· Fachbeitrag · Verjährung
Verjährungsunterbrechung durch Gutachtenübersendung
Durch die gerichtliche Anordnung der Übersendung eines (anthropologischen) Sachverständigengutachtens zur Klärung der Fahrereigenschaft des Betroffenen an den Verteidiger zur Stellungnahme wird die Verfolgungsverjährung der Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG unterbrochen (OLG Bamberg 14.1.11, 3 Ss OWi 2062/10, Abruf-Nr. 113966). |
Praxishinweis
Das OLG hat in der Übersendung des Sachverständigengutachtens eine Anordnung der richterlichen Vernehmung der Betroffenen i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 2 OWiG gesehen. Der Begriff der Vernehmung sei im OWiG nicht bestimmt, sondern über § 46 Abs. 1 OWiG den §§ 136, 163a StPO zu entnehmen. Nach § 163a Abs. 1 S. 2 StPO liege eine Vernehmung in einfachen Sachen (das sei in Bußgeldsachen der Regelfall) vor, wenn dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werde, sich zu äußern. Auch seien die bei der Vernehmung als Mindestvoraussetzung gemäß § 46 Abs. 1, § 55 OWiG i.V.m. §§ 163a, 136, 136a StPO zu wahrenden Förmlichkeiten beachtet worden. Die Betroffene sei gem. § 136 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in der Hauptverhandlung gemäß § 136 StPO belehrt worden. Die Entscheidung, die der wohl h.M. in der Rechtsprechung der OLG entspricht (vgl. OLG Oldenburg NJW 70, 719; OLG Brandenburg NStZ-RR 99, 279; Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 33 Rn. 10), ist m.E. nur zutreffend, wenn man sich dem weiten Vernehmungsbegriff der OLG anschließt. M.E. ist aber das Übersenden eines Gutachtens zur Stellungnahme nicht mit der Anordnung einer „Vernehmung“ i.S. der StPO bzw. des OWiG gleichzusetzen. Eine Stellungnahme ist das Einräumen rechtlichen Gehörs zu einem dem Betroffenen bis dahin nicht bekannten Beweisergebnis. Das ist keine Vernehmung.