· Fachbeitrag · Forderungsvollstreckung
So vermeiden Sie Fehler bei der Vollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| In der Praxis der Vollstreckung wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche werden bei Anträgen immer wieder Fehler gemacht, die verhindern, dass schnell oder bevorrechtigt vollstreckt wird. Der folgende Beitrag zeigt, wie Sie diese Fehler vermeiden. |
1. Verwendung des besonderen amtlichen Formulars
§ 2 Nr. 1 ZVFV Anlage 3 schreibt im Rahmen der Vollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen vor, das Formular „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insbesondere wegen Unterhaltsforderungen“ nach § 850d ZPO zu verwenden.
Der Antrag unterscheidet sich hinsichtlich des Formulars zur Pfändung wegen gewöhnlicher Geldforderungen nur darin, dass ein Wegfall unterhaltsberechtigter Personen gemäß § 850c Abs. 4 ZPO nicht beantragt werden kann. Der Grund liegt darin, dass bei der Vollstreckung wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche nach § 850d ZPO der pfändungsfreie Betrag sich nicht nach der Lohnpfändungstabelle gemäß § 850c Abs. 3 ZPO berechnet, sondern vom Vollstreckungsgericht individuell festgelegt wird.
Wichtig | Mit dem Formular werden allerdings nur Forderungen des Schuldners wegen gesetzlicher - nicht vertraglicher - Unterhaltsansprüche gepfändet. Solche gesetzlichen Unterhaltsansprüche sind:
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2. Bevorrechtigter Zugriff muss beantragt werden
Will der Gläubiger bevorrechtigt auf Teile des Arbeitseinkommens (Anspruch A) zugreifen, muss er dies beantragen. Folge: Allein die Verwendung des amtlichen Formulars bedeutet nicht, dass das Vollstreckungsgericht eine bevorrechtigte Vollstreckung gemäß § 850d ZPO automatisch beschließt.
Vielmehr kann sich der Gläubiger bei der Vollstreckung in Arbeitseinkommen auch auf die höheren unpfändbaren Beträge nach der Lohnpfändungstabelle gemäß § 850c Abs. 3 ZPO beschränken. Da er also die Wahl hat, muss er dem Vollstreckungsgericht zumindest auslegungsfähig mitteilen, welche Variante er möchte.
Es bietet sich daher an, das gewollte Pfändungsvorrecht nach § 850d ZPO im Antrag auf Seite 1 ausdrücklich kenntlich zu machen (s. u., Muster unter 3.).
PRAXISHINWEIS | Dass der erweiterte Vollstreckungszugriff gewünscht wird, können Sie dem Gericht aber auch dadurch darlegen, dass Sie auf Seite 8 des Formulars entsprechende Angaben machen. Solche Angaben sind nämlich nur notwendig, wenn gerade eine bevorrechtigte Pfändung nach § 850d ZPO gewollt ist. |
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☐ Der erweiterte Pfändungsumfang gilt nicht für die Unterhaltsrückstände, die länger als ein Jahr vor Stellung des Pfändungsantrags vom fällig geworden sind, weil nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat. |
Der Schuldner ist nach Angaben des Gläubigers ☐ ledig. ☐ verheiratet/eine Lebenspartnerschaft führend. ☐ mit dem Gläubiger verheiratet/eine Lebenspartnerschaft führend. ☐ geschieden.
☐ Der Schuldner ist dem geschiedenen Ehegatten gegenüber unterhaltspflichtig. ☐
Der Schuldner hat nach Angaben des Gläubigers ☐ keine unterhaltsberechtigten Kinder. ☐ keine weiteren unterhaltsberechtigten Kinder außer dem Gläubiger. s☐ ____ unterhaltsberechtigtes Kind/unterhaltsberechtigte Kinder. ☐ ____ weiteres unterhaltsberechtigtes Kind/weitere unterhaltsberechtigte Kinder außer dem Gläubiger. ☐ |
3. Unbedingt VKH und Anwaltsbeiordnung beantragen
Oft ist es so, dass wegen der Unterhaltsansprüche bereits im Erkenntnisverfahren vor dem Familiengericht VKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet wurde. Ein solcher Antrag kann und sollte ebenfalls stets bei der Unterhaltsvollstreckung mit gestellt werden.
Raum für Kostenvermerke und Eingangsstempel | Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen |
Amtsgericht
Vollstreckungsgericht
| Es wird beantragt, den nachfolgenden Entwurf als Beschluss auf ☐ Pfändung ☐ und ☐ Überweisung zu erlassen. ☐ Zugleich wird beantragt, die Zustellung zu vermitteln (☐ mit der Aufforderung nach § 840 der Zivilprozessordnung - ZPO). ☐ Die Zustellung wird selbst veranlasst. |
Es wird beantragt, ☒ Prozesskostenhilfe zu bewilligen ☒ Frau Rechtsanwältin/Herrn Rechtsanwalt beizuordnen |
PRAXISHINWEIS | Im Zusammenhang mit der Beiordnung als Rechtsanwalt im Rahmen von Prozesskostenhilfe hat der BGH (VE 12, 185) entschieden: Wegen der sich aus § 850d ZPO ergebenden rechtlichen Schwierigkeiten bei der Pfändung aus einem Unterhaltstitel ist in der Regel erforderlich, einem Unterhaltsgläubiger, dem PKH für einen Antrag auf Erlass eines PfÜB gewährt wird, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt beizuordnen. Von der Beiordnung eines Rechtsanwalts kann somit nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei einem juristisch vorgebildeten oder wirtschaftlich erfahrenen Gläubiger, abgesehen werden. Dies muss das Vollstreckungsgericht im Einzelfall prüfen. Hierauf sollten Sie im Rahmen der Antragstellung unbedingt hinweisen. |
4. Überjährige Rückstände
Die Privilegierung nach § 850d ZPO ist gemäß § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO temporär beschränkt. Die Norm regelt, dass wegen rückständiger Unterhaltsansprüche, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass eines PfÜB fällig geworden sind, der Gläubiger die Bevorrechtigung nicht in Anspruch nehmen kann. Insoweit gelten dann die Freigrenzen nach § 850c ZPO.
