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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten

    Halb clevere, halb amüsante Reaktion eines VR auf die BGH-Entscheidungen zum „Werkstattrisiko“

    | Ein großer KH-Versicherer hat die BGH-Entscheidungen, wonach nur beim Klageantrag „Zahlung an die Werkstatt Zug um Zug …“ das Werkstattrisiko greift, einen Schritt weitergedacht. Der BGH wollte, dass der Vorteilsausgleich durch die Abtretung der Rückforderungsansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Versicherer nicht daran scheitern kann, dass die Werkstatt das Geld gar nicht bekommen hat. Dieses Motiv folgt aus BGH 16.1.24, VI ZR 266/22, Rn. 18 und 19, Abruf-Nr. 239193 (siehe VA 24, 44 ). |

    1. „Zahlungsempfänger Werkstatt“ von Beginn an unproblematisch

    Wurde bereits vorgerichtlich von Anfang an Zahlung an die Werkstatt verlangt und hat der Versicherer dementsprechend den ‒ gekürzten Betrag ‒ an die Werkstatt gezahlt, ist das Geld dort unzweifelhaft angekommen.

    2. Der „große Brocken“ und die „kleinen Reste“

    Wurde allerdings vorgerichtlich Zahlung an den Geschädigten oder die Kanzlei verlangt oder hat der Versicherer weisungswidrig an den Geschädigten oder die Kanzlei gezahlt, kann er sich auf den Standpunkt stellen: Wenn dieser Betrag gar nicht an die Werkstatt weitergeleitet wurde, nütze ihm die schon von Anfang an oder nun bei Einforderung der gekürzten Reste erklärte Zug-um-Zug-Abtretung gar nichts. Denn dann werde die Werkstatt einwenden, sie müsse sicher nicht zurückzahlen, was sie noch gar nicht bekommen habe.

    3. Das theoretische Risiko hat den BGH praktisch bewegt

    Mag die Nichtweiterleitung an die Werkstatt die krasse Ausnahme sein, muss man doch konstatieren: Wegen der Restforderung hat der BGH diese dort wohl auch nur ausnahmsweise vorkommende Problematik der Nichtweiterleitung des Geldes auch ernst genommen, was zu seiner Feinjustierung führte: Fließt die Schadenersatzleistung vom Versicherer direkt an die Werkstatt, kann der Geschädigte sie sich nicht treuwidrig in die eigene Tasche stecken.

    4. Der Weiterleitungsnachweis ist also notwendig

    Wer sich also in der beschriebenen Konstellation in der vorgerichtlichen oder gerichtlichen Durchsetzung das Werkstattrisiko zunutze machen möchte, muss folglich nicht nur für die „Reste“ die Zahlung an die Werkstatt Zug um Zug gegen Abtretung der Rückforderungsansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Versicherer verlangen. Zusätzlich muss er auch den Nachweis erbringen, dass schon die bisherigen die Werkstatt betreffenden Schadenersatzzahlungen des Versicherers an die Werkstatt weitergeleitet wurden. Eine anwaltliche Versicherung müsste ausreichen, aber um den Streit darum zu vermeiden, ist ein Zahlungsbeleg der bessere Weg. Möglicherweise ist die Mühe um den Zahlungsbeleg kleiner als der Schriftsatzaufwand.

    5. Ein großer Versicherer ist wach geworden

    Das alles hat ein Versicherer nun entdeckt. Er schreibt daraufhin als Antwort auf die schon vorgerichtliche Anwendung des Werkstattrisikos wegen der „Reste“:

     

    Auf Grundlage der neuesten Rechtsprechung des BGH müssen wir folgende Unterlagen anfordern:

     

    • Zahlungsnachweis oder
    • Zahlungsanweisung an Werkstatt oder
    • Abtretungserklärung zwischen Ihrem Mandanten als Zedenten und der Werkstatt als Zessionar hinsichtlich der Schadenersatzforderung gegen uns als Haftpflichtversicherer des Schädigers

     

    Anderenfalls müssen wir davon ausgehen, dass das Werkstattrisiko vorliegend nicht zugunsten Ihrer Mandantschaft greift. Des Weiteren müssen wir in jedem Fall zusätzlich auf Abtretung der Regressansprüche Ihres Mandanten gegen die reparierende Werkstatt bestehen.

     

    Die Anforderung des Zahlungsnachweises (Zahlung in der Vergangenheit) oder der Zahlungsanweisung (Zahlung jetzt) geht völlig in Ordnung. Die Anforderung der Abtretung der Regressansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt entspricht ebenfalls der Rechtslage: Keine Anwendung des Werkstattrisikos ohne Ermöglichung des Vorteilsausgleichs.

    6. Vorsicht, Falle!

    Eine Falle ist aber die alternativ zum Zahlungsnachweis genannte Abtretungserklärung hinsichtlich der Schadenersatzansprüche aus dem Unfall. Denn damit wäre die Anwendung des Werkstattrisikos wieder dahin: keine Anwendung des Werkstattrisikos zulasten des Versicherers bei Abtretung der Schadenersatzforderung an die Werkstatt (BGH 16.1.24, VI ZR 239/22, Abruf-Nr. 239197). Denn die klagende Werkstatt kann die Vorteilsausgleichs-ansprüche des Geschädigten nicht abtreten, weil sie nicht der Anspruchsinhaber ist (sondern sogar der Anspruchsgegner).

    7. Vorteilsausgleichs-Abtretungserklärung erweckt Heiterkeit

    Die dem Schreiben beigefügte vorbereitete Abtretungserklärung für den Vorteilsausgleich ist für die Werkstatt allerdings mehr als günstig. Denn abgetreten werden sollen „etwaige (das Werkstattrisiko betreffende) Ersatzansprüche gegenüber dem Reparaturbetrieb xyz hinsichtlich einer im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht erforderlichen Überhöhung der Reparaturrechnung“.

     

    Die Anwendung des Werkstattrisikos führt ja gerade dazu, dass alle Positionen im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGH erforderlich sind. Richtig wäre die Abtretung werkvertraglicher Rückforderungsansprüche. Also: unterschreiben und absenden, Zahlungsnachweis nicht vergessen!

    Quelle: Ausgabe 05 / 2024 | Seite 78 | ID 49986744