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  • · Fachbeitrag · Unfallschadenregulierung

    Greift der Einwand „unnötige Arbeiten“ bei einer Klage der Werkstatt aus abgetretenem Recht?

    | Werden die Ansprüche des Geschädigten an die ausführende Werkstatt abgetreten, vermischen die Versicherer gerne die verschiedenen Rechtsbeziehungen. Worauf dabei zu achten ist, zeigt eine Entscheidung des AG Regensburg. |

     

    Sachverhalt

    Eine Werkstatt hatte aus abgetretenem Recht die restlichen Positionen „Wagenwaschen“ und „Probefahrt“, zusammen 80,33 EUR, eingeklagt. Beide Positionen waren im Schadensgutachten wie auch in der Rechnung enthalten. Der Reparaturauftrag war auf Gutachtenbasis erteilt und ausgeführt worden. Für die Erforderlichkeit der beiden Positionen hat der Anwalt der Klägerin bewusst keinen Sachverständigenbeweis angeboten. Das AG hat daraufhin von sich aus die Ladung eines Sachverständigen angeordnet und der Klägerin aufgegeben, einen Auslagenvorschuss von 700 EUR (!) einzuzahlen. Daraufhin hat der Anwalt mitgeteilt, dass und warum der verlangte Auslagenvorschuss nicht gezahlt werde.

     

    Entscheidungsgründe

    Nunmehr ist das AG von seinem Vorhaben abgerückt. Es hat den eingeklagten Betrag ohne Beweisaufnahme zugesprochen (AG Regensburg 9.2.17, 9 C 2372/16, Abruf-Nr. 192058).

     

    Ob die beiden Positionen „erforderlich“ i. S. v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind, hat das AG dahinstehen lassen. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, müsse die Beklagte die Kosten tragen. Zutreffende Begründung: Werkstattrisiko. Abschließend weist das AG darauf hin, dass der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nur zustehe, wenn der Geschädigte (Zedent) einen Schadenersatzanspruch gegenüber der Werkstatt (Klägerin) habe. Das sei hier nicht der Fall. Die Klägerin habe sich bei der Reparatur an die Vorgaben des Sachverständigen gehalten.

     

    Relevanz für die Praxis

    Erst durch die fundierte Intervention des Anwalts der Klägerin ist das AG in die richtige Spur gekommen. Auch bei einer Zessionsklage ist jedenfalls die materiell-rechtliche Prüfung auszurichten am Verhältnis Geschädigter/Schädiger. Kann der Geschädigte - wie im Streitfall - konkret abrechnen, gelten die Grundsätze der konkreten Abrechnung auch zugunsten der Werkstatt in ihrer Eigenschaft als Zessionarin. Damit profitiert auch sie von den Geschädigten-Schutzregeln über die subjektive Schadensbetrachtung und das Werkstatt- und Prognoserisiko. All dies gehört zum kleinen Einmaleins der Unfallregulierung, wird aber von Versicherungen wie von Gerichten immer wieder ignoriert. Zutreffend dagegen AG München VA 17, 21.

     

    Problematisch ist, ob und inwieweit der Schädiger/VR aus Pflichtverletzungen der Werkstatt gegenüber dem Geschädigten (Auftraggeber) Honig saugen kann. Grundsätzlich ist streng zwischen beiden Sphären zu trennen:

     

    • Der Schädiger darf die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) nicht mit Munition aus dem Vertragsverhältnis torpedieren (BGH NJW-RR 09, 130 Tz. 7 - Mietwagenkosten).

     

    • Andererseits ist es gefestigte Rechtsprechung, dass der Geschädigte einen Ersatzanspruch gegen die Werkstatt nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung abzutreten hat (BGH NJW 75, 160, 162; OLG Saarbrücken VA 12, 96; LG Saarbrücken VA 13, 60).

     

    • Ungeklärt ist die Rechtslage bei Bestehen eines Abtretungsverbots (Genehmigungsvorbehalt) im Vertragsverhältnis Geschädigter/Dienstleister (z. B. Abschn. I Ziff. 4 Kfz-Reparaturbedingungen 11/2015). Ohne die erforderliche Zustimmung hat der Geschädigte keinen herausgabefähigen Vermögensvorteil erlangt (vgl. BGH NJW 15, 1748 - Kaskoanspruch aus Fahrzeugbrand).

