· Fachbeitrag · Unfallschadensrecht
Radfahrer im öffentlichen Straßenverkehr: Unfälle, Haftung, Versicherung
von RA Ernst Sarres, Düsseldorf
| Kollisionen zwischen Radfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern gelten häufig als unvermeidbare Begleiterscheinungen im Zuge gesellschaftlicher Mobilität. Die relevanten jährlichen Verkehrsunfallberichte registrieren aber nicht nur einfache Sach- und Personenschäden. Es kommt auch zu Todesfällen. Der nachfolgende Beitrag greift einige verkehrs- und versicherungsrechtliche Aspekte auf. |
1. Jährliche Bestandsaufnahmen: Unfall- und Schadensfolgen
Stark indiziell für die gestiegenen verkehrsrechtlichen Risiken bei Radfahrern sind die beispielhaften Unfallzahlen von zwei ausgewählten Städten im größten Bundesland NRW. Die Verkehrsberichte für 2020 vermitteln einen ersten Eindruck vom Fahrverhalten der Zweiradfahrer. In Düsseldorf haben sich in 2020 die Unfallzahlen bei Rad/Pedelecfahrern von 925 auf 1.079 erhöht. Hier kam es zu vier Todesfällen. In Münster lag das Unfallaufkommen bei Rad- sowie Pedelecfahrern dagegen in 2020 bei geringeren 1.047. Ein Jahr zuvor bezog sich die Unfallbeteiligung hier noch auf 1.182 Fälle.
2. Unfallursachen durch bestimmte Verkehrsverstöße
Bei der Unfallbeteiligung mit Radfahrern bzw. Pedelecfahrern sind die Zahlen in diesen beiden Städten unterschiedlich hoch: 2019 waren in Düsseldorf statistisch rund 3.200 Radfahrer/Pedelecfahrer mit ihrem Fahrverhalten in einen Unfall verwickelt. Im folgenden Jahr 2020 lag ihre Unfallbeteiligung nur noch bei 1.648.
Nach der Verkehrsunfallstatistik des Polizeipräsidiums Münster aus dem Jahre 2020 mit 1.047 unfallbeteiligten Rad-und Pedelecfahrern wurden kardinale Unfallursachen ermittelt, die im Wesentlichen auf folgendem Fahrverhalten beruhten:
- Fehler beim Abbiegen (Verstoß gegen § 9 StVO),
- Das Nichtbeachten der Vorfahrt bzw. des Vorrangs (Verletzung von § 8 StVO),
- Ein mangelhafter Abstand bzw. Seitenabstand (Verstöße gegen § 4 StVO).
3. Haftungsquoten
Die jeweiligen Einzelfallumstände entscheiden über die mögliche Schadensteilung bei Kollisionen zwischen Radfahrern bzw. Pedelecfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern. Heranzuziehende Kriterien sind u. a.: Die Geschwindigkeit der Fahrer, Örtlichkeiten, Sichtweite, das (rechtswidrige) Fahrverhalten.
Richtlinie bei Totalhaftung: Wenn der Radfahrer wesentliche Vorschriften der StVO verletzt, kann die Betriebsgefahr des beteiligten PKWs zurücktreten. Dann haftet der Radfahrer grundsätzlich zu 100 Prozent (Tietgens-Nugel in: Anwaltsformulare Verkehrsrecht, 8. Auflage, Rn. 186; grundlegend Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Auflage).
Rechtsprechungsübersicht / Haftung bei Fahrradunfällen |
Bei bestimmten Einzelfällen, die nachfolgende skizziert werden, kommt die Rechtsprechung regelmäßig zu einer 100%igen Haftung des Radfahrers/der Radfahrerin:
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4. Versicherungsfragen ‒ Hinweis
Für Radfahrer besteht keine Versicherungspflicht, da Fahrräder grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von § 1 PflVG fallen. Wird durch einen Radfahrer ein Unfall verursacht, muss er ohne einen Versicherungsschutz für Schäden beim Unfallgegner grundsätzlich selbst einstehen. Hier können hohe Schadenersatzforderungen entstehen, die zu unvorhersehbar hohen wirtschaftlichen und existentiell bedrohlichen Belastungen führen (Ausführlich zu dieser oft ignorierten, aber weitreichenden Problematik Jahnke in: NZV 19, 601: „Zweiräder und ähnliche Objekte im Straßenverkehr…“).