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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Wer muss was beweisen?Schnittstellenprobleme bei § 249 Abs. 2 S. 1 und § 254 Abs. 2 BGB

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | „Das Berufungsgericht hat die Frage der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB mit der Frage der Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB vermengt“, so oder ähnlich heißt es in etlichen Entscheidungen des BGH, speziell zum Ersatz von Mietwagenkosten. Auch in anderen Bereichen steht der Praktiker, Anwalt wie Richter, ständig vor der Frage: Was gehört in welche Schublade? Anschlussfragen: Welche Anforderungen sind an die jeweilige Last zu stellen und was hat es mit der sekundären Darlegungslast auf sich? Der Beitrag gibt eine Sortierung anhand von Fallgruppen (nur Sach- und Sachfolgeschaden). |

     

    I. Übersicht / Fahrzeugschaden

    1. Der Geschädigte muss darlegen und beweisen, dass

     

    • die geltend gemachte Beschädigung unfallbedingt ist (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität). Zur heiklen Vorschadenfrage Eggert VA 13, 96; 10, 42; aktuell OLG Düsseldorf 10.2.15, 1 U 32/14, juris; LG Saarbrücken VA 14, 165,

     

    • der als Ersatz verlangte Geldbetrag objektiv zur Wiederherstellung i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB erforderlich ist (BGH NJW 08, 437 Tz. 11).

     

    • Die Erforderlichkeit der Reparaturkosten kann durch Vorlage der Werkstattrechnung oder durch ein ordnungsgemäßes Gutachten eines Sachverständigen nachgewiesen werden (BGHZ 155, 1). Besondere Umstände wie das Alter des Fahrzeugs, seine Laufleistung oder die Anzahl der Vorbesitzer begründen keine weitere Vortragslast (BGH NJW 10, 606; BGHZ 155, 1). Da weder das Schadensgutachten noch die Werkstattrechnung den nach § 249 Abs. 2 BGB geschuldeten Betrag bindend festlegt (BGH NJW 89, 3009), bleibt dem Schädiger die Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit der Abrechnung zu bestreiten und einen Verstoß gegen die - schon im Rahmen des § 249 Abs. 2 BGB relevante - Pflicht zur Kleinhaltung des Schadens (besser: Aufwands) zu behaupten.
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    • Zu beweisen hat der Schädiger an dieser Stelle, anders als im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB, grundsätzlich nichts. Wichtige Ausnahme: Der Geschädigte weist die Erforderlichkeit der Mittel durch die Reparaturkostenrechnung oder durch ein ordnungsgemäßes Gutachten eines Sachverständigen nach. Dann hat der Schädiger die konkreten Tatsachen darzulegen und zu beweisen (!), aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Abrechnung und damit ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB ergibt (BGHZ 155, 1 unter II, 2b, bb).

     

    • die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Zuschlag von bis zu 30 Prozent („Integritätszuschlag“) zugesprochen werden kann, nämlich
      • eine vollständige und fachgerechte Reparatur (BGH NJW 05, 1108; NJW 08, 437) und
      • den Weiterbenutzungswillen (BGH NJW 08, 437 Tz. 12). Letzterer ist im Regelfall durch eine sechsmonatige Weiternutzung bewiesen (BGH NJW 09, 910 Tz. 14).

     

    • die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen im Fall kalkulierter Reparaturkosten bis zu 30 Prozent über WBW die Kosten für eine Teilreparatur beansprucht werden können (BGH NJW-RR 10, 377).

    2. Unter die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers/Versicherers fällt:

     

    • die Möglichkeit einer Reparatur in einer anderen, technisch gleichwertigen, mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Werkstatt. Zur Verweisproblematik BGH NJW 10, 606 Tz. 9 ff., zuletzt NJW 14, 3236. Ein konkretes Werkstattangebot oder einen Kostenvoranschlag verlangt der BGH nicht. Ein Prüfbericht genügt ihm, wenn dieser Alternativwerkstätten aufführt, die technisch gleichwertig sowie mühelos erreichbar sind und mit allgemein gültigen Preisen (keine Sonderkonditionen) arbeiten. Wenn der Geschädigte die behauptete Fähigkeit/Bereitschaft der Referenzwerkstatt erheblich bestreitet (mit Nichtwissen genügt), muss der VR für die Richtigkeit seiner Behauptungen Beweis anbieten. Ein bloßer Prüfbericht mit Verweis reicht jetzt nicht mehr (LG Memmingen 25.2.15, 11 S 1713/14, Abruf-Nr. 144102).

