Unfallschadensregulierung
Haushaltsführungsschaden richtig begründen und berechnen
von RiAG Werner Bachmeier, München
Die Durchsetzung eines Haushaltsführungsschadens ist zeitraubend und kann auch kostenintensiv sein. Sie ist in jedem Falle wegen des gravierenden Schadens bei dauernder Beeinträchtigung und bei Ansprüchen Hinterbliebener erforderlich. In den meisten Fällen reicht allerdings im Hinblick auf § 287 ZPO eine vereinfachte Schadensschätzung aus. Eine schnelle Prognose zu Aufwand und Ertrag ist daher wichtig.
1. Anspruchsgrundlagen
Hinter dem Begriff „Haushaltsführungsschaden“ verbergen sich drei unterschiedliche Ansprüche, abhängig von der Stellung des Geschädigten im sozialen Verbund:
1.1 Verletzung einer verheirateten Person
Verheiratete müssen einen Beitrag zum Familienunterhalt leisten (§ 1356 BGB). Dieser kann mit Bargeld, aber auch durch die Haushaltsführung erbracht werden. Wird durch eine Verletzung deren Erbringung ganz oder teilweise beeinträchtigt, führt dies zur Beeinträchtigung des Erwerbs, so dass dem Verletzten ein Erwerbschaden entsteht. Aus §§ 1356, 1360 BGB ergibt sich der Bezug auf die Ehe. Personen aus einer „Ehe ohne Trauschein“ scheiden damit i.d.R. aus (dazu Burhoff, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, 2. Aufl., Rz. 856). Gemäß § 11 LPartG sind Personen aus einer „lebenspartnerschaftlichen Verbindung“ wegen der Gleichstellung mit den ehelichen Verbindungen jedoch ebenfalls Angehörige.
1.2 Hinterbliebene
Stirbt der Verletzte, können die zum Zeitpunkt des Unfalls (BGH NJW 96, 1674) lebenden Hinterbliebenen Anspruch auf Ersatz der damit gleichzeitig entfallenen Leistung bei der Haushaltsführung geltend machen, da der haushaltsführende Ehegatte eine Unterhaltsleistung zu Gunsten der Familienmitglieder erbrachte. Mit dem Tod ergibt sich daher ein ersatzpflichtiger Unterhaltsschaden gemäß § 844 Abs. 2 BGB, § 10 Abs. 2 S. 1 StVG. Anspruchsberechtigt sind der Ehepartner (§ 1360 BGB), die Kinder (§§ 1601 ff. BGB; zu beachten aber § 1602 BGB) und in gerader Linie Verwandte (§§ 1601 ff. BGB) bzw. die gemäß § 1 LPartG Verbundenen (§§ 2, 5 LPartG). Damit scheiden Stiefkinder, Geschwister und Partner einer nichtehelichen und nichtlebenspartnerschaftlichen Lebensgemeinschaft i.d.R. aus.
1.3 Sonstige Personen (Single)
Da bei anderen Personen mangels Unterhaltsleistung ein Haushaltsführungsschaden nicht in Betracht kommt, tritt ein Schaden lediglich unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse ein.
2. Schadensberechnung
Die Schadensberechnung ist weitgehend ähnlich. Nach der Rspr. (BGH VersR 74, 1016) soll allerdings ab etwa 68 Jahren schadensunabhängig die Leistung des Geschädigten bei der Haushaltsführung geringer und daher schadensunabhängig vermehrt eine Hilfskraft eingesetzt werden. Ab etwa dem 75. Lebensjahr soll die Pflicht zur Haushaltsführung allgemein enden (OLG Hamm NJW-RR 95, 599; Pardey, Berechnung von Personenschäden, 2000, Rn. 297). Dass sich der Großteil der Rentner keine Haushaltshilfe leisten kann, bedarf keiner näheren Erläuterung. Dementsprechend ist dem Grunde nach der Anspruch wegen Ausfalls des Verstorben regelmäßig bis zu dessen mutmaßlichem Lebensende, im Regelfall nach der statistischen Lebenserwartung, zu gewähren (Pardey, a.a.O., Rn. 304). Mitverschulden ist wie üblich nach der Berechnung der Schadenshöhe zu berücksichtigen.
