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  • 31.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233516

    Landgericht Münster: Urteil vom 19.03.2009 – 015 O 281/08

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Münster

     
    Tenor:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Kanzlei N vom 28.04.2008, Rechnungsnummer ######, in Höhe von 1.011,50 € freizustellen;
    2. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Kanzlei N vom 06.03.2008, Rechnungsnummer ######, in Höhe von 517,65 € freizustellen;
    3. es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer ##### verpflichtet ist, den Kläger für die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die Konzeptanten und ehemaligen Vorstände der T Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG und der H, Herrn Diplom-Kaufmann X und Herrn T1, Kostenschutz für die erste Instanz ohne die Beschränkung auf eine Sammelklage zu gewähren.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    1
    T a t b e s t a n d :

    2
    Der Kläger ist mit der Beklagten durch einen Rechtsschutzversicherungsvertrag verbunden. Es gelten die "ARB 75" der Beklagten.

    3
    Der Kläger hatte 1997 in zwei Gruppen der sog. "H" investiert. Er beteiligte sich als atypisch stiller Gesellschafter an der T Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG (nachfolgend "T") und an der G Beteiligungs-Aktiengesellschaft, die später auf die H (nachfolgend "H") verschmolzen wurde.

    4
    Mit Beschluss vom 14.06.2007 wurde über das Vermögen der "T" und mit Beschluss vom 20.06.2007 über das Vermögen der "H" das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wandte sich im Juli 2007 an seine Prozessbevollmächtigten zur Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen.

    5
    Mit Schreiben vom 21.08.2007 kündigte der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter der "T" seine Beteiligungen. Hinsichtlich etwaiger negativer Auseinandersetzungsguthaben erklärte er vorsorglich die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen. Der damalige Insolvenzverwalter kündigte unmittelbar nach Insolvenzeröffnung an, dass er etwaige Forderungen eigenkapitalersetzenden Darlehen gleichsetzen und diese daher nicht in die Insolvenztabelle aufnehmen wolle. Der Kläger schilderte der Beklagten mit Schreiben vom 24.09.2007 die Sach- und Rechtslage und bat um Versicherungsschutz für die Vertretung im Insolvenzverfahren. Mit Schreiben vom 25.10.2007 sagte die Beklagte Kostenschutz für die Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle der "T" zu. Die Übernahme der Kosten für die Vertretung im Insolvenzverfahren lehnte sie hingegen ab. Die Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgte am 11.03.2008. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers nahmen am 29.03.2008 an der Gläubigerversammlung teil. Es kam zu einer Auseinandersetzung mit dem damaligen Insolvenzverwalter und die Bevollmächtigten des Klägers und die übrigen Gläubiger erreichten, dass der Insolvenzrichter (wegen Befangenheit) und auch der Insolvenzverwalter ausgewechselt wurden. Hintergrund der Auseinandersetzung war die Weigerung des Insolvenzverwalters, die Forderungen zur Insolvenztabelle zu nehmen. Er vertrat die Auffassung, es handele sich um nachrangige Forderungen im Sinne des § 39 InsO.

    6
    Die Prozessbevollmächtigten des Klägers berechneten ihm eine 1,0-Gebühr für die Vertretung im Insolvenzverfahren gemäß der §§ 2, 13 RVG, Nr. 3317 VV nach einem Gegenstandswert von 33.522,71 € (Nennwert der Forderung) und verlangten von der Beklagten die Begleichung dieser Rechnung in Höhe von 1.011,50 €. Die Beklagte hat im vorliegenden Rechtsstreit einen Betrag in Höhe von 60,69 € anerkannt und im Übrigen die Begleichung der Rechnung verweigert.

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    Mit Schreiben vom 21.08.2007 kündigte der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter der "H" die Beteiligungen. In dem Verfahren kam es nicht zu der gleichen Auseinandersetzung im Hinblick auf die Anmeldung zur Insolvenztabelle. Am 22.08.2007 fand die erste Gläubigerversammlung statt, bei der sich der Kläger ebenfalls von dem Prozessbevollmächtigten vertreten ließ. Der Kläger machte mit Schreiben vom 24.09.2007 Versicherungsschutz bei der Beklagten geltend und diese sagte am 25.10.2007 Kostenschutz wiederum nur für die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle zu. Die Forderungsanmeldung erfolgte am 29.02.2008 und mit Rechnung vom 06.03.2008 stellten die Prozessbevollmächtigten wiederum eine 1,0-Gebühr nach dem Gegenstandswert in Höhe des Nennwertes der Forderung in Rechnung. Sie verlangten von der Beklagten die Begleichung der 1.011,50 €. Die Beklagte hat jedoch auch insoweit im hiesigen Verfahren nur 60,69 € anerkannt und im Übrigen die Begleichung der Rechnung verweigert.