     

    • Der Geschädigte hat im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast Umstände vorzutragen, die ihm eine Reparatur seines (über drei Jahre alten) Fahrzeugs außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen, z.B. die Tatsache, bisher stets in einer Markenwerkstatt gewesen zu sein („scheckheftgepflegt“), vgl. BGH NJW 10, 606 Tz. 15; NJW 10, 2725 Tz. 10.

     

    • bei einer Reparatur in der eigenen Werkstatt und Abrechnung auf Gutachtenbasis oder auf Basis einer Eigenrechnung: Der Betrieb war nicht ausgelastet, sodass freie Kapazitäten genutzt werden konnten (BGH NZV 14, 162 Tz. 11); sekundäre Darlegungslast beim Geschädigten (BGH a.a.O.).

     

    • in Bezug auf den Restwert:
      • bei Veräußerung zum (korrekt ermittelten) Gutachtenbetrag oder zu einem niedrigeren Betrag: auf dem allgemeinen regionalen Markt hätte ein höherer Betrag erzielt werden können (BGH NJW 05, 3134; NJW 06, 2320).
      • bei Veräußerung zu einem Betrag oberhalb des Gutachten-RW: „Übererlös“ wurde ohne besondere (überobligationsmäßige) Anstrengungen erzielt (BGH NJW 10, 2724 Tz. 10; NJW 05, 357; NJW 92, 903).
      • die Zumutbarkeit einer vom Schädiger/VR aufgezeigten Möglichkeit, das Unfallfahrzeug günstiger zu verwerten („Überangebot“), vgl. BGH NJW 10, 2722; NJW 07, 1674; BGHZ 143, 189.

     

     

    II. Übersicht / Mietwagenkosten

    1. Unter die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten fällt:

     

    • die Erforderlichkeit, nach dem Ausfall des eigenen Fahrzeugs mit einem Ersatzfahrzeug mobil zu bleiben.

    Unterthemen:

      • Fahrzeug unfallbedingt nicht mehr fahrbereit; Darlegungs- und Beweislast beim Geschädigten.
      • Notwendigkeit der ständigen Verfügbarkeit eines Kfz (anstelle von Taxi, Bus oder Bahn). Dazu hat der Geschädigte konkret vorzutragen (BGH NJW 13, 1149 Tz. 16).
      • Zweitwagen nicht vorhanden oder nicht einsetzbar (zum Problem Eggert VA 12, 97, 99).
      • Gleichwertigkeit/Gleichartigkeit des Ersatzfahrzeugs (die Verpflichtung von Eigentümern älterer Fahrzeuge, ein klassenniedrigeres zu wählen, ist für das OLG Celle, NJW-RR 12, 802, eine Frage der Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB).
      • Dauer der Anmietung. Nutzungsersatz ist grundsätzlich nur für den Zeitraum zu leisten, der zur Wiederherstellung des früheren Zustands erforderlich ist (BGH NJW 13, 1151; 08, 915). Als nicht „erforderlich“ hat nur diejenige Zeit des Nutzungsausfalls unberücksichtigt zu bleiben, die der Geschädigte wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht zur Geringhaltung des Schadens zu verantworten hat (BGH NJW 75, 160). Die verspätete Erteilung des Reparaturauftrags ist ein Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB (BGH VersR 86, 1208). Verzögerungen durch eine fehlerhafte Auswahl der Werkstatt oder durch das Unterbleiben einer gebotenen Überwachung fallen gleichfalls unter § 254 Abs. 2 BGB mit Darlegungs- und Beweislast des Schädigers auch zur Kausalität. Ebenso das Unterlassen einer Notreparatur oder des Erwerbs eines Interimsfahrzeugs (missverständlich BGH NJW 82, 1518; widersprüchlich BGH NJW 08, 915 und NJW 09, 1663 - Interimsfahrzeug). Gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des § 254 Abs. 2 BGB sieht die Rspr. die Themen „Einsatz von Eigenmitteln/Vorfinanzierungspflicht/Inanspruchnahme der Vollkasko“. Der Geschädigte kann in all diesen Fällen eine sekundäre Darlegungslast haben.
    • die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten, wobei der Beweis geführt ist, wenn
      • der Tarif betriebswirtschaftlich wegen unfallbedingter Mehrkosten gerechtfertigt ist (dazu und zu den Anforderungen an die Darlegungslast BGH NJW 07, 1122; NZV 10, 239 Tz. 6; DAR 10, 464 Tz. 9),