2.1 Konkrete Schadensberechnung
Wird wegen der Verletzung eine Kraft zur Versorgung des Haushalts (z.B. Putzhilfe, Verwandte als Kinderbetreuerin) eingestellt, sind die Aufwendungen als Schaden zu ersetzen. Wie auch beim fiktiven Schaden kommt dies aber nur in Betracht, wenn die Leistungen nicht ohnehin von Ehepartner und Kindern unentgeltlich zu erbringen sind. Daher muss mit dem Mandanten die haushaltsspezifische Rollenverteilung zwischen den Familienmitgliedern geklärt werden. Diese Aufteilung ist als tatsächliche Schadensgrundlage entscheidend, eine rechtliche Vorgabe für die Entscheidung existiert nicht. Selbstverständlich liegt kein Scha-den vor, soweit der Verletzte ohnehin keine Leistung erbracht hätte, etwa wenn verletzungsunabhängig Putzhilfen oder Kinderbetreuer eingesetzt werden (BGH NZV 90, 21).
Im allgemeinen treten bei Vorlage der Belege wegen der Höhe keine Probleme auf, allenfalls wegen der Erforderlichkeit und des Umfangs. Das ist allerdings mehr ein medizinisches Problem, das ggf. durch ein Sachverständigengutachten zu klären ist. Zu erstatten ist der Bruttolohn. Löhne aus Schwarzarbeit finden allerdings bei der Berechnung des Verdienst-ausfalls keine Berücksichtigung (BGH NJW 90, 2542). Dies muss auch für den Bereich des Haushaltsführungsschadens gelten.
2.2 Fiktive Schadensabrechnung
Wird nichts gezahlt, tritt zwar kein Schaden ein. Gleichwohl wird aber überwiegend nach dem Prinzip des normativen Schadensbegriffs eine fiktive Entschädigung zuerkannt (seit BGHZ 50, 304). Erstattungsfähig ist lediglich der Nettolohn einer fiktiven Hilfskraft (BGH NJW-RR 90, 34). Der Schaden ist nach § 287 ZPO zu schätzen. Grundlage ist der Vergleich mit den für eine Haushaltshilfe erforderlichen Kosten. Berechnungsgrundlagen sind daher Beeinträchtigungsfaktor (zeitlicher Arbeitsaufwand) und Stundenlohn (Nettolohn).
Zur Ermittlung des Beeinträchtigungsfaktors können bei typischen Verletzungen (Brüchen, Verlust bestimmter körperlicher Fähigkeiten etc.) zum Vergleich Tabellen mit Prozentangaben herangezogen werden (z.B. Tabelle Reichenbach/Vogel abgedr. bei Schulz-Borck/Hofmann, Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl. 00, S. 54). Nicht jeder Fall lässt sich allerdings damit lösen. Ein HWS-Schleudertrauma findet sich nicht. Die vom Arzt bescheinigte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) reicht als Entscheidungsgrundlage nicht aus, weil keine Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Haushaltstätigkeiten erfolgt. Es müsste deshalb eine individuelle medizinische Begutachtung durch einen hierfür ausgebildeten Sachverständigen erfolgen, ein zeitlich und finanziell aufwendiges Verfahren. Möglicherweise ist trotz des vom BGH gebilligten Ermessensspielraums (BGH VersR 89, 1273) je nach den Umständen des Einzelfalls zudem noch ein teures arbeitsanalytisches Gutachten erforderlich. Teilweise kann auch ein Vergleich mit einer in etwa vergleichbaren Verletzung erfolgen. In der Grafik auf Seite 7 wurde zum Vergleich die Schultergelenksversteifung mit eingeschränktem Schultergürtel herangezogen.
