten des Neuen Kaufrechts zählt: die Nacherfüllung oder – aus Sicht des Verkäufers – das Recht zur zweiten Andienung.  

     

    Auf diesem verminten Neuland jagt derzeit eine Entscheidung die andere. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Thema haben wir auf den nächsten Seiten zusammengestellt.  

     

    Checkliste „Nacherfüllung“

    Frage  

    Antwort  

    1. Wie wird der Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB) geltend gemacht?  

    Das Gesetz schreibt keine bestimmte Form vor. Der Käufer kann sein Wahlrecht (Ersatzlieferung oder Nachbesserung) ausüben, muss es aber nicht. Für den Verkäufer muss klar sein, was von ihm verlangt wird. Eine Fristsetzung ist nicht notwendiger Bestandteil der Aufforderung zur Nacherfüllung, kann aber damit kombiniert werden.  

    2. Welche inhaltlichen Anforderungen muss ein Nachbesserungsverlangen erfüllen?  

    Der Mangel, dessen Beseitigung verlangt wird, muss möglichst konkret bezeichnet werden. Es genügt, wenn die Mangelerscheinungen (Symptome) gerügt werden. Mangelursachen müssen nicht thematisiert werden. Wird dem Aufforderungsschreiben ein Gutachten, z.B. ein ADAC-Prüfbericht, beigefügt, reicht zur Konkretisierung eine Bezugnahme.  

    3. Wie setzt man eine Nachfrist richtig?  

    Die Anforderungen an eine (Nach-)Fristsetzung i.S.v. § 440 BGB – unabhängig von der Fristlänge – sind im Gesetz nicht geregelt. Nach Ansicht des OLG Köln muss der Käufer unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Verkäufer eine „letzte Gelegenheit“ erhält, die vertragliche Leistung zu erbringen (ZGS 03, 392). „Weiche“ Formulierungen sind zu vermeiden. Es empfiehlt sich eine nachdrückliche und eindeutige Aufforderung verbunden mit einer bestimmten Frist oder einem bestimmten Endtermin.  

    4. Ist eine Ablehnungs- androhung erforderlich?  

    Die Fristsetzung muss keine Ablehnungsandrohung enthalten, (OLG Köln ZGS 03, 392), sie ist aber auch nicht schädlich.  

    5. Wie lang muss die Frist sein und welche Folgen hat es, wenn eine unangemessen kurze Frist gesetzt wurde?  

    Für die Angemessenheit der Nachfrist haben sich noch keine klaren Maßstäbe herausgebildet. Es kommt ganz auf die Umstände des Einzelfalls an. Maßgebend sind: Art der Nacherfüllung (Ersatzlieferung oder Nachbesserung), bei verlangter Nachbesserung die Eigenart des Mangels, der Umfang der Mangelhaftigkeit und die Leistungsfähigkeit des Verkäufers (Werkstatt ?). Eine zu kurze Frist ist nicht wirkungslos, es wird eine Frist angemessener Länge in Gang gesetzt (OLG Celle NJW 04, 3566).  

    6. Genügt die Aufforderung des Käufers, die Bereitschaft zur Nachbesserung zu erklären?  

    Ob die Aufforderung genügt, binnen einer bestimmten Frist die Bereitschaft zur Nachbesserung zu erklären, hat das OLG Stuttgart (DAR 05, 91 = OLGR 05,30) offengelassen, verneinend Palandt/Heinrichs, § 323 Rn. 13, also nicht empfehlenswert.  

    7. Was ist, wenn der Käufer in seinem Aufforderungsschreiben etwas verlangt, was er nicht oder so nicht beanspruchen kann?  

    Wenn der Käufer zu viel fordert, kann das Nacherfüllungsverlangen/die Nachfristsetzung unbeachtlich sein. Rspr. dazu liegt noch nicht vor. Ob der Käufer zu viel fordert, hängt vom Inhalt der Nacherfüllungspflicht ab. Insoweit gibt es Zweifelsfragen: Kann der Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs den Einbau von Neuteilen fordern? (dazu s. Frage 12). Was ist mit dem Ausbau eines schadhaften Teils und seiner Entsorgung? Kann der Käufer das Abholen seines Fahrzeugs verlangen? (dazu s. Frage 8). Angesichts der herrschenden Rechtsunsicherheit sind Käufer gut beraten, sich in ihren Aufforderungsschreiben auf den Kerninhalt der Nacherfüllung (Ersatzlieferung oder Nachbesserung) zu beschränken.  

