· Fachbeitrag · Corona
Neues StaRUG greift in Vollstreckung ein
| Beschleunigt durch die COVID-19-Pandemie ist bereits zum 1.1.21 das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG; BGBl. I 20, 3256) in Kraft getreten. Die Neuerungen können u. U. die Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger stören. |
1. Darum geht es beim StaRUG
Das StaRUG gibt Unternehmen, die drohen, zahlungsunfähig zu werden, die Möglichkeit, sich zu sanieren. Wichtigstes Sanierungsinstrument ist dabei der sog. Restrukturierungsplan. Hierbei handelt es sich um eine Art Gesamtvergleich mit den Gläubigern des Schuldners. Die Gestaltung und Verhandlung dieses Restrukturierungsplans kann im Grundsatz vom Schuldner eigenverantwortlich und ohne ein Gericht einzubinden, gesteuert werden.
MERKE | Entscheidender Vorteil des Restrukturierungsplans gegenüber einer außergerichtlichen Sanierung ist, dass die Wirksamkeit des Plans nicht die Zustimmung aller Gläubiger erfordert. Es genügt, wenn eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe erzielt wird. Einzelne Gruppen können überstimmt werden, wenn die Mehrheit der Gruppen dem Plan zustimmt. Die Gruppen müssen nach sachgerechten Kriterien gebildet werden. Anders als bei einem Insolvenzplan kann der Planverfasser nur ausgewählte Gläubiger in den Plan einbeziehen; für die nicht einbezogenen Gläubiger wirkt sich der Plan dann nicht aus. |
2. Vollstreckungs- bzw. Verwertungssperre
Soweit dies erforderlich ist, um die Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels zu wahren, kann das sog. Restrukturierungsgericht in die Rechtsposition von Gläubigern eingreifen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass eine Erfolg versprechende Sanierung nicht durch Zwangsmaßnahmen einzelner Gläubiger vereitelt werden kann. Das Gericht kann nämlich gemäß § 49 Abs. 1, § 53 Abs. 1 StaRUG auf Antrag des Schuldners für drei Monate folgende Maßnahmen treffen:
a) Vollstreckungssperre
Das Restrukturierungsgericht kann Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilig einstellen. Hiervon betroffen sind Mobiliar- und Immobiliarvollstreckungsmaßnahmen, also Gerichtsvollziehervollstreckungen, Forderungspfändungen, das Verfahren auf Abgabe der Vermögenauskunft sowie Versteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren.
MERKE | Bei einer laufenden Zwangsversteigerung ordnet das Vollstreckungsgericht (nicht: Restrukturierungsgericht) an, die Zwangsversteigerungsverfahren einzustellen (§ 30g ZVG). Die Anordnung ergeht mit der Auflage, dass dem betreibenden Gläubiger laufend die geschuldeten Zinsen zu zahlen sind und ein durch die Nutzung entstehender Wertverlust durch laufende Zahlungen auszugleichen ist. |
Beachten Sie | Die Aufhebung einer bereits erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahme und einer dadurch bereits erlangten Sicherung ist nicht möglich. Folge: Noch laufende Vollstreckungsmaßnahmen bleiben auch bei einer einstweiligen Einstellung bestehen, sodass der Rang stets gewahrt bleibt.
b) Verwertungssperre
Angeordnet werden kann zusätzlich auch eine Verwertungssperre. Diese besagt: Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, darf der Gläubiger nicht durchsetzen. Solche Gegenstände können zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind. Ist eine Verwertungssperre ergangen, sind dem Gläubiger ebenfalls die geschuldeten Zinsen zu zahlen und der durch die Nutzung eintretende Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen (§ 54 Abs. 1 StaRUG).
MERKE | Die Anwendung der Maßnahmen widerspricht dem Sinn und Zweck der vorinsolvenzlichen Restrukturierung. Denn, wie bereits dargestellt, ist dieses Sanierungsverfahren für Schuldner gedacht, die drohen, zahlungsunfähig zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für bereits zahlungsunfähige Schuldner das Insolvenzverfahren die richtige Verfahrensart ist. Benötigt also ein Schuldner Vollstreckungsschutz, dann spricht vieles dafür, dass das Insolvenzverfahren für ihn die richtige Verfahrensart ist. Es sind kaum Fallgruppen denkbar, in denen ein nur drohend zahlungsunfähiger Schuldner vor der Vollstreckung fälliger und titulierter Forderungen geschützt werden muss. |
c) Grundpfandrechtsgläubiger sind besonders betroffen
Gerade Kreditinstitute und Versicherungen, die aus bestellten Grundpfandrechten die Zwangsvollstreckung betreiben wollen, treffen die Maßnahmen hart. Denn der Gläubiger kann die Vollstreckung erst nach Kündigung der Grundschuld und Ablauf einer sechsmonatigen Wartefrist (§ 1193 Abs. 1 BGB) beantragen. Sofern der Schuldner diesen Zeitraum aber bereits hat verstreichen lassen, liegt Zahlungsunfähigkeit und damit ‒ bei einer GmbH (vgl. § 34 GmbHG) ‒ die Pflicht zur Insolvenzantragstellung vor. Demzufolge fehlt für einen Vollstreckungsstopp im Hinblick auf Grundpfandrechte schon ein sinnvoller Anwendungsbereich innerhalb des Restrukturierungsrahmens.
MERKE | Zudem besteht für Gläubiger ein Widerspruch zum Insolvenzplanverfahren. Dort kann nämlich die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen nur unter den Voraussetzungen des § 30d ZVG einstweilen eingestellt werden, wenn der Schuldner bzw. Insolvenzverwalter glaubhaft macht, dass durch die Versteigerung die Durchführung des vorgelegten Insolvenzplans gefährdet würde. Die Prüfung der Erforderlichkeit ist zwar in ähnlicher Form auch in § 49 Abs. 1 StaRUG vorgesehen. Hier hat der Gläubiger aber nach dem Gesetzeswortlaut keine Möglichkeit, gerichtlich prüfen zu lassen, ob die Einstellung der Vollstreckung tatsächlich für die Durchführung des Restrukturierungsplans erforderlich ist. Der grundpfandrechtlich gesicherte Gläubiger ist nach § 30g Abs. 1 S. 2 ZVG vielmehr auf den Einwand der unzumutbaren wirtschaftlichen Härte beschränkt. Gerade bei einem Kreditinstitut dürfte dieser Härtefall aber nicht vorliegen. |