· Fachbeitrag · Editorial 02/2023
Alte Vorschriften ‒ neue Tatmittel?
| Seit einiger Zeit erleben wir, dass die Strafverfolgungsbehörden und Bußgeldstellen zeitgemäße Technik und althergebrachte Tatbestände in Einklang bringen müssen. Nicht selten führt dies zu Spannungen, da manch Betroffene und Beschuldigte eine eher restriktive Herangehensweise erleben. Der jahrelange, erst über Verfassungsbeschwerden eröffnete Zugang zu digitalen Messdateien steht exemplarisch dafür. |
Neue Tatmittel erfordern aber auch neues Denken. So ist zu beobachten, dass viele Gerichte seit dem Phänomen der Elektrokleinstfahrzeuge (eKF) diese mehr oder weniger unreflektiert aufgrund einer uralten Definition von Kraftfahrzeugen mit allen solchen über einen Kamm scheren (und strafbares Verhalten unisono ahnden). Denn bereits das aus Kaisers Zeiten stammende „Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeuge“ von 1909 regelte diesen für alle durch Motorkraft bewegte, nicht an Bahngleisen gebundene Landfahrzeuge gemäß dessen § 1 S. 2, RGBl. 1909, 437. Weder damals noch in den Folgejahrzehnten hatte wohl jemand daran gedacht, dass einmal Erwachsene mit motorbetriebenen, eigentlichen Kinderspielzeugen (denn das waren Tretroller ja lange Zeit) auf den Straßen fahren würden. Dennoch wird häufig proklamiert, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei bei Trunkenheitsdelikten mit Kfz gemäß § 69 StGB nun einmal vorgesehen und beträfe daher auch die Kfz in der Variante eKF. Der Passus „in der Regel“ aus § 69 StGB wird dabei nahezu vorsätzlich übersehen.
Das LG Leipzig, 24.6.22, 9 Ns 504 Js 66330/21, hat dazu erfrischend klare Wort gefunden, wonach „angesichts gravierender Unterschiede zwischen einem Kfz und einem E-Scooter, auch der unterschiedlichen Wahrnehmung des E-Scooters in der Öffentlichkeit“ dem Täter einer Straftat mit diesem „autoführerscheinfreien“ Gefährt eben dieser „Autoführerschein“ gerade nicht genommen werden solle.
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