06.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123339
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 04.10.2012 – VII ZB 11/10
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Avalbürgschaft, die der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen, hängt nicht davon ab, dass dem Schuldner zuvor eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt wurde. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, dass der Gläubiger im Zeitpunkt der kostenauslösenden Maßnahme im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und der Schuldner in Kenntnis seiner unbedingten Zahlungsverpflichtung einen Zeitraum von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen (Fortführung von BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Oktober 2012 durch den Richter Dr. Eick, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Prof. Leupertz, den Richter Kosziol und den Richter Dr. Kartzke
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 16. Februar 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 575 €
Gründe:
I.
1
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Bürgschaftskosten.
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Unter dem 8. Januar 2008 verurteilte das Landgericht die Schuldnerin, 41.506,70 € nebst Zinsen an die Gläubiger zu zahlen. Das vorläufig vollstreckbare Urteil wurde den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am 11. Januar 2008 zugestellt. Nachdem den Gläubigern am 18. Januar 2008 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden war, beauftragten sie am 28. Januar 2008 den Gerichtsvollzieher mit der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO. Am 29. Januar 2008 erhielten die Gläubiger zur Durchführung der endgültigen Zwangsvollstreckung eine Bankbürgschaft. Unter dem 31. Januar 2008 beauftragten sie den Gerichtsvollzieher unter Nachweis der Bürgschaft mit der endgültigen Vollstreckung. Die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde der Schuldnerin am 6. Februar 2008 zugestellt. Sie bezahlte die titulierten Forderungen am 7. Februar 2008.
3
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat die Kosten der Bankbürgschaft auf Antrag der Gläubiger als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung angesehen und durch Beschluss vom 23. Januar 2009 gemäß § 788 Abs. 2 ZPO gegen die Schuldnerin festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag der Gläubiger zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchten diese die Entscheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt wissen.
II.
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Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
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1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, die Schuldnerin müsse die Kosten einer von den Gläubigern zur vorläufigen Vollstreckung des zugrunde liegenden Schuldtitels beigebrachten Bürgschaft nicht tragen. Es handele sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO, weil die Gläubiger die endgültige, auf die Befriedigung ihrer Forderungen abzielende Vollstreckung voreilig zu einem Zeitpunkt eingeleitet hätten, in dem die vollstreckbare Ausfertigung des Titels noch nicht zugestellt und bei laufender Rechtsmittelfrist noch keine Berufung eingelegt gewesen sei. Bei dieser Sachlage hätten die Gläubiger Gründe für die besondere Eilbedürftigkeit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen darlegen müssen. Solche Gründe seien indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die Beschaffung einer Bürgschaft wegen der von ihm festgestellten besonderen Umstände des Streitfalles als nicht notwendig im Sinne des § 788 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesehen und schon deshalb die hierdurch angefallenen Kosten insgesamt für nicht erstattungsfähig gehalten.
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a) Das Beschwerdegericht geht, ebenso wie die Parteien, davon aus, dass die Beschaffungskosten für eine nach § 709 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind. Das entspricht der h. M. in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur (vgl. OLG Koblenz, MDR 2004, 835; OLG Düsseldorf, JurBüro 2003, 47; OLG München, NJW-RR 2000, 517, 518; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 788 Rn. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 788 Rn. 3, jeweils m.w.N; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2007 - II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515), ist aber nicht unbestritten (vgl. MünchKommZPO/K. Schmidt, 3. Aufl., § 788 Rn. 17; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn. 11). Der Senat braucht diesen Meinungsstreit nicht zu entscheiden. Rechnet man die Kosten einer zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachten Bürgschaft dem Zwangsvollstreckungsverfahren zu, hängt ihre Erstattungsfähigkeit gemäß § 788 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO davon ab, ob sie notwendig waren. Für die Gegenauffassung gilt im Ergebnis nichts anderes. Denn dann handelt es sich bei derartigen Kosten, die zur Vorbereitung der Vollstreckung aus dem Titel beim Gläubiger anfallen, um Verfahrenskosten im weiteren Sinn, deren Erstattungsfähigkeit auf dem zugrunde liegenden Prozessrechtsverhältnis beruht (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2007 - II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515, 516; Urteil vom 18. Dezember 1973 - VI ZR 158/72, NJW 1974, 693, 694) und deshalb ebenfalls nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu beurteilen ist. Daraus folgt, dass die Kosten einer zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachten Bürgschaft ungeachtet ihrer Rechtsnatur gemäß § 103 Abs. 2, §§ 104, 107 ZPO (vgl. § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO) gerichtlich festzusetzen sind, soweit es sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung handelt.
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Soweit sich hieraus Bedenken gegen die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts erster Instanz ergeben könnten, ist dies im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen, § 576 Abs. 2 ZPO.
