· Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung
Idealfahrer doch kein Fabelwesen
Auch ein Idealfahrer muss im fließenden Verkehr nicht jeweils einen solch großen Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug halten, dass er auch für den Fall, dass ihm ein beliebig schweres Fahrzeug mit beliebig hoher Ausgangsgeschwindigkeit auffährt, durch die von den genannten Parametern abhängige kollisionäre Geschwindigkeitsänderung keinesfalls auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgeschoben werden kann (OLG Celle 28.03.12, 14 U 156/11, Abruf-Nr. 121463). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Unfallort: italienische Autobahn; drei Beteiligte im Kolonnenverkehr, wegen Staus verlangsamend: vorneweg die Kl. mit einem Wohnmobil, dahinter der Bekl. zu 2) mit einem Mercedes Sprinter-Gespann, vers. bei der Bekl. zu 1), dahinter ein Lkw. Geschwindigkeiten und Abstände im Einzelnen waren nicht mehr rekonstruierbar. Fest stand nach einem Gutachten nur, dass der Sprinter nicht auf das langsam fahrende Wohnmobil aufgefahren war, bevor er, noch fahrend, von dem Lkw aufgeschoben wurde (also reiner Aufschiebeunfall). Während das LG Hannover eine Haftung der Bekl. bejaht hat, sieht das OLG Celle den Entlastungsbeweis nach § 17 Abs. 3 StVG als geführt an. Vorab wird festgestellt, dass noch die Art. 38 ff. EGBGB Anwendung finden (Unfall vom 28.7.08) und dass deutsches Haftungsrecht, damit auch § 17 StVG, anwendbar sei (Parteien hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland).
Nach grundsätzlichen Ausführungen zur Unabwendbarkeit i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG geht der Senat auf die besondere Situation beim Aufschiebeunfall ein. Er sei für den Aufgeschobenen i.d.R. nur dann unabwendbar, wenn er den Beweis führen könne, dass sein Fahrzeug nicht auf den Vordermann aufgefahren wäre, es also rechtzeitig zum Stehen gekommen wäre. Diesen Beweis hätten die Bekl. zwar nicht erbracht, dennoch sei die Kollision für den Sprinter-Fahrer unabwendbar gewesen. Die mögliche Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstands (maßgebend insoweit das ital. Recht) stehe der Annahme von Unabwendbarkeit nicht entgegen. Der Sprinter-Fahrer hätte die Kollision auch bei Einhaltung des nötigen Sicherheitsabstands zum Wohnmobil weder verhindern, noch deren Folgen verringern können. Hiervon sei der Senat überzeugt. Wenn das LG von dem „Idealfahrer“ verlange, einen so großen Abstand zu dem Vordermann einzuhalten, dass ein Aufschieben durch einen schweren Lkw in jedem Fall ausgeschlossen sei, stelle es überzogene Anforderungen.
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