    8. Muss ein Käufer anbieten, das Auto in die Werkstatt zu bringen oder kann er Abholung fordern?  

    Ist zur Nachbesserung die Mitwirkung des Käufers notwendig, muss er sich mitwirkungsbereit halten. Ob der Käufer das Fahrzeug – auf Kosten des Verkäufers – zu dessen Werkstatt bringen muss oder ob ein Bereitstellen des Fahrzeugs am momentanen „Belegenheitsort“ (i.d.R. Wohnsitz des Käufers) genügt, ist sehr str. Nach h.M. ist Erfüllungsort für die Nacherfüllungsverpflichtung in beiden Varianten nicht der ursprüngliche Erfüllungsort, sondern der Ort, wo der Käufer das Fahrzeug bestimmungsgemäß einsetzt (s. Lorenz, ZGS 04, 408 m.w.N.; a.A. Ball, NZV 04, 217; Reinking, zfs 03, 57; Skamel, DAR 04, 565).  

    9. Welche Möglichkeiten hat der Verkäufer zur Abwehr eines Nacherfüllungs- verlangens?  

    In erster Linie ist zu prüfen, ob sich der Verkäufer auf § 275 Abs. 1 BGB berufen kann. Wenn die geforderte Nacherfüllung objektiv unmöglich ist, ist der Käufer mit seinem Anspruch ausgeschlossen. Beim Gebrauchtfahrzeugkauf ist die Ersatzlieferung regelmäßig unmöglich, weil es sich um eine nicht austauschbare Sache handelt. Wenn auch der Mangel des gebrauchten Autos nicht behebbar ist, eine Nachbesserung also entfällt, sind beide Arten der Nacherfüllung unmöglich. Beispiel: Verkauf eines Fahrzeugs als „unfallfrei“ mit Unfallvorschaden. Persönliches Unvermögen (Verkäufer ohne Werkstatt) ist kein Fall des § 275 Abs. 1 BGB.  

     

    In zweiter Linie ist zu prüfen, ob dem Nachbesserungsverlangen die Einrede der Unverhältnismäßigkeit der Kosten entgegengesetzt werden kann (§ 439 Abs. 3 BGB). Dazu Frage 10.  

    10. Unter welchen Voraussetzungen darf der Verkäufer die Nacherfüllung aus Kostengründen verweigern?  

    Im Rahmen des Gesamtkomplexes „Nacherfüllung“ ist § 439 Abs. 3 BGB die problematischste Norm. Besonders heikel ist die Rechtslage beim Neufahrzeugkauf. Hier kommen beide Arten der Nacherfüllung in Betracht, so dass es auch auf einen Kostenvergleich ankommt (relative Unverhältnismäßigkeit). Demgegenüber stellt sich beim Gebrauchtwagenkauf (im Falle eines behebbaren Mangels) nur die Frage der absoluten Unverhältnismäßigkeit (dazu AG München SP 05, 70). Bei welcher Kostenhöhe die absolute Grenze überschritten ist, ist in der Rspr. ungeklärt. Faustformel: Nachbesserungskosten unterhalb des Kaufpreises sind zumutbar. Zur relativen Unverhältnismäßigkeit beim Neufahrzeugkauf liegen mehrere Entscheidungen vor (OLG Braunschweig NJW 03, 1053; LG Ellwangen NJW 02, 517; LG Münster DAR 04, 226). Informativ zum Ganzen Ball, NZV 04, 217; Skamel, DAR 04, 565; Kirsten, ZGS 05, 66.  

    11. Was ist, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist oder zu Recht verweigert wird?  

    Ist die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich oder wird diese nach § 439 Abs. 3 BGB zu Recht verweigert, kann und muss der Käufer unmittelbar nach § 437 Nr. 2und 3 BGB vorgehen. Der Nacherfüllungsanspruch ist ausgeschlossen bzw. nicht durchsetzbar.  

    12. Muss der Verkäufer unbedingt Neuteile einsetzen?  

    Wie der Verkäufer den Mangel beseitigt, geht den Käufer grds. nichts an. Entscheidend ist der Erfolg der Maßnahme. So liegt es im Ermessen des Verkäufers, ob er das defekte Teil repariert oder austauscht. Bei einem Gebrauchtwagen müssen nicht in jedem Fall Neuteile eingesetzt werden, vgl. Ball, NZV 04, 217; AG Kenzingen SVR 04, 276 (Opel Astra, 86.000 km).  

    13. Bekommt der Verkäufer einen Ausgleich „neu für alt“, wenn eine Wertsteigerung vorhanden ist?  

    Grundsätzlich ist die Nachbesserung kostenlos. Eine Vorteilsabschöpfung kommt nur in engen Grenzen in Frage, z.B. wenn das ausgetauschte Teil außer dem Mangel einen vom Käufer selbstverursachten Defekt hatte. Zum Problem siehe Ball, NZV 04, 217.  

