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  • Aktuelle BGH-Rechtsprechung

    Die GbR ist rechts- und parteifähig

    von RiLG Frank-Michael Goebel, Rhens

    Mit Urteil vom 29.1.01 hat der BGH – unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – die Rechts- und Parteifähigkeit der am Wirtschaftsleben teilnehmenden Außen-BGB-Gesellschaft (GbR) anerkannt (II ZR 331/00, n.v., Abruf-Nr. 010229). „Vollstreckung effektiv“ zeigt, was diese neue Rechtsprechung für die Zwangsvollstreckung bedeutet.

    Bisher konnte eine GbR nicht klagen oder verklagt werden

    In der Vergangenheit wurde die GbR in der Rechtsprechung als nicht aktiv oder passiv parteifähig behandelt. Dies bedeutete für das Erkenntnisverfahren, dass entweder alle Gesellschafter der GbR persönlich eine Klage erheben oder umgekehrt alle Gesellschafter persönlich verklagt werden mussten. Anerkannt war nur, dass das Rubrum einer Klage der „BGB-Gesellschaft“ oder das Rubrum der Klage eines Dritten gegen die „BGB-Gesellschaft“ berichtigt werden konnte (BGH 12.3.90, NJW-RR 90, 867). Zu diesem Zweck mussten allerdings auch sämtliche Namen und Zustellungsadressen der einzelnen Gesellschafter angegeben werden.

    Die alte Rechtsprechung war für den Gläubiger nachteilig

    Diese Rechtsprechung hatte für den Gläubiger in der Vollstreckung folgende erhebliche Nachteile: Immer dann, wenn die genaue Zusammensetzung des Gesellschafterkreises nicht bekannt oder umstritten war, konnte die Rechtsverfolgung mit dem Ziel der Vollstreckung in das nach §§ 718 ff. BGB gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen kaum Aussicht auf Erfolg bieten. Nahezu aussichtslos war die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen bei Publikumsgesellschaften, die über eine Vielzahl von Mitgliedern verfügen und deren Mitgliederbestand sich kontinuierlich wandelt. Der Gläubiger konnte deshalb mit dem Titel gegen den Gesellschafter nur in dessen Privatvermögen vollstrecken.

    Neu: Klage für oder gegen die GbR ist statthaft

    Diese praktischen Schwierigkeiten für Gläubiger hat der BGH erkannt und mit der jetzt verkündeten Entscheidung endgültig beseitigt. Begründung:

    Schon nach den gesetzlichen Regelungen (§§ 718-720 BGB) ist die GbR selbst und nicht nur die einzelnen Gesellschafter als Träger der in ihrem Namen begründeten Rechte und Pflichten anzusehen. Konsequenterweise muss sie diese Rechte vor Gericht als Klägerin geltend machen (aktive Parteifähigkeit) oder vor Gericht auf die Erfüllung ihrer Pflichten verklagt werden können (passive Parteifähigkeit). Auch der Gesetzgeber hat in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO die Insolvenzfähigkeit der GbR anerkannt, die die Rechtsfähigkeit voraussetzt. Somit ist es nunmehr in der Praxis ausreichend, wenn die im Geschäftsverkehr gebräuchliche Bezeichnung der GbR im Rubrum aufgeführt wird. Einzige „Einschränkung“ dabei ist wie bei anderen Gesellschaftsformen: Ihr geschäftsführender Gesellschafter ist namentlich und mit zustellungsfähiger Anschrift zu benennen.

    Auch für die Zwangsvollstreckung ist nun nur noch ein Titel gegen die GbR nötig

    Gleiches muss für die Zwangsvollstreckung gegen eine GbR gelten: Für die Vollstreckung in das gesamthänderische Gesellschaftsvermögen i.S. von §§ 718, 719 BGB ist nur noch ein Titel gegen die GbR als solche erforderlich. Ein solcher Titel widerspricht nicht § 736 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist für die Vollstreckung in das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen der GbR an sich ein Urteil gegen alle (namentlich bezeichneten) Gesellschafter erforderlich. Ein gegen die Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil ist ein Urteil „gegen alle Gesellschafter“ i.S. des § 736 ZPO. Die Vorschrift verlangt weder vom Wortlaut noch vom Zweck her ein Urteil gegen jeden einzelnen Gesellschafter. Zweck der Vorschrift ist, es zu vermeiden, dass Privatgläubiger eines Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken. In Zukunft ist die Vorschrift erweiternd zu verstehen: Der Gläubiger könne nicht nur mit einem Titel gegen die (jetzt rechtsfähige) GbR, sondern auch bei gleichlautenden Titeln gegen alle Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken. Die bisherigen Möglichkeiten bleiben also erhalten.

    Mit dem Titel gegen die GbR kann aber nicht ins Privatvermögen vollstreckt werden

    Weiterhin gilt aber: Will der Gläubiger die Vollstreckung nicht nur in das Gesellschaftsvermögen, sondern auch in das Privatvermögen eines Gesellschafters betreiben, muss er gegen diesen einen Titel erwirken. Insofern löst sich das Vollstreckungs-quasi vom Haftungsrecht, wonach die GbR-Gesellschafter für die während ihrer Zugehörigkeit zu der Gesellschaft begründeten vertraglichen Gesellschaftsverbindlichkeiten in ihrem jeweiligen Bestand (inklusive Verzugszinsen) nach dem Prinzip der Akzessorietät haften.

    Praxishinweis: Sofern möglich, sollte deshalb jede Klage am besten sowohl gegen die GbR – diese vertreten durch den geschäftsführenden Gesellschafter – als auch im Wege der Parteienhäufung nach § 59 ZPO gegen den geschäftsführenden Gesellschafter und alle weiteren bekannten Gesellschafter erhoben werden. Damit kann mit einem Titel einerseits in das Gesellschaftsvermögen und andererseits in das Privatvermögen der vom Titel erfassten Gesellschafter vollstreckt werden.

    Tipp: Für Altfälle Titelumschreibung analog § 727 ZPO versuchen

    Zu klären bleibt, ob das neue BGH-Urteil auf bereits vorhandene Titel gegen einzelne GbR-Gesellschafter so angewendet werden kann, dass auch auf das Gesellschaftsvermögen zugegriffen werden kann. Eine Titelumschreibung unmittelbar nach § 727 ZPO kommt nicht in Betracht, da die GbR nicht Rechtsnachfolger der Gesellschafter ist. Allerdings erscheint es aus prozessökonomischer Sicht vertretbar, § 727 ZPO analog heranzuziehen. Denn durch das Urteil gegen einen oder mehrere GbR-Gesellschafter wegen einer Gesellschaftsschuld hat sich deren akzessorische Haftung dem Grunde nach realisiert. Eine neue Klage gegen die GbR könnte zu keinem anderen Ergebnis führen.

    Praxishinweis: Mit einem solchen Antrag betreten Sie nach dem Wandel der BGH-Rechtsprechung juristisches Neuland. Weisen Sie deshalb in Ihrem Antrag auf Titelumschreibung darauf hin, dass ansonsten nur eine neue – für Gericht und Gläubiger – zeit-, arbeits- und kostenintensive Klage gegen die GbR in Betracht kommt.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 03/2001, Seite 29

    Quelle: Ausgabe 03 / 2001 | Seite 29 | ID 107467