PRAXISHINWEIS | Hiervon besteht allerdings die Ausnahme, wenn sich der Unterhaltsschuldner seiner Zahlungspflicht bzgl. des rückständigen Unterhalts absichtlich entzogen hat. Dann gilt weiterhin die Bevorrechtigung nach § 850d Abs. 1 ZPO auch für diese überjährigen Rückstände. Da der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat (BGH VE 05, 62), muss deshalb der Gläubiger im Formular keine Angaben dazu machen, dass die bevorrechtigte Pfändung auch für ältere Rückstände gilt. Dies bedeutet, dass Sie im Formular kein Kreuz setzen. |
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☐ Der erweiterte Pfändungsumfang gilt nicht für die Unterhaltsrückstände, die länger als ein Jahr vor Stellung des Pfändungsantrags vom ... fällig geworden sind, weil nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat. |
5. Angaben zum notwendigen Unterhalt
Nach dem Gesetz ist dem Schuldner so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf. Daher muss der Gläubiger bei ausreichender Kenntnis hierzu im Formular entsprechende Angaben machen, damit das Vollstreckungsgericht den pfändungsfreien Betrag auf Seite 9 eintragen kann.
Diese Angaben sind nicht zu belegen. Das bedeutet, dass es dem Schuldner bei etwaigen fahrlässigen Falschangaben möglich ist, dies im Erinnerungsverfahren gemäß § 766 ZPO zu klären. Möglich ist auch, dass der Pfändungsfreibetrag entsprechend § 850f Abs. 1 ZPO auf Antrag des Schuldners erhöht wird.
Der Schuldner ist nach Angaben des Gläubigers ☐ ledig. ☐ verheiratet/eine Lebenspartnerschaft führend. ☐ mit dem Gläubiger verheiratet/eine Lebenspartnerschaft führend. ☐ geschieden.
☐ Der Schuldner ist dem geschiedenen Ehegatten gegenüber unterhaltspflichtig. ☐
Der Schuldner hat nach Angaben des Gläubigers ☐ keine unterhaltsberechtigten Kinder. ☐ keine weiteren unterhaltsberechtigten Kinder außer dem Gläubiger. ☐ ____ unterhaltsberechtigtes Kind/unterhaltsberechtigte Kinder. ☐ ____ weiteres unterhaltsberechtigtes Kind/weitere unterhaltsberechtigte Kinder außer dem Gläubiger. ☐ |
6. Regelfall: Kombination von Lohn- und Kontopfändung
In der Praxis beantragen Gläubiger regelmäßig die Pfändung in Lohn (Anspruch A) und Bankverbindung (Anspruch D). Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die beantragte und durch das Gericht beschlossene bevorrechtigte Pfändung gemäß § 850d ZPO nicht automatisch auch auf die Kontopfändung erstreckt.
MERKE | Insbesondere dann, wenn der Schuldner ein P-Konto besitzt, spielt dies eine wichtige Rolle. |
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Unterhaltsgläubiger G. pfändet sowohl in Anspruch A - Arbeitgeber - als auch in Anspruch D - Bank - wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche. Das Vollstreckungsgericht setzt dem ledigen Schuldner S. den notwendigen Selbstbehalt auf 850 EUR im Monat fest. S. verdient monatlich 1.900 EUR netto. Auf seinem P-Konto befinden sich noch 300 EUR.
Lösung Der Arbeitgeber A. überweist an G. 1.050 EUR. Der unpfändbare Betrag von 850 EUR wird auf das P-Konto des S. überwiesen. Der dortige Freibetrag beträgt zurzeit 1078,99 EUR. Zusammen mit dem unpfändbaren Lohn von 850 EUR und dem auf dem Konto befindlichen Restbetrag von 300 EUR (= 1.150 EUR) wird der Freibetrag um 71,01 EUR überschritten.
Die Bank darf allerdings diesen Betrag nicht an G. auskehren, da ihr gegenüber die Anordnung des Gerichts nicht gilt, nämlich dass dem S. 850 EUR verbleiben müssen. Somit muss die drittschuldnerische Bank bis zur Höhe des Betrags von 1.078,99 EUR Verfügungen des S. zulassen. |
PRAXISHINWEIS | Diese Folge können Sie für Ihren Gläubiger-Mandanten dadurch umgehen, dass Sie im Freifeld auf Seite 10 folgende Formulierung eintragen und ankreuzen: |