Sodann ist festzustellen, in welchem Umfang der Verletzte im Haushalt tätig war. Gemäß §§ 842, 844 Abs. 2 BGB, § 11 StVG kommt es darauf an, welche konkrete Arbeitsleistung vorlag. Der Schaden ist also auf den vor der Verletzung geleisteten Umfang beschränkt (BGH NZV 90, 21). Der Arbeitsumfang wird maßgeblich von der im Haushalt lebenden Personenanzahl bestimmt. Hierzu kann man für typische Haushalte wiederum auf Tabellen (vgl. Schulz-Borck/Hofmann, a.a.O., S. 29), zugreifen. Lässt sich der konkret betroffene Haushalt nicht mit den tabellarischen Werten vergleichen, kann entweder ein ähnliches Modell herangezogen oder eine Ermittlung im Einzelfall durchgeführt werden. Die typische Mitarbeit von Familienmitgliedern im Haushalt ist zu berücksichtigen. Das Ergebnis der Berechnung wird in Stunden ausgedrückt. Handelt es sich um eine typische Doppelverdienerehe, so muss entsprechend der üblichen Verteilung jeder nur die halbe Haushaltstätigkeit aufbringen. Abweichende Absprachen sind nachzuweisen. Bei Kindern ist spätestens ab dem 14. Lebensjahr von einer Mithilfepflicht im Haushalt auszugehen (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 7. Aufl. 00, Rn. 264).
2.3 Lohnermittlung
Arbeitsumfang und -inhalt bestimmen den zum Vergleich heranzuziehenden Beruf. Dieser kann der BAT-Eingruppierung (BGH NJW 83, 1425) entnommen werden. Bei der Ermittlung des Nettolohns (vgl. hierzu Schulz-Borck/Hofmann, a.a.O., S. 14) lässt die Rspr. eine vereinfachte Berechnung zu. Der vergleichbare Bruttolohn für die Ersatzkraft darf pauschal um 30 Prozent gekürzt werden (OLG Stuttgart VersR 93, 1536; Küppersbusch, a.a.O., Rn. 266). Man kann sich hierbei an der nachfolgenden Gruppierung orientieren (s. auch Schulz-Borck/Hofmann. a.a.O., S. 28). Die Werte können aber nicht schematisch übernommen werden, eine exakte Berechnung erfordert eine genaue Analyse der Haushaltsstruktur. Beim pauschalen Ansatz wurde der Bruttostundenlohn nach den Grundsätzen der Rspr. (BGH NJW-RR 92, 792) um 30 Prozent gekürzt und auf volle Mark gerundet. Dieser Wert bildet damit eine griffige Grundlage für eine schnelle Ermittlung der Schadensdimension. Seit 1.1.02 ist die Division mit 2 zur Umrechnung auf e sinnvoll. Die BAT-Werte wurden dem aktuellen Vergütungstarifvertrag, gültig seit 1.8.00 entnommen; der erste Betrag war bis 31.8.01, der zweite bis 31.12.01 gültig. Seit 1.1.02 ist der zweite Betrag in € umzurechnen.
2.4 Vereinfachte Berechnungsmöglichkeit
Der aufgezeigte Weg zur Ermittlung des Schadensumfanges ist bei erheblichen Unfallfolgen (Tod, Dauerfolgen) mit hohen Schadenersatzbeträgen angebracht. Handelt es sich nur um einfachere Verletzungen mit zeitlich geringerem Arbeitskraftausfall, sollte eine vereinfachte, kostengünstigere Berechnung erwogen werden. Hierfür spricht auch die in der Rspr. zu beobachtende pauschale Berechnung (so etwa LG München I, 3.5.01,19 S 23510, Abruf-Nr. 011444, für Haushalt mit 3 Kindern, 3, 5, 11 Jahre, 200 m2 Wohnfläche: nur für die Zeit der 100-prozentigen Arbeitsunfähigkeit 5 Std. à 18 DM). Insoweit kann auf typische Arbeiten einer Reinigungsfrau oder Haushaltshilfe und deren Lohn abgestellt werden. Die vorstehende Tabelle zeigt, dass die in der Praxis für „Putzfrauen“ angesetzten Werte – in Großstädten meist um 20 DM brutto (14 DM netto) – durchaus im Bereich der BAT-Löhne liegen, vor allem bei der Erörterung einer vergleichsweisen Regelung also durchaus eine vernünftige Gesprächsgrundlage sein können.
