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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    OLG München: Nutzungsausfallentschädigung für 120 Tage

    Ein Geschädigter verstößt nicht gegen seine Obliegenheit, den unfallbedingten Ausfallzeitraum auf das notwendige Minimum zu begrenzen, wenn er wahrheitswidrige Angaben des Unfallgegners zum Unfallhergang beim Fehlen sonstiger Nachweismöglichkeiten zum Anlass nimmt, ein selbstständiges Beweisverfahren einzuleiten und dieses sodann zur Vermeidung einer weiteren Verzögerung abbricht und selbst einen Sachverständigen mit einer Unfallanalyse beauftragt (OLG München 21.2.14, 10 U 4039/13, Abruf-Nr. 141505).

     

    Sachverhalt

    Fahrer und Beifahrerin des gegnerischen Fahrzeugs hatten bereits an der Unfallstelle wahrheitswidrige Angaben zum Unfallhergang gemacht und insbesondere ein Ausbremsen des Kl. geleugnet. Der Geschädigte selbst hatte keine Zeugen und seine vor Ort gemachten Fotos waren für eine Unfallrekonstruktion weitgehend untauglich. Die Polizei war zwar am Unfallort, hatte aber zur Aufklärung „nichts Brauchbares“ (OLG) beigetragen. In dieser Situation entschloss sich der Kl. bzw. sein Anwalt, ein selbstständiges Beweisverfahren einzuleiten. Nach 86 Tagen ohne Gerichtsbeschluss wurde der Antrag zurückgenommen. Der Kl. beauftragte nunmehr selbst einen Sachverständigen mit einer Unfallanalyse und ließ sein - inzwischen stillgelegtes - Fahrzeug sodann reparieren.

     

    Entscheidungsgründe

    Während das LG Nutzungsausfall nur für 30 Tage zugesprochen hat, hat das OLG weitere 90 Tage anerkannt. Unter den konkreten Umständen sei die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens aus der maßgeblichen Sicht des Kl. ex ante nicht zu beanstanden gewesen, ebenso wenig der Abbruch des Verfahrens mit anschließender Beauftragung eines Privatsachverständigen.

     

    Allerdings hätte der Kl. nach Rücknahme des Beweissicherungsantrags umgehend für eine Reparatur Sorge tragen müssen, wobei die erforderliche Besichtigung vor Beginn der Arbeiten zu gewährleisten war, während die Ausarbeitung des Gutachtens parallel zur Reparatur hätte erfolgen können.

     

    Praxishinweis

    Das überzeugend begründete Urteil liefert dem Anwalt von Geschädigten in vergleichbaren Situationen eine gute Orientierungs- und Entscheidungshilfe. Statt des schon institutionell zeitraubenden gerichtlichen Beweisverfahrens sogleich einen Privatsachverständigen einzuschalten, wird vom OLG nicht gefordert. Auch das OLG Düsseldorf hat in einem ähnlichen Fall den Weg zum Gericht akzeptiert, und zwar bis zum Abschluss des Verfahrens (VA 08, 75 = NJW-RR 08, 1711; s. auch OLG Saarbrücken VA 07, 80). Vom OLG München nicht thematisiert wird die Frage, ob der Kl. vor Einleitung des Beweisverfahrens den VR hätte informieren müssen. Ein Hinweis dürfte ratsam sein.

     

    Dass das OLG München die Kosten des vorgerichtlich eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachtens ausnahmsweise für erstattungsfähig hält, ist gleichfalls erwähnenswert. Es handelt sich indes, wie der Senat betont, um einen „Grenzfall“.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Ein weiterer interessanter Langzeit-Fall (76 Tage) ist Gegenstand der Entscheidung des LG Düsseldorf vom 25.6.13, 16 O 87/11 (Abruf-Nr. 141506), eingesandt von RA Timm Lutter, Düsseldorf. Einzelthemen: Nutzungswille, Vorfinanzierung und Notreparatur.
    • Zur Vorfinanzierungsfrage in einem Ersatzbeschaffungsfall ferner LG Saarbrücken 14.2.14, 13 S 189/13, Abruf-Nr. 141507 (auch zu Inhalt und Zeitpunkt des Armutshinweises).
    • Zum Gesamtkomplex „Ausfallzeit und Schadenminderungspflicht“ s. Eggert VA 12, 132.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 92 | ID 42686541