· Fachbeitrag · Geldbuße
Wirtschaftliche Verhältnisse und Geldbuße: Rentner/Arbeitsloser
Bei der Verhängung von Regelgeldbußen sind unabhängig von der Bußgeldhöhe im Einzelfall nähere Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen in den Urteilsgründen nur erforderlich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese außergewöhnlich gut oder schlecht sind, wobei die Eigenschaft des Betroffenen als Rentner kein Anhaltspunkt für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse ist (OLG Hamm 20.3.12, III-3 RBs 440/11, Abruf-Nr. 121965; OLG Hamm 20.3.12, III-3 RBs 441/11, Abruf-Nr. 121966). |
Sachverhalte
Im Verfahren III-3 RBs 440/11 hat das AG gegen den zur Tatzeit 75 Jahre alten und bereits wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr vorbestraften Betroffenen, einen Rentner, wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG u.a. eine Geldbuße von 1.000 EUR verhängt. Im Verfahren III-3 RBs 441/11 hat das AG den arbeitslosen Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung u.a. zu einer aufgrund von Vorbelastungen erhöhten Geldbuße von 360 EUR verurteilt. Bei beiden ist zudem ein Fahrverbot verhängt worden. Die Rechtsbeschwerde des Rentners war erfolglos, die des Arbeitslosen hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das AG ist grds. nicht gehalten, in den Urteilsgründen nähere Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu machen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse außergewöhnlich gut oder schlecht sind. Auf der Grundlage reichte allein die Feststellung, dass der Betroffene Rentner ist, nicht als Anhaltspunkt dafür aus, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse außergewöhnlich schlecht sind. Etwas anderes gilt für den arbeitslosen Betroffenen. Mit seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hätte sich das AG auseinandersetzen müssen. Denn die Arbeitslosigkeit des Betroffenen ist regelmäßig als Anhaltspunkt für möglicherweise außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse anzusehen (OLG Karlsruhe VA 07, 14; OLG Dresden DAR 06, 222).
Praxishinweis
Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Geldbuße ist § 17 Abs. 3 OWiG. Danach sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Zumessung der Geldbuße zu berücksichtigen und können lediglich bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten i.d.R. unberücksichtigt bleiben. Eine Geldbuße von 1.000 EUR wird nach allgemeiner Ansicht nicht mehr als geringwertig angesehen. Bei solchen Geldbußen verlangen die Obergerichte nahezu einhellig bei Vorliegen besonderer Umstände die Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch bei der Verhängung von Regelgeldbußen nach dem BKat (vgl. u.a. OLG Celle VA 10, 194; OLG Karlsruhe VA 97, 14; s. im Übrigen Gübner in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl. 2012, Rn. 1216).
Geht man davon aus, passen die beiden am selben Tag erlassenen Beschlüsse nicht zusammen: Es ist zwar richtig, dass allein der Umstand, dass der Betroffene Rentner ist, nicht sofort auf außergewöhnliche schlechte wirtschaftliche Verhältnisse schließen lässt. Aber: Muss nicht der Umstand, dass es eine große Zahl Rentner gibt, die nur eine kleine Rente beziehen, welche oft nicht oder nicht viel höher als Arbeitslosengeld ist, dazu führen, dass im Urteil dargelegt werden muss, welche Rente der betroffene Rentner erhält? Wenn das tatrichterliche Urteil das nicht mitteilt, muss man m.E. zugunsten des Betroffenen davon ausgehen, dass er nur eine kleine Rente bekommt und dann Feststellungen fehlen, wie er bei den dann schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen eine Geldbuße von 1.000 EUR zahlen soll. M.E. hätte das auch im „Rentnerfall“ zur Aufhebung führen müssen. Für den Verteidiger ergibt sich aus diesem „Widerspruch“ der Hinweis, dass auf jeden Fall auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen vorgetragen werden muss, wenn die schlecht sind. Also: Welche Rente erhält der Betroffene und welche Belastungen hat er davon zu tragen?