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  • 02.07.2009 | Lohnpfändung

    Besonderheiten beim Lohnvorschuss und Arbeitgeberdarlehen beachten

    von RA Kai Dumslaff, FAArbR, gepr. Immobilienfachwirt und Zwangsverwalter (IGZ), Koblenz

    Lohnvorschuss und Arbeitgeberdarlehen spielen bei der Lohnpfändung eine große Rolle. Die Praxis zeigt, dass Arbeitgeber als Drittschuldner hier vielfach Fehler machen, die sich bei der Berechnung des pfändbaren Betrags zu Lasten des Gläubigers auswirken.  

    Lohnvorschuss

    Beim Lohnvorschuss wird der Anspruch des Arbeitnehmers vorverlegt, damit er den Zeitraum bis zum eigentlichen Lohnzahlungstermin finanziell überbrücken kann. Der Vorschuss ist daher als Vorauszahlung auf demnächst fällige Lohnansprüche zu qualifizieren (BAG MDR 1987, 611).  

     

    Vollstreckung: Zeitliche Reihenfolge ist entscheidend

    Der Lohnvorschuss erfolgt entweder nach oder vor der Lohnpfändung. Im erstgenannten Fall ist die Zahlung gegenüber dem Pfändungsgläubiger unwirksam (§ 829 Abs. 1 ZPO). Folge: Der nach § 850c ZPO zu ermittelnde pfändbare Betrag berechnet sich so, als ob ein Lohnvorschuss nicht gezahlt worden wäre. Insofern ist daher das Gesamtnettoeinkommen für den jeweiligen Abrechnungszeitraum zugrunde zu legen.  

     

    Praxishinweis: Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass der Drittschuldner „drauflegen“ muss. Da nämlich der Vorschuss den Lohnanspruch des Schuldners vorzeitig getilgt hat (vgl. § 362 BGB), kann der Vorschuss somit am Zahltag aus dem pfandfreien Lohnanteil einbehalten werden.  

     

    Beispiel 1

    Drittschuldner D. gewährt dem Schuldner S. nach Eingang der Lohnpfändung einen Vorschuss von 300 EUR. Der S. ist verheiratet und hat ein minderjähriges Kind. Er hat ein Bruttoeinkommen von 4.000 EUR. Hiervon sind folgende Posten abzuziehen:  

     

    Lohnsteuer  

    900,00 EUR  

    Solidaritätszuschlag  

    37,00 EUR  

    Kirchensteuer  

    60,00 EUR  

    KV-Beitrag AN  

    301,00 EUR  

    RV-Beitrag AN  

    392,00 EUR  

    AV-Beitrag AN  

    55,00 EUR  

    PV-Beitrag AN  

    35,00 EUR  

    Nettoeinkommen  

    2.220,00 EUR  

    pfändbarer Betrag gemäß § 850c ZPO Sp. 2  

    263,01 EUR  

     

     

    unpfändbarer Betrag  

    1.956,99 EUR  

    abzgl. Vorschuss (kann D. sich aus unpfändb. Betrag wiederholen)  

    300,00 EUR  

     

     

    Wird der Lohnvorschuss vor der Lohnpfändung gezahlt, gilt, dass sich der pfändbare Lohnteil nur von dem am Zahltag nach Abzug des Vorschusses oder der Abschlagszahlung noch geschuldeten Nettolohns berechnet (BAG MDR 87, 611). Der Drittschuldner muss also den pfändbaren Lohnanteil ohne Rücksicht auf den Vorschuss nach dem Lohn berechnen, den er dem Schuldner am Fälligkeitstage zahlen müsste, wenn der Vorschuss nicht gegeben worden wäre. Diesen pfändbaren Teil muss er ungekürzt um Vorschüsse an den pfändenden Gläubiger auszahlen. Den geleisteten Vorschuss kann er nur mit dem pfändungsfreien Betrag des Einkommens verrechnen (ArbG Berlin BB 65, 203; LAG Bremen BB 64, 448).  

     

    Praxishinweis: Nach der vom BAG fortgeführten Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts sind Vorschüsse auf den unpfändbaren Teil des später fällig werdenden Lohns anzurechnen (BAGE 2, 322, 324 = AP Nr. 1 zu § 394 BGB). Das Reichsarbeitsgericht ist hierbei von einer seit 1869 bestehenden Rechtsprechung ausgegangen, wonach für die Berechnung der Pfandgrenze von dem am Tage der Fälligkeit vertraglich geschuldeten Lohnbetrag ohne Rücksicht auf Vorauszahlungen oder Stundungen auszugehen sei (RAG ARS 26, 217). Der pfändbare Teil bestimmt sich somit nach dem Betrag der ursprünglichen Schuld, sodass für seine Berechnung die vor der Pfändung geleisteten Vorschusszahlungen einzubeziehen sind.  