    8
    Darüber hinaus beabsichtigt der Kläger, die Konzeptanten und ehemaligen Vorstände in Anspruch zu nehmen und richtete daher am 16.06.2008 unter Vorlage eines Klageentwurfes eine Deckungsanfrage an die Beklagte. Diese sagte mit Schreiben vom 23.06.2008 Kostenschutz für die Interessenwahrnehmung in erster Instanz zu, beschränkte diese Zusage jedoch

    9
    ausdrücklich auf Kosten einer "gemeinsamen Sammelklage" sämtlicher Versicherungsnehmer. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich des Wortlauts der Zusage auf Blatt 83 der Akte Bezug genommen.

    10
    Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Rechtsschutz nicht nur für die Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle, sondern auch für die Vertretung im Insolvenzverfahren. Dabei sei als Gegenstandswert der Nennwert der Forderungen anzusetzen. Das nach den Versicherungsbedingungen erforderliche Schadensereignis liege hier bereits bei der Beratung zur Investierung des Geldes in die G und dieser Versicherungsfall umfasse auch die Vertretung im Insolvenzverfahren. Die Vertretung im Insolvenzverfahren sei auch nicht mutwillig im Sinne des § 15 der ARB.

    11
    Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, die Beklagte könne ihn nicht auf die Geltendmachung der Ansprüche im Rahmen einer Sammelklage verweisen.

    12
    Er beantragt daher,

    13
    1.

    14
    die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Kanzlei N vom 28.04.2008, Rechnungsnummer ######, in Höhe von 1.011,50 € nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit freizustellen;

    15
    2.

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    die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Kanzlei N vom 06.03.2008, Rechnungsnummer ##### in Höhe von 1.011,50 € freizustellen;

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    3.

    18
    festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer ####### verpflichtet ist, den Kläger für die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die Konzeptanten und ehemaligen Vorstände der T Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG und der H, Herrn Diplom-Kaufmann X und Herrn T1, Kostenschutz für die erste Instanz ohne die Beschränkung auf eine Sammelklage zu gewähren.

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    Die Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

    21
    Sie ist der Ansicht, hinsichtlich der Gebühren für das Insolvenzverfahren sei nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger beendet. Es gäbe eine Zäsur, die das maßgebliche Streitverhältnis auf die beteiligten Gläubiger und Insolvenzverwalter verlagere. Ein Versicherungsfall nach der Anmeldung der Forderung komme daher nur dann in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter einen Pflichtverstoß begehe. Daran fehle es hier. Eine Tätigkeit über die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle hinaus sei eine Obliegenheitsverletzung nach § 15 Abs. 1 d cc ARB 75 und darüber hinaus mutwillig. Im Übrigen sei als Gegenstandswert für die Tätigkeit nicht der Nennwert der Forderung, sondern lediglich nach § 28 Abs. 3 RVG das wirtschaftliche Interesse, welches sich hier nach der prognostizierten Insolvenzquote richte. Vor diesem Hintergrund sei über die anerkannten Beträge hinaus kein Anspruch gegeben.

    22
    Die Beklagte ist auch der Ansicht, die Verweisung auf die Geltendmachung der Ansprüche im Rahmen einer Sammelklage sei mit den ARB vereinbar und die Geltendmachung im Wege der Einzelklage verstoße gegen die Obliegenheit aus § 15 Abs. 1 d cc ARB 75, wonach der Versicherungsnehmer alles zu vermeiden habe, was eine unnötige Kostenerhöhung verursachen könnte. Sie behauptet, jedenfalls mindestens 5 Klageentwürfe, die durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretene Versicherungsnehmer zur Gewährung von Rechtsschutz vorgelegt hätten, seien derart identisch, dass eine Sammelklage nicht nur zulässig, sondern auch geboten sei. Eine Beeinträchtigung der Interessen der jeweiligen Versicherungsnehmer seien in keinem Fall zu befürchten.

