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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    BGH: Gegenstandswert für die Anwaltsgebühr bei der Abrechnung des Fahrzeugschadens

    | Zum dritten Mal in kurzer Folge hat der BGH zur strittigen Frage Stellung genommen, wie der Gegenstandswert zu bestimmen ist, der für den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten maßgeblich ist. Anders als in den früheren Fällen (VA 18, 19 und VA 17, 169 ) geht es diesmal nicht um eine Totalschadensabrechnung, sondern um die fiktive Abrechnung von Reparaturkosten. |

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    In der vom Anwalt des Kl. vorgerichtlich geltend gemachten Schadenssumme von 4.557,85 EUR waren Reparaturkosten lt. Gutachten i. H. v. 3.882,04 EUR netto enthalten, kalkuliert nach den Stundenverrechnungssätzen einer örtlichen VW-Niederlassung. Unter Vorlage eines Prüfberichts verwies die Bekl. den Kl. auf die Möglichkeit, die Reparatur bei einer anderen Fachwerkstatt mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen zu Kosten i. H. v. 2.979, 78 EUR durchführen zu lassen. Auf dieser Basis wurde reguliert, was der Kl. hinnahm. Was er nicht akzeptierte, war die Regulierung der Anwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandswerts unter Berücksichtigung der verweisbedingt reduzierten Reparaturkosten. Der Differenzbetrag von 78,90 EUR ist Gegenstand der Klage. Das AG gab ihr statt, das LG hat sie abgewiesen.

     

    Der BGH hat die Revision des Kl. zurückgewiesen (5.12.17, VI ZR 24/17, Abruf-Nr. 198869). Von den beiden Leitsätzen hat der zweite den höheren Neuheitswert.

     

    Auf den für den Ersatzanspruch maßgeblichen Gegenstandswert hat es keinen werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen ist, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet (Abruf-Nr. 198869).

     

    Nach Ansicht des BGH ist es irrelevant, wovon der Geschädigte ausging und womöglich ausgehen durfte, als er seinen Anwalt beauftragte. Ob die Hauptforderung in der geltend gemachten Höhe letztlich objektiv berechtigt sei, hänge auch davon ab, ob und inwieweit der Anspruchsgegner mit Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruchsgrund oder die -höhe Erfolg hat. Das könne mit Blick auf die Stundenverrechnungssätze materiell-rechtlich der Fall sein, indem sämtliche Verweisvoraussetzungen erfüllt seien. Ebenso sei von dem niedrigeren Gegenstandswert auszugehen, wenn der Geschädigte die auf den Verweis gestützte Kürzung hinnehme.

     

    Ohne Belang sei, so der BGH weiter,

     

    • ob die Schädigerseite ihre auf § 254 BGB gestützte Einwendung ‒ hier also den Verweis ‒ vor oder nach der Beauftragung des Anwalts oder der Geldtendmachung des Anspruchs erhoben hat,
    • ob der Geschädigte bis zur Erhebung der Einwendung davon habe ausgehen dürfen, dass die im Gutachten ermittelte Schadenshöhe zutreffend sei,
    • seit wann die tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechtigung des Verweises erfüllt waren.

     

    Wenn der Geschädigte, wie hier der Kl., die verweisbedingte Kürzung hinnehme, könne sogar offenbleiben, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen berechtigten Verweis überhaupt erfüllt waren.

     

     

    Relevanz für die Praxis

    Das Urteil liegt auf einer Linie mit den beiden oben erwähnten Entscheidungen zur Bestimmung des Gegenstandswerts bei einer Totalschadensabrechnung. Fortgeführt wird sie durch die jüngste Entscheidung vom 9.1.18 (VI ZR 82/17, Abruf-Nr. 199533).

     

    In der Verweisfrage abweichende Rechtsprechung der Instanzgerichte ist jetzt überholt, z. B. AG Düsseldorf VA 17, 1 = DAR 16, 491 m. Anm. Seutter. Wie sich ein erst in der Klageerwiderung vorgebrachter Verweis mit anschließender übereinstimmender (Teil-)Erledigungserklärung einerseits auf die Höhe des Gegenstandswerts für die Anwaltskosten und andererseits auf die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO auswirkt, ist Gegenstand der Entscheidung LG Bonn 8.7.16, 1 O 460/15, r+s 16, 641. Von Interesse ist in diesem Kontext die BGH-Aussage (Tz. 10): Ein berechtigter Verweis ist keine teilweise Erledigung des Anspruchs, „die in dem hier maßgeblichen Außenverhältnis den Gegenstandswert unter Umständen unberührt lässt.“

     

    FAZIT | Ein „Zunächst begründet“ kennt der BGH nicht. Entscheidend ist für ihn, was hinten herauskommt. Der Beauftragungswert interessiert nicht. Mit Blick auf eine Totalschadensabrechnung mit strittiger Restwerthöhe heißt das: Ist das höhere Angebot des Versicherers annahmefähig und die Annahme zumutbar (Stichwort Silbertablett), kommt es entgegen AG Frankfurt a. M. AGS 12, 91 nicht auf den Restwert laut Gutachten, sondern auf den höheren Restwert an. Wenn der Geschädigte das höhere Angebot akzeptiert, so im Fall Frankfurt, kann die materielle Berechtigung ‒ wie im Verweisfall des BGH ‒ dahingestellt bleiben.

     
    Quelle: Sonderausgabe 01 / 2018 | Seite 6 | ID 45170244