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  • 28.08.2009 | Vollstreckungspraxis

    BGH schränkt Erhöhung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ein

    Kosten für medizinische Behandlungsmethoden, die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen werden, rechtfertigen in der Regel auch keine Erhöhung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens (BGH 23.4.09, IX ZB 35/08, Abruf-Nr. 091763).

     

    Sachverhalt

    Durch Beschluss vom 3.1.06 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 5.2.07 beantragte sie, den pfandfreien Betrag zu erhöhen (§ 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO), da sie Mehraufwendungen für therapeutische Maßnahmen habe. Zur Behandlung seien neben den ihr von der gesetzlichen Krankenkasse zur Verfügung gestellten Methoden eine multimodale Therapie mit energetischen Massagen, Osteopathie etc. sowie Aura-Gruppensitzungen erforderlich. Zur Begründung bezog sie sich auf verschiedene Bescheinigungen behandelnder Ärzte. Für die energetischen Massagen fielen 14-tägig Kosten von 26 EUR, für die Aura-Gruppensitzungen 14-tägig Kosten in Höhe von 23 EUR an. Hinzu kämen unregelmäßig Mehrkosten für Medikamente. Die Kostenübernahme wurde von der gesetzlichen Krankenkasse abgelehnt, da die Voraussetzungen für eine Erstattungsfähigkeit der Kosten dieser alternativen Behandlungsmethoden nicht erfüllt seien. Das AG hat den Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter, ihr von dem pfändbaren Teil ihres Einkommens monatlich 173 EUR zu belassen. Der BGH wies die zulässige Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück.  

     

    Entscheidungsgründe

    Ein besonderes Bedürfnis des Schuldners nach § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO setzt voraus, dass dieses konkret und aktuell vorliegt und außergewöhnlich in dem Sinne ist, dass es bei den meisten Personen in vergleichbarer Lage nicht auftritt. Die Vorschrift dient nämlich dazu, einen Ausgleich zu schaffen, wenn der individuelle Bedarf durch die pauschal unpfändbaren Einkommensteile aufgrund besonderer Umstände nicht gedeckt werden kann (Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 850f Rn. 1). Im Hinblick auf medizinische Behandlungen ist dies der Fall, wenn der Schuldner Beträge aufwenden muss, die ihm aus Anlass einer Krankheit entstehen (LG Düsseldorf JurBüro 06, 156; Zöller/Stöber, a.a.O., § 850f Rn. 4; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 850f Rn. 5), ohne dass die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Davon umfasst sind grundsätzlich aus medizinischen Gründen erforderliche Therapien.  

     

    Im Hinblick auf die erforderliche Abwägung zwischen Gläubigerinteressen und Schuldnerschutz ist es erforderlich, dass ein objektivierbares Bedürfnis des Schuldners bestehen muss, auf das billigerweise bei der Vollstreckung oder der Durchführung des Insolvenzverfahrens Rücksicht zu nehmen ist. Hierfür genügt nicht, dass die fragliche Therapie hilfreich oder sinnvoll ist, wie in den vorgelegten Attesten bestätigt wurde. Vielmehr liegt ein anzunehmendes Bedürfnis nur vor, wenn dem Schuldner nicht zugemutet werden kann, aus wirtschaftlichen Gründen auf die Behandlung zu verzichten. Die Behandlung muss aus medizinischen Gründen erforderlich sein, um eine Besserung der Krankheit oder ihrer Symptome zu erreichen oder einer Verschlechterung vorzubeugen. Diese Wirkung muss objektivierbar, also für das Leiden des Schuldners wissenschaftlich nachgewiesen sein. Darüber hinaus müssen die Kosten für die Therapie verhältnismäßig sein, also individuell gerade beim Schuldner in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen.