19.08.2014 · IWW-Abrufnummer 142467
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 09.07.2014 – VII ZB 14/14
a)Wird ein vorläufig vollstreckbares Urteil durch einen Prozessvergleich ersetzt, wonach der Schuldner zur Zahlung eines geringeren Betrags verpflichtet ist, kann der Gläubiger grundsätzlich die Erstattung der Kosten aus der zuvor auf der Grundlage des Urteils betriebenen Zwangsvollstreckung in der Höhe verlangen, in der sie angefallen wären, wenn er von vornherein die Vollstreckung auf den Vergleichsbetrag beschränkt hätte (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - IXa ZB 204/03, NJW-RR 2004, 503).
b)Wird dem Schuldner im Prozessvergleich Ratenzahlung auf den Vergleichsbetrag gewährt, hat die darin liegende Stundung keine Auswirkungen auf den dem Gläubiger nach diesen Grundsätzen zustehenden Anspruch auf Erstattung der Vollstreckungskosten.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2014 durch den Richter Dr. Eick, die Richterin Safari Chabestari, die Richter Halfmeier, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 5. Februar 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
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Der Gläubiger erwirkte im Urkundenprozess ein vorläufiges vollstreckbares Vorbehaltsurteil, mit dem die Schuldnerin zur Zahlung von 4.842 € und weiteren 471,50 €, jeweils mit Zinsen, verurteilt wurde. Nachdem er daraus erfolglos die Zwangsvollstreckung betrieben hatte, schlossen die Parteien am 23. Januar 2013 einen Prozessvergleich, der in der bis zum 8. Februar 2013 gesetzten Frist nicht widerrufen wurde.
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Darin verpflichtete sich die Schuldnerin, an den Gläubiger zum Ausgleich der Klageforderung 2.421 € zu zahlen. Ihr blieb vorbehalten, diesen Betrag in monatlichen Raten zu je 100 € zu zahlen. Die erste Rate war am 1. März 2013 fällig, die weiteren Raten jeweils zum Monatsersten. Für den Fall, dass die Schuldnerin mit einer Zahlung mehr als zehn Werktage in Verzug geriet, sollte die gesamte dann noch offene Forderung sofort fällig und mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sein. Der Gläubiger verpflichtete sich, auf die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil zu verzichten. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.
3
Auf Antrag des Gläubigers vom 7. Februar 2013 hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. April 2013 die von der Schuldnerin an den Gläubiger zu erstattenden Zwangsvollstreckungskosten gemäß § 788 ZPO auf 410,20 € nebst Zinsen und weiteren 3,50 € Zustellungsauslagen festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag des Gläubigers zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Kostenfestsetzungsantrag weiter.
II.
4
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Festsetzung der Vollstreckungskosten stehe entgegen, dass der Gläubiger nur solche Vollstreckungskosten erstattet verlangen könne, die angefallen wären, wenn er von vornherein die Vollstreckung auf das Vergleichsergebnis beschränkt hätte. Da die Beteiligten im Vergleich eine Stundung der Vergleichssumme vereinbart hätten und sich der Gläubiger zudem verpflichtet habe, auf die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil zu verzichten, könne der Gläubiger aus dem Vorbehaltsurteil nicht nur nicht mehr in Höhe der vollen Urteilssumme, sondern überhaupt nicht und damit auch nicht wegen der angefallenen Kosten vollstrecken.
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
Der Gläubiger kann von der Schuldnerin gemäß § 788 ZPO die Kosten der Zwangsvollstreckung in der Höhe ersetzt verlangen, wie sie entstanden wären, wenn er die Zwangsvollstreckung beschränkt auf den Vergleichsbetrag betrieben hätte.
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a) Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass die Parteien in dem Prozessvergleich keine Regelung für die aufgrund der Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil angefallenen Kosten getroffen haben. Von der im Vergleich vereinbarten Kostenaufhebung werden sie nicht umfasst, da die Kosten der Zwangsvollstreckung keine Kosten des Rechtsstreits sind (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - IXa ZB 204/03, NJW-RR 2004, 503, 504; Beschluss vom 24. Februar 2010 - XII ZB 147/05, NJW-RR 2010, 1005 Rn. 9).
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b) Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht dem Gläubiger jeglichen Anspruch auf Kostenerstattung versagt.
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aa) Der im Prozessvergleich vereinbarte Verzicht des Gläubigers auf die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil bedeutet lediglich, dass für die Zukunft nur noch der Prozessvergleich Vollstreckungstitel ist. Der Verzicht nimmt dem Vorbehaltsurteil jedoch in dem durch den Prozessvergleich bestätigten Umfang nicht die Wirkung als Grundlage für in der Vergangenheit bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - IXa ZB 204/03, aaO, 504; Beschluss vom 24. Februar 2010 - XII ZB 147/05, aaO Rn. 8).
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bb) Dafür, dass die Forderung zum Zeitpunkt der versuchten Zwangsvollstreckung noch nicht fällig war, ist nichts ersichtlich. Die Forderung wurde der Schuldnerin erst mit der im Prozessvergleich bewilligten Ratenzahlung gestundet. Diesem Umstand kommt für die Frage, inwieweit der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zu Recht betrieben hat, keine Bedeutung zu (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 788 Rn. 13, Stichwort "Stundung").
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c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt dies nicht dazu, dass die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom Senat selbst zurückgewiesen werden kann. Denn sie ist nur teilweise unbegründet; es fehlen Feststellungen dazu, in welchem Umfang dies der Fall ist.
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Der Gläubiger kann nach Ersetzung des vollstreckbaren Titels durch einen Prozessvergleich die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht mehr in voller Höhe gegen die Schuldnerin geltend machen. Dies leitet sich maßgeblich aus § 788 Abs. 3 ZPO ab. Danach sind dem Schuldner die Kosten der Zwangsvollstreckung zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird. Bei teilweiser Aufhebung des Urteils sind die Mehrkosten zu erstatten, die bei der Vollstreckung des verbliebenen Anspruchs nicht entstanden wären (Zöller/Stöber, aaO, § 788 Rn. 22 m.w.N.). Diese Vorschrift beruht, wie der vergleichbare § 717 Abs. 2 ZPO, auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - VII ZB 39/10, WM 2011, 1142 Rn. 10). Daraus ist abzuleiten, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil nicht dem Schuldner zur Last fallen sollen, soweit der Verurteilung durch das Rechtsmittelgericht die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird. Für den Fall, dass dieses Ergebnis durch einen nachfolgenden Prozessvergleich erzielt wird, gilt nichts Anderes (Zöller/Stöber, aaO). Derartige Kosten sind daher nicht nur zu erstatten, wenn sie bereits beigetrieben wurden, sondern dürfen bereits im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden (BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - VIII ZB 27/09, NJW-RR 2012, 311 Rn. 8; MünchKommZPO/Karsten Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 788 Rn. 49; vgl. auch Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 788 Rn. 19).
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d) Danach kann der Gläubiger die Kosten der Zwangsvollstreckung ersetzt verlangen, die angefallen wären, wenn er die Zwangsvollstreckung von vornherein nur in Höhe des Vergleichsbetrags von 2.421 € betrieben hätte. Das Beschwerdegericht wird dementsprechend nach Zurückverweisung der Sache die Kosten der Zwangsvollstreckung auf dieser Grundlage zu ermitteln und festzusetzen haben.
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