11.08.2016 · IWW-Abrufnummer 187928
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 16.06.2016 – I ZB 109/15
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1 , Art. 14 Abs. 1 A , Art. 19 Abs. 4
ZPO § 765a
Begründet die Einstellung der für den Schuldner lebensbedrohlichen Räumungsvollstreckung eine Gefahr für Leben und Gesundheit des Gläubigers, so ist im Rahmen der Entscheidung nach § 765a ZPO das Ausmaß der jeweiligen Gefährdung zu würdigen. Ist das mit einer Zwangsräumung verbundene Gefährdungspotential für den Schuldner deutlich höher zu bewerten als die mit einem weiteren Vollstreckungsstillstand für den Gläubiger bestehenden Gesundheitsgefahren, so kommt eine befristete Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht, mit der dem Schuldner auferlegt wird, durch geeignete Maßnahmen an einer Verbesserung seines Gesundheitszustands zu arbeiten.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. Oktober 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert der Rechtsbeschwerde wird auf 4.000 € festgesetzt.
Gründe
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I. Die Schuldnerin wurde vom Landgericht Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 23. April 2012 zur Herausgabe des auf dem Grundstück N. in S. befindlichen Bungalows verurteilt. Die Schuldnerin bewohnt den Bungalow seit dem Jahr 2002. Die Gläubiger bewohnen das unmittelbar benachbarte Grundstück. Auf dem mit dem Bungalow bebauten Grundstück befinden sich ein Schuppen, eine Garage, Tiere und sämtliches Gartenzubehör der Gläubiger. Die Gläubiger betreiben gegen die Schuldnerin die Räumungsvollstreckung.
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Die Schuldnerin hat mit Schreiben vom 1. August 2012 beim Amtsgericht Fürstenwalde Räumungsschutz beantragt und mit Schreiben vom 3. Januar 2013 die Stellungnahme eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt, der zufolge eine Zwangsräumung zu einer für die Schuldnerin lebensbedrohlichen Situation führen könne. Das Amtsgericht wies den Vollstreckungsschutzantrag am 5. Februar 2013 zurück. Im Beschwerdeverfahren stellte das Landgericht im März 2013 die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über den Vollstreckungsschutzantrag einstweilen ein und beschloss, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob im Falle einer Zwangsräumung für die Schuldnerin eine Gesundheits- oder Lebensgefahr besteht. Das Gutachten wurde am 7. Februar 2014 erstattet.
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Seit Mai 2013 wird der von der Schuldnerin bewohnte Bungalow auf Betreiben der Gläubiger nicht mehr mit Strom, Gas und Wasser versorgt. Im Sommer 2014 schlug der Gläubiger nahezu sämtliche Fenster des Bungalows ein.
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Mit Beschluss vom 4. November 2014 beschloss das Landgericht die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zu der Frage, ob für die Gläubiger eine Gesundheits- oder Lebensgefahr besteht. Dieses Gutachten wurde am 17. Juli 2015 erstattet.
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Mit Beschluss vom 1. Oktober 2015 hat das Landgericht die Beschwerde der Schuldnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Schuldnerin. Die Gläubiger beantragen,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
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II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen für eine weitere Einstellung der Räumungsvollstreckung nach § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vor. Dazu hat es ausgeführt:
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Der Schuldnerin könne kein Vollstreckungsschutz gewährt werden, weil dem zumindest vergleichbare Belange der Gläubiger entgegenstünden.
