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  • · Fachbeitrag · Täteridentifizierung

    Prozessordnungsgemäße Verweisung auf ein Lichtbild

    | Bestreitet der Betroffene, Fahrer des Pkw zum Zeitpunkt des ihm zur Last gelegten Verkehrsverstoßes gewesen zu sein, stellt sich in der Praxis häufig die Problematik der Täteridentifizierung anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilds. Dazu bietet die obergerichtliche Rechtsprechung dem Tatrichter die Möglichkeit, im Urteil gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf ein Lichtbild von dem Verkehrsverstoß zu verweisen. Der BGH hat nun noch einmal zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bezugnahme Stellung genommen. |

     

    Sachverhalt

    In einem Urteil wegen eines Tötungsdelikts hatte das LG auf „Miniatur-Lichtbilder“ verwiesen und einen Klammerzusatz „Anlage 2 zum Protokoll vom 24. Juni 2015“ hinzugefügt. Das war mit der Revision als nicht ausreichend gerügt worden. Der BGH ist dem nicht gefolgt

     

    • Leitsatz: BGH 28.1.16, 3 StR 425/16

    Will der Tatrichter bei der Abfassung der Urteilsgründe im Sinne von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verweisen, so hat er deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen, dass er die Abbildung zum Bestandteil der Urteilsgründe machen will.

     

    Entscheidungsgründe

    Will der Tatrichter bei der Abfassung der Urteilsgründe im Sinne von § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verweisen, so hat er dies deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen (BGHSt 41, 376, 382). Dem hieraus von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und der strafrechtlichen Literatur gezogenen Schluss, eine bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten genüge dafür nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 267 Rn. 8 m.w.N.), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen.

     

    Eine besondere Form schreibt die genannte Vorschrift für die Verweisung nicht vor. So wird teilweise auch die Notwendigkeit verneint, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen oder mitzuteilen, die Verweisung geschehe „wegen der Einzelheiten“ (hierzu OLG Brandenburg NStZ-RR 98, 240 m.w.N.). Darüber, ob der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei erklärt hat, er wolle die Abbildung zum Bestandteil der Urteilsgründe machen (OLG Brandenburg a.a.O.), ist deshalb stets im Einzelfall unter Heranziehung seiner Darlegungen insgesamt zu entscheiden.

     

    Nach diesen Maßstäben hat das LG dadurch, dass es bei der Nennung und der nachfolgenden inhaltlichen Erörterung der Ablichtung einen Klammerzusatz mit dessen genauer Fundstelle angebracht hat, deutlich und zweifelsfrei erklärt, es wolle die Ablichtung zum Gegenstand der Urteilsgründe machen. Schon nach allgemeiner Lebensanschauung enthält ein unter solchen Umständen hinzugefügter Klammerzusatz die Aufforderung an den Adressaten, nicht nur die Beschreibung des Gegenstands zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich darüber hinaus durch dessen Betrachtung auch einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Wird dergestalt bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe verfahren, so drängt sich diese Auslegung in besonderem Maße auf, denn dem Tatrichter kann das Bewusstsein unterstellt werden, dass eine bloße Fundstellenangabe ohne Sinn bliebe.

     

    PRAXISHINWEIS |

    • 1. Der BGH-Beschluss schreibt die ständige Rechtsprechung der Obergerichte zu einer i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO prozessordnungsgemäßen Bezugnahme fort. Dies wird allein schon daran deutlich, dass der BGH auf die insoweit maßgebliche Grundsatzentscheidung in BGHSt 41, 376 verweist, die gerade zur Täteridentifizierung im Bußgeldverfahren ergangen ist. Aber auch nach der Entscheidung des BGH ist (nach wie vor) ein (ausdrücklicher) Verweis auf das Lichtbild erforderlich. Die (bloße) Angabe des Fundorts reicht m.E. nach wie vor nicht aus. Anders ist übrigens m.E. auch die vom BGH zitierte Fundstelle bei Meyer-Goßner/Schmitt nicht zu verstehen.
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    • 2. Die obergerichtliche Rechtsprechung zur prozessordnungsgemäßen Verweisung im Sinne des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO lässt sich wie folgt zusammenfassen:
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      • Es muss deutlich werden, dass das Lichtbild zum Gegenstand des Urteils gemacht worden ist. Das ist Voraussetzung zur Anwendung der Rechtsprechung des BGH (grundlegend BGHSt 41, 376). In der Regel wird der Tatrichter dazu den Gesetzeswortlaut verwenden, erforderlich ist das aber nicht (s. auch OLG Düsseldorf VA 07, 49; OLG Rostock 10.10.13, 2 Ss-OWi 152/13 (162/13); OLG Köln 14.3.07, 82 Ss- OWi 17/07 - 66 B).
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      • Nicht ausreichend ist es, wenn der Amtsrichter im Urteil nur mitteilt, dass das entsprechende Lichtbild in Augenschein genommen und ggf. mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen verglichen worden ist (zuletzt u.a. OLG Bamberg NZV 08, 166 = DAR 08, 348; NZV 08, 211; NZV 08, 469; OLG Brandenburg zfs 10, 527; OLG Düsseldorf VA 07, 49; VRR 13, 393) etwa durch die Formulierung: „Aufgrund des Vergleichs des Betroffenen mit den vom Gericht in Augenschein genommenen Foto, Bl. 6 d.A., stand zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war“ (st. Rspr, vgl. u.a. OLG Düsseldorf zfs 04, 337; OLG Hamm VA 04, 175; ähnlich OLG Hamm VA 08, 33).
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      • Ebenfalls genügt nicht der bloße Hinweis darauf, die Betroffene sei 3„auf dem vom Geschwindigkeitsverstoß gefertigten Beweisfoto vom Gericht erkannt“ worden (OLG Hamm VA 13, 175).
      • Auch nicht ausreichend ist ‒ ohne ausdrücklichen Verweis - die Formulierung „Verwertung des Passfotos Blatt 8 der Akten“ bzw. „der Verwertung des von dem Zeugen B. überreichten Hochglanzfotos (OLG Hamm VA 08, 16; vgl. auch noch OLG Hamm VA 08, 33).
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      • Entsprechendes gilt für die bloße Mitteilung der Fundstelle in der Akte (OLG Bamberg NZV 08, 211; zuletzt u.a. OLG Koblenz VA 10) bzw. der Hinweis auf die „in der Akten befindlichen Lichtbilder“ (OLG Koblenz VA 10, 197; 12, 212).
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      • Auch die bloße Darlegung, dass das Gericht Fotos und Aufzeichnungen in die Hauptverhandlung eingeführt habe, reicht nicht (KG VA 16, 13).
     
    Quelle: ID 44022638