    23
    Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

    24
    Entscheidungsgründe:

    25
    Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

    26
    I.

    27
    Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den Gebührenrechnungen seiner Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der T (1.) in Höhe von 1.011,50 € und im Zusammenhang mit der H (2.) in Höhe von 517,65 €. In Höhe von jeweils 60,69 € war der Klage auf Grund des Anerkenntnisses der Beklagten durch Teil-Anerkenntnisurteil stattzugeben. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Beträge hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 1 der ARB 75.

    28
    Unstreitig ist das Vorliegen eines Versicherungsfalles auf Grund der Pflichtverletzungen bei den Anlageberatungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens. Die Beklagte hat insoweit Rechtsschutz für die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle gewährt und es besteht folglich in jedem Fall ein Anspruch auf Zahlung einer 0,5-Verfahrensgebühr nach Ziffer 3320 des Vergütungsverzeichnisses des RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2). Streitig ist zwischen den Parteien insoweit nur die Höhe des anzusetzenden Gegenstandswertes, auf die später noch eingegangen wird (3.).

    29
    1.

    30
    Hinsichtlich der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Angelegenheit T hat der Kläger aber darüber hinausgehend auch einen Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von einer weiteren 0,5-Verfahrensgebühr. Dabei teilt die Kammer die Auffassung der Beklagten dahingehend, dass zunächst der maßgebliche Versicherungsfall im Vorfeld des Insolvenzverfahrens liegt, dann jedoch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die streitige Interessenwahrnehmung zwischen den ursprünglichen Parteien, nämlich Gläubiger und Schuldner, beendet wird. Es ist zutreffend, dass nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Insolvenzverwalter entsteht, der an die Stelle des Schuldners tritt. Ansprüche können nur noch unmittelbar gegenüber dem Insolvenzverwalter und nicht mehr gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden.

    31
    Hinsichtlich des oben beschriebenen, dem Insolvenzverfahren vorgelagerten Versicherungsfalls führt dies dazu, dass mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens für den Gläubiger zunächst nur noch die Anmeldung zur Insolvenztabelle zu erledigen ist. Ist diese nämlich erfolgt, nimmt das Insolvenzverfahren üblicherweise ‒wenn alles normal verläuft- seinen Lauf, die Forderung wird von dem Insolvenzverwalter bei der Verteilung der Masse berücksichtigt und es ist daher durch den Gläubiger nichts weiter zu veranlassen. Vor diesem Hintergrund erschöpft sich die gebotene Tätigkeit, für die dann auch Rechtsschutz verlangt werden kann, in der Anmeldung zur Insolvenztabelle. Eine Notwendigkeit, sich auch noch im laufenden Insolvenzverfahren vertreten zu lassen, besteht nicht. Im Normalfall besteht dort kein weiterer Handlungsbedarf. Aus § 15 Abs. 1 d cc folgt die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, sich grundsätzlich auf das rechtlich Notwendige zu beschränken, sofern seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden. Im oben geschilderten normalen Lauf des Insolvenzverfahrens beschränkt sich das rechtlich Notwendige auf die Anmeldung der Insolvenzforderung.

    32
    Da, wie oben ausgeführt, nach Auffassung der Kammer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf das bisherige Streitverhältnis Gläubiger/Schuldner eine Zäsur eintritt und nunmehr das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Insolvenzverwalter maßgeblich ist, und da ‒wie ebenfalls oben ausgeführt- mit der Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle ‒jedenfalls, dann, wenn das Insolvenzverfahren normal läuft- alles für die Wahrnehmung der Rechte der Gläubiger im Verhältnis zum bisherigen Schuldner erforderlich getan ist, bedarf es für die Geltendmachung weiterer Rechtsschutzansprüche für die weitere Vertretung im Insolvenzverfahren durch einen Rechtsanwalt eines neuen Versicherungsfalles im Sinne des § 14 ARB 75.