Bei dem für die nachfolgende Grafik gebildeten Beispiel (Schleudertrauma I - vorübergehende Beeinträchtigung) ergibt sich ein wöchentlicher Haushaltsführungsschaden von 52 DM oder (aus 7,43) aufgerundet 8 DM je Tag. Bei einem Zeitraum von 10 Tagen ergibt sich bei der dargestellten Beeinträchtigung ein Anspruch von lediglich 80 DM.
3. Sonderfall Hinterbliebene
Die Berechnung des Haushaltsführungsschadens für die Hinterbliebenen weicht ab, da der Wegfall eines Familienmitgliedes zu berücksichtigen ist: Ausgangsbasis bei der Berechnung ist zunächst die Höhe der Fixkosten im Haushalt, da sich erst nach Abzug dieser Kosten die zu verteilenden Barmittel ergeben (OLG Brandenburg NZV 01, 213 m.w.N.). Sodann sind die Anteile von hinterbliebenem Ehegatten und Kindern zu ermitteln. Anschließend ist der Anteil des Verstorbenen abzuziehen und die Familienquote festzulegen. Ein fester Prozentsatz existiert nicht. Im Prinzip kann der Anteil von Verstorbenem und hinterbliebenem Ehegatten im Verhältnis 1:1 aufgeteilt werden (gebilligt von BGH NJW 86, 715; vgl. auch Pardey, a.a.O., Rn. 1167 ff. m.w.N.). Der BGH differenziert bei Kindern nach deren Alter (VersR 86, 39, 264; ebenso Pardey, a.a.O., Rn. 1177; a.A, Küppersbusch Rn. 246: Einheitsquoten). Entsprechend schlägt Pardey folgende Aufteilung vor:
Unter Ansatz des Kindessatzes ergibt sich als Faustregel für die Praxis die folgende Berechnung für den Ehegatten, wobei von einem hälftigen Ehegattenanteil, also nicht von einem Bonus und einem Kind ausgegangen wird:
Sofern man dem erwerbstätigen Ehegatten einen Bonus B, der der unterhaltsrechtlichen Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen entspricht, zubilligt (Pardey a.a.O., Rn. 1163), führt dieser beim bonusberechtigten Ehegatten zum Anteil von V = (G + B) : 2 (im Beispiel 52,5 %) und beim haushaltsführenden Ehegatten zum Anteil von (G – B) 2 (im Beispiel 47,5 %). Die obige Rechnung bei einem Bonus von 5 % würde damit für die Witwe lauten:
Der Vergleich mit dem Ausgangswert ohne Bonus zeigt, wie gerade bei der Beratung des Mandanten und den Verhandlungen zur vergleichsweisen Schadensabwicklung alternative Berechnungen durchzuführen sind.
Schließlich ist bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs auch § 1602 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Barunterhaltsleistungen, wie Lehrlingsvergütung oder Einkünfte aus eigenem Vermögen, sind daher abzuziehen (OLG Brandenburg NZV 01, 213).
4. Nachweise
In sämtlichen Bereichen erfolgt die Schadensberechnung gemäß § 287 ZPO. Die hierin für den Geschädigten liegende Erleichterung verlangt aber zumindest einen ausreichenden Vortrag als Anknüpfungstatsachen (OLG Brandenburg NZV 01, 213 m.w.N.). Dies gilt vor allem auch für die Frage, ob das Alter zur Einschränkung des Anspruchs führt. Zeugenbeweis zum bisherigen Verlauf, zu den Einkommensverhältnissen, die den Einsatz einer schadensunabhängigen Haushaltshilfe nicht ermöglichen, ist daher stets unerlässlich.
Quelle: Verkehrsrecht aktuell - Ausgabe 01/2002, Seite 4