01.10.2008 | Unfallschadensregulierung
Abrechnung auf Neuwagenbasis
Von einer spurenlosen Auswechselung beschädigter Teile, die zur Zumutbarkeit einer bloßen Reparatur führen und einer Abrechnung eines Kfz-Schadens auf Neuwagenbasis entgegenstehen könnte, kann nicht mehr die Rede sein, wenn die erforderliche Reparatur tragende Teile betrifft, die am Fahrzeug verbleiben und durch Richten oder Schweißen in Stand gesetzt werden müssen. Denn auch bei technisch einwandfreier Reparatur wird ein Fahrzeug durch solche Rückverformungsmaßnahmen nicht vollständig in den vom Hersteller gefertigten Ursprungszustand versetzt, so dass es seinen „nagelneuen“ Charakter, dem nach der Verkehrsanschauung gerade ein gewisser Vermögenswert zukommt, verliert (OLG Hamburg 28.3.08, 14 U 95/07, Abruf-Nr. 082318). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Als Geschäftsfahrzeug gerade angeschafft (Kaufpreis 97.379 EUR) und am Vortag erstmals zum Verkehr zugelassen, hat es das BMW M 6 Coupé „erwischt“. Der Beklagte lehnte eine Regulierung auf Neuwagenbasis ab. Bezahlt wurden nur die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten i.H.v netto 5.379 EUR sowie eine Wertminderung von 3.500 EUR.
Während das LG dem Beklagten gefolgt ist, hat das OLG der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Es hat den ersatzfähigen Schaden auf 88.040 EUR festgesetzt. Nur mit einer Neupreisentschädigung werde der Anspruch der Klägerin auf völlige Wiederherstellung des früheren Zustands erreicht. Da an der Neuwertigkeit des Pkw kein Zweifel bestand, ging es im Kern um die weitere Voraussetzung einer Abrechnung auf Neuwagenbasis, die „erhebliche“ Beschädigung oder – anders betrachtet – die Unzumutbarkeit einer Instandsetzung. Letzteres ist für den BGH das entscheidende Kriterium. Durch einen Drei-Punkte-Katalog präzisiert er jedoch nur den Ausnahmefall 1000 bis 3000 km. Für den Regelfall (unter 1000 km, wie hier) hat er noch keine Einzelkriterien formuliert. Angesichts einer notwendigen Instandsetzung mit einem Arbeitsaufwand von 72 Min. an der A-Säule links, für den Senat ein „tragendes Teil“, sei die Zumutbarkeitsgrenze überschritten. Soweit andere OLG „geringfügige“ Richtarbeiten toleriert hätten, sei dem nicht zu folgen. Dass es sich um ein gewerblich genutztes Auto handele (Geschäftsführerfahrzeug), hält der Senat für unschädlich; ebenso den Umstand, dass die Klägerin noch kein Ersatzfahrzeug angeschafft habe.
Praxishinweis
Im Interesse der Sache ist zu wünschen, dass die eingelegte Revision durchgeführt wird (Az. beim BGH: VI ZR 110/08). Die Rechtsprechung des VI. ZS ist überholungs- und ergänzungsbedürftig. A jour ist dagegen der österr. OGH (ZVR 08, 116 mit. Bespr. Ch. Huber, ZVR 08, 92 ff.). In der Zumutbarkeitsfrage ist dem OLG zu folgen, auch wenn der Terminus „tragendes Teil“ mit Vorsicht zu genießen ist. Ob auf Neuwagenbasis fiktiv abgerechnet werden darf, was das OLG befürwortet, ist in der Instanzgerichtsbarkeit strittig (zuletzt LG Hagen ZfS 07, 386), ein weiterer Grund für eine Revisionsentscheidung.
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