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Grundsätzlich komme vorliegend eine befristete Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht, weil die Schuldnerin nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens derart schwer psychisch erkrankt sei, dass in unmittelbarer Folge einer Zwangsräumung ihr Versterben einkalkuliert werden müsse. Nach dem Gutachten liege bei der Schuldnerin eine Zwangsstörung mit im Vordergrund stehenden Zwangshandlungen (ICD-10 F 42.1) vor. Es handele sich um ein schweres Krankheitsbild, welches dazu führe, dass jegliche Veränderung bislang bestehender Abläufe mit einer massiven ängstlichen Anspannung einhergehe. Bereits die Vorstellung der Zwangsräumung verursache bei der Schuldnerin erhebliche Angstzustände mit einem ungewöhnlichen Ausmaß bis hin zur existentiellen Bedrohung. Selbst mit Unterstützung Dritter könne die Schuldnerin eine Zwangsräumung nicht bewältigen, sie sei auf den Verbleib im Bungalow angewiesen. Mit der Durchführung der Zwangsräumung sei ein Verlust der vermeintlichen Stabilität zu befürchten, da die Schuldnerin auf festgelegte Rituale verzichten müsse. Dies könne zu einer depressiven Störung führen, wobei sich auch erst dann der Eintritt einer Suizidalität einschätzen lasse. Jedenfalls lasse die Zwangsräumung eine Zuspitzung des Gesundheitszustands befürchten. Der damit einhergehende Verlust der strengen Rituale lasse erwarten, dass wesentliche Grundbedürfnisse einschließlich der regelmäßigen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr nicht mehr wahrgenommen werden könnten, so dass ein potentiell lebensbedrohlicher Zustand drohe. Die erhebliche Ausprägung der Zwangserkrankung der Schuldnerin sei einer Behandlung nur schwer zugänglich. Allenfalls im Rahmen einer langjährigen Therapie sei eine Verbesserung in begrenztem Umfang denkbar. Aufgrund des Krankheitsbildes könne sich die Schuldnerin nicht auf eine stationäre Therapie einlassen. Es könne offenbleiben, ob darüber hinaus im Falle der Zwangsräumung auch aufgrund des Aufplatzens eines - von der Schuldnerin behaupteten - nicht operablen Hirnaneurysmas Lebensgefahr bestehe.
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Der der Schuldnerin wegen Gesundheits- oder Lebensgefahr zu gewährende Vollstreckungsschutz müsse dort seine Grenze finden, wo ein anhaltender Stillstand der Vollstreckung zugleich für die Gläubigerseite zu ernsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe. Hier sei nicht allein die Schwere der sich gegenüberstehenden Erkrankungen abzuwägen. Vielmehr seien die Folgen einer Einstellung der Zwangsvollstreckung unzumutbar, wenn der Gläubiger ernstliche gesundheitliche Komplikationen erleide, die sein Lebensinteresse berührten. Verfolge der Gläubiger nur Vermögensinteressen, sei ihm regelmäßig eine auch langfristige Vollstreckungseinstellung zuzumuten. Wirke sich aber der jahrelange Stillstand der Vollstreckung unmittelbar und ernsthaft auf die Gesundheit des Gläubigers aus und sei nicht ausgeschlossen, dass er infolge der Nichtdurchsetzbarkeit des Räumungstitels versterbe, müsse die im Rahmen des § 765a ZPO zu treffende Abwägung zu seinen Gunsten ausgehen. So verhalte es sich vorliegend. Nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens bestehe bei der Gläubigerin eine leichte depressive Episode (ICD-10 F 32.0), die die Lebensqualität erheblich beeinträchtige, weil die Gläubigerin kaum zur Auseinandersetzung mit anderen Themen in der Lage sei. Ein Zusammenhang zwischen der depressiven Symptomatik und dem Vollstreckungsverfahren sei gegeben, weil es an Anzeichen dafür fehle, dass die Symptomatik auch ohne die Auseinandersetzung mit der Schuldnerin bestünde. Im Falle der Gewährung weiteren Räumungsschutzes sei eine Besserung der Symptomatik nur schwer erreichbar. Fortgesetzter Stress könne zu einer Verschlechterung des Krankheitsbilds mit einhergehender Suizidalität führen. Die gegenwärtige psychische Stabilität beruhe auf der Annahme, dass die Zwangsräumung doch noch durchgesetzt werden könne. Der Gläubiger leide nach dem Gutachten unter einer depressiven Anpassungsstörung (ICD-10 F 43.2), die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Räumungsverfahren stehe. Für den Gläubiger stelle der Sachverständige zwar nicht ausdrücklich die Möglichkeit der Suizidalität in den Raum, verweise aber auf den dynamischen Verlauf einer Anpassungsstörung, aus dem sich längerfristig durchaus ein Gefährdungsmoment für Fehlhandlungen mit selbstschädigendem Charakter ergeben könne
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Das mit einer Zwangsräumung verbundene Gefährdungspotential für die Schuldnerin sei zwar deutlich höher zu bewerten als die mit einem weiteren Vollstreckungsstillstand für die Gläubiger bestehenden Gesundheitsgefahren. Aber auch für die Gläubiger stünden ernste Gefahren für Leben und Gesundheit im Raum, wenn sie weiterhin für einen nicht überschaubaren Zeitraum an der Durchsetzung ihres Titels gehindert seien. Es bestehe daher nicht das für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO erforderliche krasse Missverhältnis zwischen dem Schutzbedürfnis der Gläubiger und der von der Schuldnerin hinzunehmenden Härte. Es könne den Gläubigern nicht zugemutet werden, in den schicksalhaften Lebensverlauf der Schuldnerin einbezogen zu werden und sich hierfür aufopfern zu müssen. In einer solchen Konstellation könne dem Lebensschutz des Schuldners nicht mehr nach § 765a ZPO Rechnung getragen werden, weil dem Gläubiger eine an sich der Allgemeinheit obliegende Aufgabe jedenfalls dann nicht mehr übertragen werden dürfe, wenn hierbei seine Erkrankung oder sein Versterben in Kauf genommen werde. Vielmehr müsse die Schuldnerin ihr allgemeines Lebensrisiko, zu dem ein Wohnsitzwechsel gehöre, selbst tragen und die Zwangsräumung unter Heranziehung der gegebenen Hilfsmöglichkeiten (sozialpsychiatrischer Dienst, Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe) hinnehmen.