    33
    Wenn ‒wie oben ausgeführt- das bisherige Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem bisherigen Schuldner nicht mehr maßgeblich ist, kann ein weiterer Versicherungsfall nur dann vorliegen, wenn im nun maßgeblichen Rechtsverhältnis Gläubiger/Insolvenzverwalter ein Versicherungsfall nach § 14 ARB 75 eingetreten ist. Gemäß § 14 Abs. 3 ARB gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Im hier maßgeblichen Fall "T" ist ein solcher neuer Versicherungsfall darin zu sehen, dass der Insolvenzverwalter bereits zu Beginn seiner Tätigkeit angekündigt hat, die geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht in die Insolvenztabelle aufnehmen zu wollen. Der Kläger macht geltend, dass der Insolvenzverwalter dadurch gegen seine ihm obliegenden Rechtspflichten verstoßen hat, da die Argumentation des Insolvenzverwalters fehl gehe und er einen Anspruch auf Aufnahme seiner Forderungen in die Insolvenztabelle habe. Wenn der Insolvenzverwalter somit angekündigt hat, unrechtmäßiger Weise die Forderung nicht aufzunehmen, stellt dies einen Rechtsverstoß dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt der Verstoß nicht erst im Falle der endgültigen Ablehnung vor, sondern es genügt schon das unrechtmäßige Verhalten im Vorfeld der abschließenden Entscheidung. Es ist dem Versicherungsnehmer nicht zuzumuten, die sich ankündigende Entscheidung abzuwarten. Er darf vielmehr darauf hinwirken, dass sie gar nicht erst ergeht. Andernfalls müsste er abwarten, bis die Anmeldung abgelehnt wird und dann gleich Klage erheben. Dies führt für ihn zu weiteren Verzögerungen und Prozessrisiken, die er billigerweise nicht hinnehmen muss. Er kann sich daher auch der Hilfe eines Rechtsanwaltes bedienen, damit dieser genau das macht, was die Prozessbevollmächtigten des Klägers hier auch letztlich tatsächlich gemacht haben. Aus diesem Grund hatte der Kläger bereits auf Grund der bloßen Ankündigung des Insolvenzverwalters, die Forderungen zurückzuweisen, einen Anspruch auf Gewährung von Rechtsschutz. Eine Obliegenheitsverletzung nach § 15 Abs. 1 d cc der ARB 75 liegt nicht vor.

    34
    Die Beauftragung des Rechtsanwalts für die Vertretung im Insolvenzverfahren ist auch nicht mutwillig i.S.d. § 1 ARB 75. Insofern gehen die von der Beklagten angestellten Vergleiche mit der Beurteilung der Mutwilligkeit im Prozesskostenhilfeverfahren fehl. Während im Prozesskostenhilfeverfahren Mutwilligkeit dann anzunehmen ist, wenn eine kostenempfindliche, wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Maßnahmen nicht ergreifen würde, ist für die Frage der Mutwilligkeit nach den ARB entscheidend, wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtsuchender, der aber auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten würde. Dass hier ein kostenunempfindlicher Gläubiger darauf verzichten würde, seine Ansprüche im Insolvenzverfahren auch durchsetzen zu lassen, nur weil die Quote möglicherweise nur 3 % beträgt, ist nicht nachvollziehbar.

    35
    Auch die Frage etwaiger Pflichtverletzungen des Anwaltes im Rahmen des Beratungsvertrages sind für das Rechtsverhältnis Versicherungsnehmer/Versicherer irrelevant, worauf noch im folgenden (II.) genauer eingegangen wird.

    36
    Die weitere Vertretung durch den Prozessbevollmächtigten im Insolvenzverfahren war geboten und löst statt der 3320-Gebühr des Vergütungsverzeichnisses des RVG die 1,0-Gebühr der Nummer 3317 des Vergütungsverzeichnisses aus. Die Gebühr für die vorangegangene Anmeldung zur Insolvenztabelle geht nach Ziffer 3320 des Vergütungsverzeichnisses in der Verfahrensgebühr auf, so dass insgesamt ein Anspruch auf eine 1,0-Gebühr besteht.

    37
    2.

    38
    Etwas Anderes gilt für den Komplex "H". Insoweit hat der Kläger deshalb keinen über die 3320-Gebühr hinausgehenden Anspruch, weil es hier an dem oben beschriebenen weiteren Versicherungsfall im Laufe des Insolvenzverfahrens fehlt. Im Insolvenzverfahren der "H" hat der Insolvenzverwalter im Gegensatz zum "T"-Fall nicht angekündigt, die Forderungen nicht zur Insolvenztabelle zu nehmen. Somit gilt das eingangs Gesagte, dass nämlich der ursprüngliche Versicherungsfall, der in den Pflichtverletzungen aus der Sphäre der H zu sehen ist, durch die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle zum Abschluss gekommen ist. Das bisherige Streitverhältnis Gläubiger/Schuldner ist erloschen und es ist ein neues Streitverhältnis Gläubiger/Insolvenzverwalter entstanden, in dem es jedoch zu keiner Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters gekommen ist. Es liegt folglich auch kein Versicherungsfall vor, der eine weitere anwaltliche Vertretung und somit Rechtsschutz erfordert hätte.

    39
    3.