     

      • aber auch, wenn ein wesentlich günstigerer („Normal-)Tarif“ dem Geschädigten in seiner konkreten Situation nicht ohne Weiteres zugänglich war. Das ist eine Frage, „die den Anspruchsgrund und nicht die Schadenminderungspflicht betrifft“ (so BGH NJW 06, 1726). Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Nichtzugänglichkeit muss also der Geschädigte darlegen und notfalls beweisen (BGH VersR 13, 330 Tz. 8). Schon an die Darlegungslast stellt der BGH hohe Anforderungen (NJW 07, 3782; NZV 10, 239). So muss der Geschädigte die (strengen) Voraussetzungen einer - nachfrage- und erkundigungsfreien - Eil- oder Notsituation substanziiert darlegen (BGH NJW 10, 2569; NJW 13, 1870). Zweifel im Tatsächlichen gehen zu seinen Lasten. Nur die positive Feststellung der Nichtzugänglichkeit sichert ihm den Vertragstarif, zumindest den Normaltarif plus x (Aufschlag).
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    • Steht umgekehrt die Ohne-Weiteres-Zugänglichkeit positiv fest, liegt ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB vor, wenn der Geschädigte diese Möglichkeit nicht wahrnimmt (BGH NJW 07, 1123). Dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen „ohne Weiteres“ zugänglich gewesen ist, muss der Schädiger darlegen und beweisen (BGH NJW 08, 2910; NJW 10, 1445 Tz. 13).
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    • Darlegen und beweisen muss der Geschädigte die Voraussetzungen für einen pauschalen Aufschlag auf den „Normaltarif“ wegen allgemeiner unfallspezifischer Kostenfaktoren (z.B. Eil-/Notsituation, Vorfinanzierung, Forderungsausfallrisiko), vgl. BGH NJW 13, 1870; NZV 10, 239; NJW 08, 2910. Entscheidend ist, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein (!) den Mehrpreis rechtfertigen (BGH NJW 07, 3782). Daraus ziehen die Instanzgerichte unterschiedliche Schlüsse. Der Geschädigte müsse nicht vortragen, zu einer Vorfinanzierung außerstande gewesen zu sein (LG Lübeck 30.1.15, 1 S 82/14, Abruf-Nr. 144220). Anders z.B. OLG Celle (NJW-RR 12, 802): Kein pauschaler Aufschlag ohne Nachweis der Nichtzugänglichkeit einer günstigeren Alternative.

     

    2. Unter die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers/Versicherers fällt:

     

    • Wahl eines gleichartigen/gleichwertigen Ersatzfahrzeugs (ausnahmsweise) ein Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB (BGH NJW 85, 1518),
    • Mietdauer: s. oben unter 1 (Dauer der Anmietung),
    • Zweitwagen: s. oben unter 1 (Zweitwagen),
    • die Behauptung, dass dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif als der Vertragstarif ohne Weiteres zugänglich war, sodass er in Erfüllung seiner Pflicht nach § 254 Abs. 2 BGB diesen hätte wählen können (BGH NJW 08, 2910; NJW 10, 1445),
    • Einsatz einer Kreditkarte (BGH NJW 05, 1933; NZV 10, 239 Tz. 8, DAR 10, 464 Tz. 12; NJW 13, 1870 Tz. 19); sekundäre Darlegungs- und Beweislast beim Geschädigten (BGH a.a.O.),
    • Einsatz einer ec-Karte (BGH NJW 05, 1933; DAR 10, 464),
    • Abzug wegen Eigenersparnis: s. Eggert VA 10,114 Pkt. 5.