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III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft ( § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 2 ZPO ) und auch im Übrigen zulässig ( § 575 ZPO ). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.
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1. Ist mit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden, so kann dies im Hinblick auf das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Untersagung oder einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO rechtfertigen. Dabei ist aber stets eine Abwägung der Interessen des Schuldners mit den ebenfalls grundrechtlich geschützten Vollstreckungsinteressen des Gläubigers vorzunehmen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2014, 584 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 - I ZB 12/15 , MDR 2016, 417 Rn. 17). So kommt auch auf Seiten des Gläubigers das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zum Tragen, wenn die Einstellung der Zwangsvollstreckung sein Leben oder seine Gesundheit gefährdet (vgl. Paulus in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 765a Rn. 31; Schuschke, NZM 2015, 233, 238 f.; Ulrich, Rpfleger 2012, 477, 479). Ferner wird das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums ( Art. 14 Abs. 1 GG ) und auf effektiven Rechtsschutz ( Art. 19 Abs. 4 GG ) beeinträchtigt, wenn sein Räumungstitel nicht durchsetzbar ist (vgl. BGH, MDR 2016, 417 Rn. 17).
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Treffen grundrechtlich geschützte Positionen verschiedener Grundrechtsträger aufeinander, ist dieser Konflikt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl. BVerfGE 28, 243, 260 f.; 41, 29, 50; 52, 223, 247, 251; 93, 1, 21; Schuschke, NZM 2011, 304, 306). Schon bisher wird diesem Grundsatz im Rahmen des § 765a ZPO im Falle einer konkreten Lebensgefahr für den Schuldner durch die sorgfältige Prüfung Rechnung getragen, ob dieser Gefahr nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09 , WuM 2010, 250 Rn. 8). Ist die Einstellung der für den Schuldner lebensbedrohlichen Räumungsvollstreckung mit einer Gefahr für Leben oder Gesundheit des Gläubigers verbunden, stellt sich diese Frage mit noch größerer Dringlichkeit. In diesem Zusammenhang ist - soweit feststellbar - das Ausmaß der jeweiligen Gefährdung zu würdigen. So kann zu berücksichtigen sein, dass einerseits die mit der Einstellung der Zwangsvollstreckung verbundene Gefahr für Leben oder Gesundheit des Gläubigers noch nicht akut ist, sondern lediglich aufgrund eines längerfristigen Krankheitsverlaufs prognostiziert wird, andererseits aber die Räumung eine konkrete Lebensgefahr für den Schuldner begründet. In einer solchen Konstellation kommt eine befristete Einstellung der Zwangsvollstreckung unter Auflagen in Betracht, mit denen der Schuldner zu zumutbaren, dem Vollstreckungsgericht nachzuweisenden Maßnahmen angehalten wird, um durch eine Verbesserung seines Gesundheitszustands die mit der Räumung verbundenen Gefahren für Leben oder Gesundheit möglichst auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - I ZB 59/07 , NJW 2008, 1742 Rn. 11; BGH, WuM 2010, 250 Rn. 11 [BGH 14.01.2010 - I ZB 34/09] ; BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - I ZB 27/10 , NJW-RR 2011, 300 Rn. 7; Beschluss vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13 , NJW 2014, 2288 Rn. 25; BGH, MDR 2016, 417 Rn. 17).