     

    Kraft Gesetzes geht ein Anspruch des Geschädigten jedenfalls nicht auf den Schädiger/VR über. Solange ein abtretbarer Anspruch nicht abgetreten ist, soll der Schädiger/VR unter bestimmten Umständen ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) haben, vgl. LG Saarbrücken a. a. O.: vom klagenden Geschädigten noch nicht beglichene SV-Kosten - Zahlung an den SV (!) nur Zug um Zug gegen Abtretung. Das LG Saarbrücken wendet § 255 BGB analog an, was bei Anwendung der Regeln über die Vorteilsausgleichung überflüssig ist.

     

    Unter Hinweis auf BGH-Rspr. zu § 255 BGB in direkter Anwendung genügt dem LG Saarbrücken, dass der abzutretende Anspruch möglich erscheine. Sein tatsächliches Bestehen müsse nicht festgestellt werden. Um den Zug-um-Zug-Vorbehalt sauber zu formulieren, muss der Anspruch freilich möglichst präzise beschrieben werden. Dies zumal dann, wenn ein werkvertraglicher Schadenersatzanspruch in Rede steht, der nicht direkt, sondern erst auf einer zweiten Ebene als (Sekundär-)Anspruch geltend gemacht werden kann (Stichwort Nacherfüllungsvorrang).

     

    Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob der Zessionar dem Geschädigten überhaupt einen Schaden zugefügt hat. Angesichts der Verteilung des Werkstatt- und Prognoserisikos (hierzu Eggert, VA 15, 61) ist das bekanntlich nur ausnahmsweise der Fall.

     

    Was schon bei einem Streit zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger/VR auf Schwierigkeiten stößt, wird vollends problematisch, wenn nicht der Geschädigte, sondern die Werkstatt oder der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Da der Schädiger/VR als Schuldner durch die Zession nicht schlechter gestellt sein darf, muss ihm diejenige Position, die er gegenüber dem Geschädigten hatte, gegenüber dem Zessionar erhalten bleiben. Zu den Einwendungen i. S. d. § 404 BGB zählt auch das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB.

     

    Allerdings muss die Einwendung zum Zeitpunkt der Abtretung gegenüber dem Zedenten begründet gewesen sein. Geschützt ist der Zessionar vor Einwendungen, die erst nachträglich entstanden sind. Je früher die Abtretung, desto günstiger für ihn. Die daraus resultierende Besserstellung des Zessionars im Vergleich mit dem Zedenten (Geschädigten) hat das OLG Saarbrücken (VA 12, 96) auf die Idee gebracht, einen Einwendungsdurchgriff nach § 242 BGB ins Spiel zu bringen. Vertieft wurde das nicht, weil der Werkstatt eine Pflichtverletzung nicht nachzuweisen war.

     

    Soweit Schädiger und ihre VR auf die Karte „Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ setzen (aufrechnungsweise oder aktiv), dürften sie chancenlos sein. Richtigerweise ist der Schädiger/VR in den Schutzbereich des Reparaturvertrags nicht einbezogen. Gegenteiliges haben die Gerichte, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden. Argumente gegen einen Drittschutz: keine Schutzbedürftigkeit wegen des Schutzes per Vorteilsausgleichung, strenge Anforderungen an die Einbeziehung (BGH NJW 14, 2577).

     

    Checkliste / So muss der Anwalt der Werkstatt vorgehen

    Erhebt der Versicherer Einwände aus dem Werkvertrag, gilt für Anwälte von Werkstätten:

     

    • Es besteht kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (anders laut BGH bei Sachverständigen)
    • Es besteht keine aufrechenbare Gegenforderung und auch kein Zurückbehaltungsrecht
    • Abtretungsurkunde Geschädigter/VR verlangen und prüfen (Abtretungsverbot? Hinreichende Bestimmtheit?)
    • Pflichtverletzung des Mandanten bestreiten (z. B. durch den Königsweg-Vortrag „Reparatur gem. Gutachten“ wie im Fall AG Regensburg)
    • Hilfsweise Nacherfüllungsvorrang hervorheben
    • Weiter hilfsweise Schaden des Zedenten und Kausalität bestreiten
    • Schlussendlich hilfsweise: wenn schadensursächliche Pflichtverletzung, dann in der Zeit nach Abtretung an den Mandanten (§ 404 BGB)
     

    Einsender des Urteils | Rechtsanwalt Karl Langsch, Regensburg

     

    Weiterführende Hinweise

    • AG München VA 17, 21 (gleichfalls Zessionsklage einer Werkstatt)
    • Allgemein zu Zessionsklagen von Unfalldienstleistern: Eggert, VA 15, 24
    Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 60 | ID 44560930