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  • · Nachricht · Mitverschulden

    Sichtfahrgebot bei Radfahrern und schwer erkennbare ungewöhnliche Hindernisse

    | Das Sichtfahrgebot gebietet es nicht, dass ein Radfahrer seine Geschwindigkeit auf solche Objekte einrichtet, die sich zwar bereits im Sichtbereich befinden, mit denen der Fahrer ‒ bei Anwendung eines strengen Maßstabs ‒ jedoch unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss. Dies betrifft etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet. |

     

    Diese Klarstellung traf das OLG Schleswig (OLG Schleswig 28.9.21, 7 U 29/16). In dem Fall war ein Radfahrer in einen Stacheldraht gefahren , der quer über einen für die Nutzung durch Radfahrer zugelassenen Weg gespannt war. Der Draht war nicht besonders gekennzeichnet und daher kaum zu erkennen. Der Radfahrer war dabei so schwer gestürzt, dass er seitdem querschnittsgelähmt war. Das OLG hat in der Entscheidung zudem die folgenden Aussagen getätigt:

     

    • Die falsche Reaktion eines Verkehrsteilnehmers stellt keinen vorwerfbaren Obliegenheitsverstoß dar, wenn dieser in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlichem Erschrecken objektiv falsch reagiert.

     

    • Eine Geschwindigkeit von bis zu 16 km/h und die Nutzung von Klickpedalen auf einem unebenen und unbefestigten Feldweg („Cross-Country-Bereich“) stellen grundsätzlich keine Obliegenheitsverletzung eines erfahrenen Mountainbikefahrers dar. Die als Werkseinstellung übliche „mittlere Einstellung“ der Federspannung ist auch für den Einsatz im Cross-Country-Bereich nicht zu beanstanden.

     

    • Ein Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 EUR ist für schwerste, unfallbedingte Dauerschäden (komplette Querschnittslähmung unterhalb des 4. Halswirbels) eines 35-jährigen Radsportlers angemessen. Trotz Mindestvorstellung des Geschädigten sind dem Tatrichter nach oben hin keine Grenzen gesetzt. Infolge einer deutlich über 2% liegenden Inflationsrate und banküblichen Negativzinsen muss die Zumessung eines Kapitalbetrags unter den derzeitigen Kapitalmarktbedingungen zu einer generellen Erhöhung führen.
    Quelle: ID 47765609