06.10.2008 | Räumungsvollstreckung
Wer ist Besitzdiener und wer Mitbesitzer?
1. Hat der Mieter in die Mietwohnung einen nichtehelichen Lebensgefährten aufgenommen, ist für die Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel auch gegen den nichtehelichen Lebensgefährten erforderlich, wenn dieser Mitbesitz an der Wohnung begründet hat. Ein Mitbesitz an der Wohnung muss sich aus den Umständen klar und eindeutig ergeben. |
2. Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben grundsätzlich keinen Mitbesitz an der gemeinsam genutzten Wohnung. Die Besitzverhältnisse an der Wohnung ändern sich im Regelfall nicht, wenn die Kinder nach Erreichen der Volljährigkeit mit ihren Eltern weiter zusammenleben. Haben Kinder keinen Mitbesitz an der Wohnung erlangt, reicht für eine Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus. |
(BGH 19.3.08, I ZB 56/07, Abruf-Nr. 081595). |
Sachverhalt
Die Schuldnerin ist vom AG zur Räumung und Herausgabe ihrer Wohnung verurteilt worden. Der GV lehnte die Vollstreckung des Räumungstitels mit ab. Begründung: In der Wohnung lebten außer der Schuldnerin deren Lebensgefährte sowie die volljährige Tochter der Schuldnerin und der Ehemann der Tochter, gegen die kein Vollstreckungstitel vorliege. Dagegen hat die Gläubigerin Erinnerung eingelegt. Sie macht geltend: Der Lebensgefährte der Schuldnerin sei nicht Partei des Mietvertrags geworden und habe sich ohne Wissen der Gläubigerin in der Wohnung aufgehalten. Er sei ebenso wie die volljährige Tochter der Schuldnerin und der Ehemann der Tochter nur Besitzdiener. Ein Vollstreckungstitel sei daher nur gegen die Schuldnerin und nicht gegen die weiteren in der Wohnung lebenden Personen erforderlich. Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen: Sowohl der Lebensgefährte als auch die Kinder seien Mitbesitzer und nicht lediglich Besitzdiener. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Frage, ob bei der Räumungsvollstreckung ein Titel gegen den nicht-ehelichen Lebensgefährten (neL) erforderlich ist, war umstritten.
- Eine Meinung ließ einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner genügen, wenn der Dritte sein Besitzrecht nicht vom Vermieter ableitet (LG Darmstadt DGVZ 80, 110; LG Freiburg WuM 89, 571; LG Lübeck JurBüro 92, 196; LG Berlin DGVZ 93, 173; Scherer, DGVZ 93, 161);
- keinen Vollstreckungstitel verlangte eine a.A., wenn der neL den Mitbesitz ohne oder gegen den Willen des Vermieters begründet und diesem entgegen Treu und Glauben verheimlicht hat (OLG Hamburg NJW 92, 3308; KG NZM 03, 105; LG Hamburg DGVZ 05, 164);
- schließlich wurde ein Vollstreckungstitel gegen den neL generell für erforderlich gehalten (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 66. Aufl., § 885 Rn. 15).
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