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b) Bei den in Rede stehenden Aufwendungen der Gläubiger für die Beibringung einer Bürgschaft handelt es sich jedenfalls dem Grunde nach um notwendige und deshalb erstattungsfähige Kosten der Rechtsverfolgung, § 788 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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aa) Kosten auslösende Maßnahmen des Gläubigers, die der Zwangsvollstreckung oder - wie hier - ihrer Vorbereitung dienen, sind im obigen Sinne notwendig, wenn der Gläubiger sie bei verständiger Würdigung der Sachlage im Zeitpunkt ihrer Vornahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - VII ZB 88/08, NJW 2010, 1007 Rn. 10; Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582). Hierzu muss er jedenfalls im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels über eine im maßgeblichen Zeitpunkt fällige Forderung sein (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582) und es muss dem Schuldner eine nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles angemessene Frist zur freiwilligen Leistung zur Verfügung gestanden haben (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582; BVerfGE 99, 338).
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Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass die Erstattungsfähigkeit der durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelösten anwaltlichen Vollstreckungsgebühr nicht davon abhängt, ob der Anwalt zuvor die Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hat. In einem solchen Fall reicht es vielmehr grundsätzlich aus, dass der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und die schutzwürdigen Belange des Schuldners dadurch gewahrt sind, dass dieser in Kenntnis seiner unbedingten Zahlungsverpflichtung eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582).
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Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Kosten einer Avalbürgschaft, die der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen. Das Gesetz eröffnet ihm ungeachtet der nach § 720a ZPO vorgesehenen Sicherungsvollstreckung gemäß §§ 709, 750 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit, auch die endgültige, seinen Anspruch befriedigende Vollstreckung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils schon vor dem Eintritt der Rechtskraft und unabhängig davon einzuleiten, ob dem Schuldner eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt wurde. Hierzu ist er insbesondere ohne Einhaltung der Wartefrist des § 750 Abs. 3 ZPO berechtigt, die nur für den Beginn einer Sicherungsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung maßgebend ist.
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bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die von den Gläubigern zur Festsetzung angemeldeten Bürgschaftskosten dem Grunde nach als erstattungsfähige Kosten der Rechtsverfolgung. Die Beschaffung einer Bürgschaft zur Vorbereitung der Vollstreckung des Schuldtitels war entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts insbesondere nicht schon deshalb verfrüht, weil sie vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist und zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der Schuldnerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils noch nicht zugestellt worden war. Das Gesetz erlaubt dem Gläubiger vielmehr eine solche Vorgehensweise, ohne dass er hierfür eine besondere Eilbedürftigkeit der von ihm eingeleiteten Vollstreckung darlegen muss.
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Die Schuldnerin hatte ausreichende Gelegenheit für eine freiwillige Bezahlung der titulierten Forderung. Ihr war spätestens ab Zustellung des Urteils am 11. Januar 2008 bewusst, zur unbedingten Bezahlung des dort ausgeurteilten Betrages verpflichtet zu sein. Sie hatte mithin 2 1/2 Wochen Zeit, die Forderung freiwillig zu begleichen, bevor die Gläubiger am 29. Januar 2008 die Kosten auslösende Bankbürgschaft erhielten. Dieser Zeitraum war länger, als es die Wartefrist des § 798 ZPO für die Vollstreckung aus anderen Schuldtiteln erfordert. Daraus folgt zwar nicht zwingend, dass die Gläubiger im Interesse einer die Belange des Schuldners angemessen berücksichtigenden, kostenschonenden Vorgehensweise hinreichend lange mit der Einleitung der Zwangsvollstreckung gewartet haben. Gleichwohl wird in Ansehung der sich aus § 798 ZPO ergebenden gesetzlichen Wertung die Einhaltung einer Wartefrist von 14 Tagen in der Regel auch für die Vollstreckung aus Urteilen als ausreichend anzusehen sein (im Ergebnis ebenso: BGH, Beschluss vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582), wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen, dem Gläubiger ausnahmsweise ein längeres Zuwarten zuzumuten. Solche Gründe, die in der Person des Schuldners, in den Besonderheiten des zugrunde liegenden Verfahrens (vgl. BVerfGE 99, 338) oder in dem sonstigen Verhalten der Beteiligten begründet sein können, sind hier nicht ersichtlich.
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c) Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Parteien streiten auch über die Erforderlichkeit der Bürgschaftskosten der Höhe nach. Hierzu hat das Beschwerdegericht -von seinem Standpunkt aus folgerichtig -keine Feststellungen getroffen. Nach Aufhebung seiner Entscheidung und Zurückverweisung der Sache besteht Gelegenheit, dies nachzuholen und darüber zu befinden, in welcher Höhe die von den Gläubigern angemeldeten Bürgschaftskosten zu erstatten sind.
Eick
Safari Chabestari
Leupertz
Kosziol
Kartzke