27.04.2011 | Schweigepflicht des Rechtsanwalts
Anwaltliche Schweigepflicht
Die Verschwiegenheitspflicht des Strafverteidigers ist grundsätzlich umfassend (BGH 16.2.11, IV ZB 23/09, Abruf-Nr. 110843). |
Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war als Strafverteidiger in einem Strafverfahren gegen ein Ehepaar wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung tätig. Im Rahmen der Hauptverhandlung kam es zu einer Absprache über einen Täter-Opfer-Ausgleich und den Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung zwischen den Angeklagten und dem Geschädigten, die Voraussetzung einer Strafaussetzung zur Bewährung sein sollte. Unter den Angehörigen der Angeklagten fanden in einer Verhandlungspause im Gerichtsflur Gespräche darüber statt, wie die benötigten 10.000 EUR aufgebracht werden könnten. Es wurde eine Einigung darüber erzielt, dass der Vater und der Bruder je 5.000 EUR in bar zahlen sollten. Bei dem Gespräch waren auch die Verteidiger anwesend. Inzwischen nimmt der Bruder des angeklagten Ehemanns die Mutter der angeklagten Ehefrau auf Rückzahlung von 5.000 EUR mit der Behauptung in Anspruch, er habe ihr das Geld zur „Auslösung“ ihrer Tochter als Darlehen gegeben. Zum Beweis für die Darlehensabrede hat er sich auf das Zeugnis des Rechtsanwalts berufen. Dieser verweigerte die Aussage, weil sein Mandant ihn nicht von seiner Schweigepflicht entbunden habe. AG und LG haben die Aussageverweigerung für unberechtigt gehalten. Der BGH hat dem (ehemaligen) Verteidiger Recht gegeben.
Entscheidungsgründe
Unter die in § 43a Abs. 2 BRAO geregelte Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts fällt alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, wie das Wissen erworben wurde. Sie umfasst deshalb auch Zufallswissen, das im Rahmen beruflicher Tätigkeiten erlangt wurde. Davon ist abzugrenzen, was der Anwalt nur anlässlich seiner Tätigkeit erfährt, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat besteht. Der ist hier zu bejahen. Der Rechtsanwalt hat an der Unterredung als Vertreter seines Mandanten, der den Gerichtssaal nicht verlassen durfte und der sich von einer Freiheitsstrafe bedroht sah, teilgenommen. Daraus folgt, dass der Verteidiger das Gespräch nicht als unbeteiligter Zuhörer verfolgt hat.
Praxishinweis
Von einer bestehenden Verschwiegenheitspflicht kann der Verteidiger nur durch seinen Mandanten befreit werden. Dieser ist „Herr des Geheimnisses“ (BGHZ 109, 260) auch bezüglich solcher Tatsachen, die dem Rechtsanwalt von Dritten mitgeteilt worden seien. Die Verweigerung einer Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht ist grundsätzlich zu beachten. Zu einer generellen Abwägung, ob schützenswerte Interessen des Mandanten berührt sind, ist der Rechtsanwalt nicht berechtigt (zur Verschwiegenheitspflicht s. auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1892 ff.).
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