23.10.2008 | Unfallschadensregulierung
Mietwagenkosten: FRAUNHOFER, nicht SCHWACKE
Bei der Ermittlung des „Normaltarifs“ im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO ist an Stelle des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ der „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zugrunde zu legen (OLG München 25.7.08, 10 U 2539/08, Abruf-Nr. 082884). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Corsa des Klägers war in einen Unfall verwickelt. Das OLG hat auf eine Quote von 50:50 erkannt. Entsprechend hat es Ersatz von Mietwagenkosten zugesprochen, allerdings nicht die Hälfte des Rechnungsbetrags von 1.213,30 EUR, sondern nur 50 Prozent von 622,09 EUR. Den berechneten „Unfallersatztarif“ könne der Kläger nicht beanspruchen. Für einen gegenüber einem Normaltarif gerechtfertigten höheren Preis seien „keine Gründe genannt“. Für den Normaltarif ergebe sich auf der Basis des Marktpreisspiegels des Fraunhofer Instituts ein Betrag von 622,09 EUR. Zwar seien die Durchschnittspreise dieser Studie niedriger als nach der Schwacke-Liste. Die Fraunhofer-Studie sei aber vorzuziehen. Sie sei das Ergebnis einer anonymen Befragung im Rahmen eines typischen Anmietszenarios, während die Schwacke-Liste auf einer Selbstauskunft der Mietwagenunternehmer beruhe.
Praxishinweis
Nicht die Höhe des Aufschlags war zu ermitteln, sondern nur der „Normaltarif“. Nachdem der Schwacke-Mietpreisspiegel in der Vergangenheit quasi eine Monopolstellung hatte, ist durch Gegengutachten und jetzt durch alternative Erhebungen (Dr. H. Zinn) und Studien (Fraunhofer IAO) Bewegung in die Landschaft gekommen. Soweit ersichtlich, hat als erstes Obergericht das OLG München die Fraunhofer-Zahlen den Schwacke-Notierungen vorgezogen. Demgegenüber hält das AG Ettlingen die Fraunhofer-Studie für untauglich (11.7.08, 3 C 76/06, Abruf-Nr. 082317). Es werde nicht ausreichend auf den Anmietort abgestellt. Gleichfalls für untauglich befunden wurde die sog. Zinn-Liste (LG Aachen 8.7.08, 12 O 68/08, Abruf-Nr. 082668; AG Erkelenz 29.7.08, 6 C 113/08, Abruf-Nr. 082673). Vermutlich waren dem OLG München die zahlreichen Einwände gegen die Erhebung des Fraunhofer-Instituts nicht bekannt (Otting, Unfallregulierung effektiv 7/08, 5, Abruf-Nr. 083186). Jedenfalls setzt sich das Urteil nicht kritisch mit der im Auftrag der Versicherungswirtschaft erstellten Studie auseinander. Der BGH hat sich bisher weder für die eine noch gegen die andere Liste entschieden. Zweimal hat er den Rückgriff auf Schwacke mangels konkreter, fallbezogener Einwendungen gebilligt (VA 08, 91; 08, 163).
Wer als Anwalt eine gegnerische Liste bekämpft oder dem Gericht seine eigene andienen will, muss zunächst die beiden BGH-Entscheidungen lesen. Dann muss er sich den Stoff beschaffen, um mit Bezug auf seinen Fall seine Zahlen bzw. seine Liste vorzutragen. Zu den prozessualen Möglichkeiten: Reitenspiess DAR 08, 546; Vuia, NJW 08, 2369; Richter, NZV 08, 321. Das Gericht muss sich dann ggf. sachverständig beraten lassen, worauf der BGH bereits vorsorglich hingewiesen hat. Für Eignung der Schwacke-Liste 2006 OLG Karlsruhe NZV 08, 456 und (ausführlich) LG Hof NZV 08, 459. |
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses VA Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 16,70 € / Monat