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  • 01.07.2005 | Vollstreckungsverfahren

    § 850c Abs. 4 ZPO erfordert echte Ermessensentscheidung

    Die auf Antrag des Gläubigers vom Vollstreckungsgericht nach § 850 Abs. 4 ZPO zu treffende Bestimmung muss unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls und nicht nur nach festen Berechnungsgrößen erfolgen (BGH 21.12.04, IXa ZB 142/04, NJW-RR 05, 795, Abruf-Nr. 050281).

     

    Sachverhalt

    Die Gläubigerin hatte gegen die Schuldnerin einen PfÜB erwirkt. Sie beantragte, den Sohn der Schuldnerin bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens nicht zu berücksichtigen. Für den am 5.7.93 geborenen Sohn erhielt die Schuldnerin monatliche Unterhaltszahlungen i.H.v. 222 EUR. Das AG bestimmte gemäß § 850c Abs. 4 ZPO, dass der Sohn bei der Bemessung des pfändbaren Betrags nach der Anlage zu § 850c ZPO nur zu 25 v.H. der Spanne zwischen dem Betrag, der ohne Berücksichtigung des Sohnes pfandfrei wäre, und dem Betrag, der mit Berücksichtigung des Sohnes pfandfrei wäre, berücksichtigt wird. Es hat die Unterhaltszahlung als anzurechnendes Einkommen des Sohnes angesehen und den Betrag ins Verhältnis gesetzt zum Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO für einen Schuldner ohne Unterhaltsverpflichtung (930 EUR). Da der Sohn eigenes Einkommen i.H.v. etwa einem Viertel des Grundfreibetrags habe, entspreche es billigem Ermessen, 25 v.H. der Differenz pfändbar zu belassen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hiergegen wies das LG zurück. Dagegen wandte sie sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hat die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die Frage, ab welcher Höhe ein eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten seine Berücksichtigung bei der Bestimmung der Pfändungsfreibeträge aus Arbeitseinkommen des Unterhaltspflichtigen ausschließt, ist vom Gesetzgeber bewusst nicht im Einzelnen geregelt worden. Nach § 850c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht vielmehr auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass eine unterhaltsberechtigte Person mit eigenen Einkünften bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Es verbietet sich insoweit eine schematisierende Betrachtung. Das Gericht muss ermitteln, in welchem Umfang der zu berücksichtigende Angehörige durch eigene Einkünfte für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann, so dass den Schuldner in diesem Umfang keine Unterhaltsverpflichtung trifft und ihm keine zusätzlichen Mittel belassen werden müssen (LG Rostock InVo 03, 411; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 850c Rn. 15a; MüKo/Smid, ZPO, 2. Auf., § 850c Rn. 23) .  

     

    Die Berücksichtigung des Berechtigten, der eigene Einkünfte bezieht, ist absichtlich flexibel gestaltet worden, um dem Gericht bei seiner Ermessensentscheidung genügend Raum zu lassen, den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Bei der Ermessensausübung hat das Gericht seine Entscheidung unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu treffen. Dabei könnten Pfändungsfreibeträge und Unterhaltstabellen Gesichtspunkte für die Ausübung des Ermessens geben. Eine einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsmodellen scheidet jedoch aus, weil sie dem Sinn des § 850c Abs. 4 ZPO widerspricht.