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2. Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht in Einklang.
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a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts besteht im Falle der Räumung eine konkrete Lebensgefahr für die Schuldnerin. Gleichermaßen nicht zu beanstanden sind die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Gläubiger. Danach kann fortgesetzter Stress zu einer Verschlechterung des Krankheitsbilds der Gläubigerin mit einhergehender Suizidalität führen und beruht ihre gegenwärtige psychische Stabilität auf der Annahme, dass die Zwangsräumung doch noch durchgesetzt werden kann. Im Falle des Gläubigers kann sich danach bei dynamischem Verlauf seiner Anpassungsstörung längerfristig ein Gefährdungsmoment für Fehlhandlungen mit selbstschädigendem Charakter ergeben. Nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung des Beschwerdegerichts, das mit einer Zwangsräumung verbundene Gefährdungspotential für die Schuldnerin sei deutlich höher zu bewerten als die bei einem weiteren Vollstreckungsstillstand für die Gläubiger bestehenden Gesundheitsgefahren.
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Zu beanstanden ist allerdings die Beurteilung des Beschwerdegerichts, bei dieser Sachlage könne Vollstreckungsschutz nicht gewährt werden. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es könne den Gläubigern nicht zugemutet werden, in den schicksalhaften Lebensverlauf der Schuldnerin einbezogen zu werden und sich hierfür aufopfern zu müssen. In einer solchen Konstellation könne dem Lebensschutz des Schuldners nicht mehr nach § 765a ZPO Rechnung getragen werden, weil dem Gläubiger eine an sich der Allgemeinheit obliegende Aufgabe jedenfalls dann nicht mehr übertragen werden dürfe, wenn hierbei seine Erkrankung oder sein Versterben in Kauf genommen werde. Vielmehr müsse die Schuldnerin ihr allgemeines Lebensrisiko, zu dem ein Wohnsitzwechsel gehöre, selbst tragen und die Zwangsräumung unter Heranziehung der gegebenen Hilfsmöglichkeiten (sozialpsychiatrischer Dienst, Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe) hinnehmen.
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b) Die vorgenannten Feststellungen tragen das Abwägungsergebnis des Beschwerdegerichts nicht. Seine Annahme, das mit einer Zwangsräumung verbundene Gefährdungspotential für die Schuldnerin sei deutlich höher zu bewerten als die mit einem weiteren Vollstreckungsstillstand für die Gläubiger bestehenden Gesundheitsgefahren, gründet auf den Feststellungen des Sachverständigen. Dieser hat einerseits im Falle der Räumung eine konkrete Lebensgefahr für die Schuldnerin attestiert und anderseits die Gefahr suizidaler Handlungen der Gläubiger als zukünftig mögliche Folge einer Verschlechterung des Krankheitsbildes der Gläubigerin sowie eines dynamischen Verlaufs der Anpassungsstörung des Gläubigers beschrieben. Im Rahmen der Abwägung kann dieser unterschiedliche Gefährdungsgrad nicht unberücksichtigt bleiben. Ist das mit einer Zwangsräumung verbundene Gefährdungspotential für die Schuldnerin deutlich höher zu bewerten als die mit einem weiteren Vollstreckungsstillstand für die Gläubiger bestehenden Gesundheitsgefahren, so kommt entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts eine befristete Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht, mit der der Schuldnerin auferlegt wird, durch geeignete Maßnahmen an einer Verbesserung ihres Gesundheitszustands zu arbeiten.
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Es handelt sich nicht um einen Fall, in dem eine Verringerung der Lebensgefahr der Schuldnerin auch unter Berücksichtigung ihrer Mitwirkung und der Hilfe staatlicher Stellen in Zukunft ausgeschlossen ist (vgl. BGH, MDR 2016, 417 Rn. 17 aE). Vielmehr hat das Beschwerdegericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens festgestellt, dass im Rahmen einer längerfristigen Therapie eine Verbesserung des Zustands der Schuldnerin in begrenztem Umfang denkbar sei, sofern ein Therapeut gefunden werden könne, der die Behandlung ausschließlich durch Hausbesuche gewährleiste.
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III. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben; er ist aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen ( § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ).
Richter am BGH Prof. Dr. Koch ist in Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Büscher
Büscher
Löffler
Schwonke
Feddersen