    14. Muss ein Neuwagenkäufer den Verkäufer infor-mieren, wenn er sich, wie in den AGB vereinbart, an einen Drittbetrieb wendet? Wenn ja, wann?  

    Nach den Neuwagen-AGB besteht eine Unterrichtungspflicht. Über den Zeitpunkt wird nichts gesagt. Spätestens vor dem Rücktritt, so das LG Duisburg 24.11.03, 2 O 196/03, Abruf-Nr. 040445; ähnlich streng LG Schwerin DAR 04, 590; s. auch Seel, DAR 04, 563.  

     

    15. Wie geht ein Gebrauchtwagenkäufer am besten vor, wenn für seinen Pkw noch die Herstellergaran-tie läuft, er aber auch kaufrechtliche Nachbesserung verlangen könnte?  

    Die Inanspruchnahme einer anderen Werkstatt zur Durchführung einer Garantiearbeit sollte nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Verkäufers erfolgen. Andernfalls läuft der Käufer Gefahr, seinen Nachbesserungsanspruch zu verlieren (§ 275 Abs. 1 BGB) oder bei mangelhafter Garantieleistung keine Deckung beim Verkäufer zu finden (AG Landau/Pfalz 22.2.05, 4 C 1337/04, Abruf-Nr. 050705).  

    16. Kann ein Kfz-Verkäufer ohne eigene Werkstatt sich auf sein Recht zur zweiten Andienung berufen oder ist es konkludent ausgeschlossen?  

    Der Verkäufer handelt nicht treuwidrig, wenn er sich auf sein Recht zur zweiten Andienung beruft. Allein das Fehlen einer Werkstatt rechtfertigt nicht die Annahme eines konkludenten Ausschlusses. Für einen Ausschluss durch Vereinbarung ist der Käufer beweispflichtig.  

    17. Wie kann ein Käufer, der ohne Fristsetzung den Rücktritt erklärt oder in Eigenregie nachgebessert hat, einen drohenden Anspruchsverlust verhindern?  

    Er muss darlegen und notfalls beweisen, dass die Aufforderung zur Nacherfüllung mit Fristsetzung entbehrlich war. Dafür gibt es eine Vielzahl von Ansätzen. Ausgangspunkt ist § 440 BGB mit seinen drei Grundfällen: berechtigte Verweigerung nach § 439 Abs. 3 BGB, Fehlschlagen der Nacherfüllung und Unzumutbarkeit. Das „Fehlschlagen“ kennt mehrere Unterfälle: Misslingen der Nachbesserung trotz zweier Versuche (für den Gebrauchtwagenkauf siehe OLG Karlsruhe DAR 05, 31); unberechtigte Verweigerung in Form der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung (vgl. OLG Celle NJW 04, 3566; LG Hanau NJW-RR 03, 1561) und die unzumutbare Verzögerung.  

    18. Kann der Käufer, der ohne Fristsetzung durch einen Dritten nachbessern lässt, einen Teil der Kosten erstattet verlangen?  

    Nein, einen solchen Anspruch hat der Käufer nicht, s. BGH 23.2.05, VA 05, 58, Abruf-Nr. 050706. Es gilt: Wer zu früh nachbessert, bleibt auf den Kosten sitzen.  

    19. Schuldet der Käufer im Fall der Ersatzlieferung für die Nutzung der mangelhaften Sache einen Ausgleich?  

    Diese Frage hat die Rspr. noch nicht entschieden. Die h.M. plädiert für einen Anspruch auf Ersatz der gezogenen Nutzungen nach §§ 439 Abs. 4i.V.m. § 346 Abs. 1, 2 BGB; abw. Ball, NZV 04, 217; Gsell, NJW 03, 1969; s. auch Woitkewitsch, VuR 05, 1.  

    20. Kann der Käufer für die Zeit, in der sein Wagen zur Nachbesserung in der Werkstatt ist, einen Ausgleich für entgangene Nutzung verlangen?  

    Strittig ist, ob es sich um einen mangelbedingten Schaden oder um einen Fall des Verzögerungsschadens handelt. Vor Ablauf der gesetzten Nacherfüllungsfrist liegt trotz einer Aufforderung mit Fristsetzung kein Verzug vor, so dass nach der verkäuferfreundlichen Auffassung (Verzögerungsschaden) erst nach fruchtlosem Fristablauf eine Entschädigung in Betracht kommt. Die Gerichte haben die Einordnungsfrage noch nicht entschieden. AG und LG Aachen (DAR 03, 120, 273) haben einen Ersatzanspruch aus anderen Gründen verneint.