Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • Täteridentifizierung

    Identitätsfeststellung durch Vergleich von Messfoto mit Ausweisbild des Betroffenen

    Ein aus dem Pass- oder Personalausweisregister stammendes Lichtbild des Betroffenen darf zum Vergleich mit dem vom Verkehrsverstoß vorliegenden Messfoto zum Zweck der Identifizierung des Betroffenen nur verwendet werden, wenn das Lichtbild unter Beachtung der Rechtsvorschriften des Pass- und Personalausweisgesetzes erlangt wurde (AG Stuttgart 14.2.02, 8 OWi 71 Js 98447/01, n.rkr.). (Abruf-Nr. 020602)

    Sachverhalt

    Dem Betroffenen wurde ein Rotlichtverstoß vorgeworfen. Von diesem lag ein Messfoto der automatischen Überwachungsanlage vor. Die Sachbearbeiterin der Bußgeldstelle rief über ihren mit dem Passregister vernetzten PC das dort in digitalisierter Form hinterlegte Passbild des Betroffenen ab, um dieses mit dem Messfoto zu vergleichen. Gegen den Betroffenen wurde daraufhin ein Bußgeldbescheid erlassen. Der Betroffene hat in der Hauptverhandlung der Verwendung des Passfotos zur Identifizierung widersprochen. Das AG hat ihn frei gesprochen.

    Entscheidungsgründe

    Der Nachweis, dass der auf dem Messfoto abgebildete Fahrzeugführer mit dem Betroffenen identisch ist, kann durch einen Vergleich mit dem Lichtbild aus dem Passregister aus rechtlichen Gründen nicht geführt werden. Ohne Einverständnis des Betroffenen darf das digitalisierte Lichtbild nicht zur Identifizierung verwendet werden, da es entgegen den zwingenden, dem Schutz von Bürgerdaten dienenden Rechtsvorschriften erhoben wurde. Daten aus dem Passregister dürfen nur nach Maßgabe des § 22 Abs. 2 und 3 PaßG übermittelt werden. Da das Passregister kein Auskunftsregister ist, muss formell ein „Ersuchen“ der Bußgeldbehörde vorliegen. Das ist eine ausdrückliche Anforderung der an den Registerdaten interessierten Behörde. Diese Voraussetzung lässt ein automatisiertes Abrufverfahren, bei dem die nachfragende Behörde ohne vorherige Anforderung und Anmeldung direkten Zugriff auf Bestandsinformationen der Passbehörde hat, nicht zu. Das gilt auch, wenn die anfragende Stelle zur selben Verwaltungseinheit gehört wie die Passbehörde.

    Auch die aus § 22 Abs. 1 PaßG folgenden materiellen Voraussetzungen für eine Datenweitergabe sind nicht eingehalten. Zu berücksichtigen ist, dass für die Identifizierung das aktuelle Erscheinungsbild des Betroffenen entscheidend ist. Dies wird aber durch das häufig schon ältere Passbild nicht immer vermittelt. Den Bußgeldbehörden stehen zudem andere, erfolgversprechendere Möglichkeiten der Identifizierung zur Verfügung. Sie kann mit einem Abzug von dem Messfoto bei dem Fahrzeughalter des Betroffenen Nachforschungen anstellen oder diesen zur Vernehmung laden und dabei mit dem Messfoto vergleichen.

    Schließlich stehen der Verwendung des Passfotos auch die Grundsätze der sog. Gemeinschuldnerentscheidung des BVerfG entgegen. Danach ist die Verwertung erzwungener Angaben gegen den Willen des Betroffenen unzulässig. Die Ausstellung eines Ausweises kann aber erzwungen werden. Die vom Ausweispflichtigen gelieferten Informationen über sein Aussehen dürfen daher nicht ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten verwendet werden.

    Praxishinweis

    Die Entscheidung gilt nicht nur für Passfotos, sondern wegen der im Wesentlichen inhaltlich gleichen Vorschrift des § 2b PAuswG auch für die Übermittlung von Lichtbildern aus dem Personalausweisregister. Das AG Stuttgart erteilt mit seiner Auffassung der häufigen Verwaltungspraxis, das Ausweisfoto mit dem Messfoto automatisch abzugleichen, eine deutliche Absage. Erforderlich ist für die Beschaffung des Ausweisfotos nicht nur ein ausdrückliches Ersuchen der Bußgeldbehörde, das den registerrechtlichen Vorschriften (vgl. § 2b PAuswG und § 22 PaßG) entsprechen muss. Neben dieser formellen Voraussetzung muss nach Auffassung des AG Stuttgart der Abgleich mit dem Ausweisfoto offenbar auch das „letzte Mittel“ zur Täteridentifizierung sein. Im Übrigen ist mit dieser Entscheidung die Diskussion um die Zulässigkeit der Verwendung von Ausweiskopien wieder eröffnet. Die h.M. hat nämlich (bislang) ein Beweisverwertungsverbot selbst dann nicht angenommen, wenn ein Verstoß gegen Ausweisbestimmungen vorlag (vgl. dazu VA 01, 110 m.w.N.).

    Im Hinblick auf die sog. Widerspruchslösung des BGH (vgl. dazu BGHSt 38, 214) muss der Verteidiger in der Hauptverhandlung der Verwendung des beigezogenen Ausweisfotos ausdrücklich widersprechen. Anderenfalls kann er den Verstoß gegen das Beweisverwertungsverbot in der Rechtsbeschwerde nicht rügen.

    Quelle: Verkehrsrecht aktuell - Ausgabe 07/2002, Seite 110

    Quelle: Ausgabe 07 / 2002 | Seite 110 | ID 107011