     

    Beispiel 2

    Drittschuldner D. gewährt dem Schuldner vor Eingang der Lohnpfändung einen Vorschuss von 300 EUR. Der Schuldner ist verheiratet und hat ein minderjähriges Kind. Er hat ein Bruttoeinkommen von 4.000 EUR. Hiervon sind Steuern und Abgaben, wie aus Beispiel 1 ersichtlich, abzuziehen:  

     

    Nettoeinkommen  

    2.220,00 EUR  

     

     

    pfändbarer Betrag gemäß § 850c ZPO Sp. 2  

    263,01 EUR  

    abzgl. Vorschuss (kann D. sich aus unpfändb. Betrag wiederholen)  

    300,00 EUR  

     

     

    Praxishinweis: Stöber vertritt allerdings eine andere Auffassung (Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn. 1266). Danach wird der Vorschuss bei der Berechnung des Pfandbetrags jedoch nicht mitgerechnet. Die Pfändung erfasst nach dieser Auffassung nur das bei ihrem Wirksamwerden (§ 829 Abs. 3 ZPO) noch geschuldete Einkommen. Dies ergäbe folgende Berechnung:  

     

    Lohnsteuer  

    900,00 EUR  

    Solid. Zuschlag  

    37,00 EUR  

    Kirchensteuer  

    60,00 EUR  

    KV-Beitrag AN  

    301,00 EUR  

    RV-Beitrag AN  

    392,00 EUR  

    AV-Beitrag AN  

    55,00 EUR  

    PV-Beitrag AN  

    35,00 EUR  

    abzgl. Vorschuss  

    300,00 EUR  

     

     

    Nettoeinkommen  

    1.920,00 EUR  

     

     

    pfändbarer Betrag gem. § 850c ZPO Sp. 2 (nach Stöber)  

    143,01 EUR  

     

     

    Der Gläubiger muss bei Lohnpfändungen die herauszugebenden Lohnabrechnungen (BGH VE 07, 41) daher unbedingt darauf untersuchen, ob der Drittschuldner bei der Berechnung des pfändbaren Betrags die Rechtsprechung des BAG beachtet hat. Falls nicht, sollte er eine klarstellende Entscheidung des Vollstreckungsgerichts zur Berechnung einholen.  

    Arbeitgeberdarlehen

    Ein Darlehen des Arbeitgebers ist anzunehmen, wenn es so bezeichnet wurde oder aus den Umständen des Einzelfalls erkennbar ist, dass es als solches gewollt ist. Indizien hierfür können vereinbarte Zinsleistungen oder die Darlehenshingabe auf längere Zeit sein. Der Arbeitgeber kann dann u.U. mit dem Darlehen gegen den Lohnanspruch des Schuldners aufrechnen.  

     

    Vollstreckung: Zeitliche Reihenfolge ist entscheidend

    Bei der Lohnpfändung müssen ebenfalls zwei Alternativen des Arbeitgeberdarlehns beachtet werden: Die Aufrechnung des Drittschuldners mit dem gewährten Darlehen ist gegenüber dem Gläubiger nach einer Pfändung unzulässig (§ 829 ZPO, § 392 BGB). Die Aufrechnung des Drittschuldners ist daher erst zulässig, wenn der Gläubiger insgesamt befriedigt wurde, oder aber wenn die Pfändung einzelne Lohnanteile nicht erfasst.  

     

    Beispiel 3

    Drittschuldner D. gewährt dem Schuldner S. nach Eingang einer Lohnpfändung wegen eines Anspruchs von 3.000 EUR ein Darlehen von 1.000 EUR. Der S. ist verheiratet und hat ein minderjähriges Kind. Er hat ein Nettoeinkommen von 2.500 EUR.  

     

    Lösung: D. muss aus dem Nettoeinkommen zunächst die pfändbaren Beträge an Gläubiger G. abführen (gemäß § 850c ZPO Sp. 2: 375,01 EUR).  

     

    Erst nach vollständiger Befriedigung darf D. mit dem Darlehen aufrechnen, aber nur in Höhe der pfändbaren Beträge.  

     

    Erfolgt die Darlehenshingabe vor der Lohnpfändung, kann der Drittschuldner mit dem gewährten Darlehen wirksam aufrechnen (ArbG Hannover BB 67, 586). Die Aufrechnung ist gegenüber dem Gläubiger gültig. Insofern geht der Gläubiger solange leer aus, wie gepfändete Lohnanteile vom Drittschuldner einbehalten werden können.  

     

    Praxishinweis: Ein Gläubiger sollte bei einer derartigen Konstellation unbedingt prüfen, ob tatsächlich zwischen Drittschuldner und Schuldner wirksam eine Aufrechnungsvereinbarung geschlossen wurde. Gegebenenfalls ist die getroffene Vereinbarung auch nach dem AnfG anfechtbar. Wichtig in diesem Zusammenhang: Eine vor der Pfändung getroffene Aufrechnungsvereinbarung geht der Pfändung nur vor, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung vor der Beschlagnahme erworben ist und nicht nach der Beschlagnahme und auch nicht später als die gepfändete Lohnforderung fällig wird (BAG BB 67, 37; BAG AP Nr. 1 zu § 392 BGB).  

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2009 | Seite 120 | ID 128139