01.01.2007 | Unfallschadensregulierung
Schadenminderungspflicht bei verzögerter Reparaturfreigabe
Ein Geschädigter, der Nutzungsausfallschaden geltend macht, muss sich einen Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht vorhalten lassen, wenn er es unterlässt, sich schriftlich an die gegnerische Versicherung zu wenden, um die Erstattung des absprachegemäß von der Versicherung in Auftrag gegebenen Gutachtens voranzutreiben (Brand. OLG 9.11.06, 12 U 59/06, Abruf-Nr. 063398). |
Sachverhalt
Der Unfallschaden am Krad des Klägers sollte in einer Werkstatt behoben werden. Dort sollte es von einem Sachverständigen besichtigt werden, den nicht der Kläger, sondern absprachegemäß der gegnerische Versicherer schicken wollte. Besichtigung und/oder Gutachtenerstellung durch den Versicherungssachverständigen verzögerten sich aus Gründen, die nicht in der Sphäre des Klägers lagen. Gestritten wurde im Prozess vor allem darüber, ob der Kläger mit Blick auf seinen Nutzungsausfallschaden gehalten war, bei der Versicherung schriftlich nachzuhaken. Angerufen haben will er sie mehrmals, ohne jedoch den zuständigen Sachbearbeiter zu erreichen. Das LG erkannte eine Ausfallentschädigung für 54 Tage an. Das OLG stockte auf insgesamt 68 Tage = 3.472 EUR auf und lehnte eine weitergehende Entschädigung ab.
Entscheidungsgründe
Das OLG legt dem Kläger einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) zur Last. Ein Geschädigter müsse grundsätzlich dafür sorgen, dass sein Fahrzeug zügig repariert werde. Insbesondere sei der Reparaturauftrag unverzüglich zu erteilen, zumal wenn ein Nutzungsausfallschaden geltend gemacht werde. Von der Pflicht zur Schadensgeringhaltung sei der Geschädigte nicht entbunden, wenn mit der Erteilung des Werkstattauftrags bzw. der Reparaturfreigabe auch im Interesse der Versicherung gewartet werde. Keinesfalls hätte der Kläger die Dinge einfach laufen lassen dürfen. Unter Hinweis auf den Nutzungsausfallschaden hätte er vielmehr gegenüber der Versicherung schriftlich darauf hinwirken müssen, dass die Erstellung des Gutachtens vorangetrieben werde. Gegebenenfalls hätte er die Einholung eines eigenen Gutachtens androhen müssen.
Praxishinweis
Für den Fall, dass der Kläger in den ersten Monaten nach dem Unfall anwaltlich nicht vertreten war (wofür einiges spricht), ist die strenge Bewertung durch das OLG wenig verständlich. In ähnlichen Fällen mit verzögerter Reparaturfreigabe haben andere Gerichte die Verantwortlichkeiten mit mehr Augenmaß pro Geschädigte festgelegt (z.B. OLG Düsseldorf VA 05, 78, Abruf-Nr. 050710 – Verzögerung bei einer von der Versicherung beabsichtigten Fahrzeug-Gegenüberstellung). Wie dem auch sei: Die vorliegende Entscheidung ist eine Mahnung an alle Geschädigten-Anwälte, für eine zügige Reparatur bzw. Reparaturfreigabe zu sorgen und bei der Versicherung schriftlich nachzuhaken, wenn aus deren Sphäre Sand ins Getriebe kommt. Je höher der drohende Nutzungsausfallschaden ist, also insbesondere bei Mietwagenkosten, desto intensiver ist die Schadenminderungspflicht.
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