· Fachbeitrag · Fahrverbot
Absehen vom Fahrverbot nach qualifizierter verkehrspsychologischer Intensivberatung
Die Anordnung eines Regelfahrverbots entfällt nach Teilnahme an einer qualifizierten verkehrspsychologischen Intensivberatung (hier: Avanti-Fahrverbot) (AG Niebüll 24.7.13, 6 OWi 110 Js 7682/13 (23/13), Abruf-Nr. 132756). |
Praxishinweis
Das AG hat von einem dreimonatigen (!!) Regelfahrverbot wegen Überquerens eines Bahnübergangs (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 StVO) bei geschlossener Schranke abgesehen, weil der Betroffene unter dem Eindruck des Bußgeldverfahrens und der vorangegangenen polizeilichen Ermittlungen wegen des Vorfalls vom 26.6. bis zum 9.7.13 eine Einzelberatungsmaßnahme der Unternehmensgruppe TÜV Nord mit der Bezeichnung „Avanti-Fahrverbot“ erfolgreich absolviert hatte. Diese Einzelberatungsmaßnahme umfasste insgesamt drei Einzelberatungsstunden von jeweils 90 bzw. 45 Minuten mit einem erfahrenen verkehrspsychologisch qualifizierten Diplom-Psychologen. Für den Kurs hat der Betroffene einen Betrag von ca. 460 EUR gezahlt. Gem. § 4 Abs. 4 BKatV hat das AG jedoch die Regelgeldbuße von 700 EUR auf 2.000 EUR angehoben. Insoweit entspricht die Entscheidung der neueren amtsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. AG Bad Segeberg VRR 05, 274; AG Rendsburg zfs 06, 231; AG Lüdinghausen VA 10, 118; AG Bad Hersfeld VA 13, 84). Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass es sich hier um ein dreimonatiges Fahrverbot gehandelt hat, von dem vollständig abgesehen worden ist. Eine sicherlich großzügige Entscheidung, über die sich der Betroffene freuen sollte .
Einwände kann man m.E. gegen die Anhebung der Geldbuße von 700 EUR auf 2.000 EUR erheben. Das AG hat den Betroffenen nämlich ausdrücklich wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 Nr. 3 StVO verurteilt. Damit gilt an sich die Grenze des § 17 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 24 Abs. 2 StVG, nämlich die Beschränkung der Höhe der Geldbuße auf 1.000 EUR. Diese Grenze darf auch nicht wegen des Absehens vom Fahrverbot überschritten werden (vgl. OLG Köln VA 10, 46). Allerdings fragt sich, wie man mit dem Umstand umgeht, dass der ausgeurteilte Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 3 StVG zu den Verkehrsverstößen gehört, die mit der Nr. 244 BKat in Abschnitt II des BKat eingeordnet sind, also zu den vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeiten gehört. Was hat Vorrang? Dazu werden wir leider keine Antwort des OLG Schleswig bekommen, da der Betroffene keine Rechtsbeschwerde eingelegt hat, obwohl das ohne Gefahr für das Absehen vom Fahrverbot möglich gewesen wäre. Denn selbst wenn das OLG das Urteil auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wegen einer zu hohen Geldbuße aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen hätte, beim Absehen vom Fahrverbot hätte es wegen des Verbots der reformatio in peius auch nach einer neuen Verhandlung bleiben müssen (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
Einsender | RA F. Adler, Leer
Weiterführender Hinweis
- Kein Regelfahrverbot nach Avanti-Beratung: AG Bad Hersfeld VA 13, 84.