    40
    Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Gebührenforderungen haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der Gebühr im Fall "T" zu Recht den Gegenstandswert in Höhe des Nennwertes der geltend gemachten Forderung angesetzt. Dies ergibt sich bereits unzweifelhaft aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1, Abs. 2 RVG, wonach sich der Gegenstandswert der 3317-Gebühr, die hier, wie oben geschildert, einschlägig ist, im Falle des Auftrages von einem Insolvenzgläubiger nach dem Nennwert der Forderung (§ 28 Abs. 2 RVG) richtet.

    41
    Aber auch hinsichtlich der 0,5-Gebühr der Ziffer 3320, die der Kläger geltend macht, ist als Gegenstandswert der Nennwert der Forderungen anzusetzen. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Wortlaut des § 28 RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis. Es geht um die 3320-Gebühr des Vergütungsverzeichnisses. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine völlig eigenständige Gebühr. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut des Gebührentatbestandes, dass die 3320-Gebühr lediglich eine reduzierte 3317-Gebühr ist. Die Formulierung des Gesetzes ist nach Auffassung der Kammer insoweit eindeutig. Es heißt in Ziffer 3320: "Die Verfahrensgebühr 3317 beträgt 0,5". Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine 3317-Gebühr handelt, da andernfalls die Bezugnahme auf diese Ziffer sinnlos und überflüssig wäre. Da § 28 Abs. 2 RVG bestimmt, dass sich der Gegenstandswert der 3317-Gebühr nach dem Nennwert der Forderung berechnet, gilt dies somit auch für die 3320-Gebühr. § 28 Abs. 3 RVG ist daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht anwendbar.

    42
    Ob dies im Einzelfall zu fraglichen Ergebnissen führen kann, ist ohne Belang. Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 2, Abs. 1 RVG unmissverständlich die Entscheidung getroffen, die 3317-Gebühr nach dem Gegenstandswert festsetzen zu lassen. Das ist maßgeblich. Für eine Gebührenfestsetzung contra legem ist kein Raum.

    43
    Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beklagten, es sei "völlig systemwidrig", dass der Streitwert im Falle einer Klage auf Aufnahme einer Forderung zur Insolvenztabelle nach dem wirtschaftlichen Interesse zu bemessen ist, während der Streitwert die Anmeldung zur Insolvenztabelle sich nach dem Nennwert richtet. In dem Zeitpunkt, in dem die Aufnahme der Forderung zur Insolvenztabelle abgelehnt wurde, steht im Wesentlichen fest, welche Forderungen Berücksichtigung finden sollen und welche Masse zu verteilen ist. Es ist zutreffend, dass es dann für den Gläubiger wirtschaftlich gesehen nur noch um die geringe Befriedigungsquote ging. Bei der Anmeldung der Forderung zur Tabelle ist das Verfahren jedoch noch im Anfangsstadium, es ist kaum absehbar, wie hoch die voraussichtlich die Masse und wie hoch die zur Insolvenztabelle zu nehmenden Forderungen der Gläubiger insgesamt sein werden. Es kann daher auch noch gar nicht abgeschätzt werden, wie hoch das Interesse des Gläubigers sein könnte. Dies mag eine Rechtfertigung für die gesetzliche Wertung sein, den Gegenstandswert in beiden Fällen unterschiedlich anzusetzen.

    44
    Nach alledem war auch hinsichtlich der 0,5-Gebühr des 3320/3317 der Nennwert der Forderung für den Gegenstandswert maßgeblich.

    45
    Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Gebühren im Zusammenhang mit dem Komplex "H" war die Klage hinsichtlich der Freistellungsanträge abzuweisen. Ebenfalls abzuweisen war die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen, da für den Freistellungsanspruch keine Rechtshängigkeitszinsen geltend gemacht werden können und nicht dargelegt ist, dass ein Zinsanspruch hinsichtlich der Ansprüche der Prozessbevollmächtigten gegen den Kläger besteht.

    46
    II.

    47
    Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist die Klage begründet. Die Beklagte hat Rechtsschutz für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gewährt. Deshalb sind auch die Ausführungen der Beklagten zu den Erfolgsaussichten der Klage ohne Bedeutung. Allein noch streitentscheidend ist hier vielmehr, ob die Beklagte den Rechtsschutz zu Recht auf die Erhebung der Klage im Rahmen einer Sammelklage eingeschränkt hat.

    48
    Der Kläger hat jedoch einen uneingeschränkten Anspruch auf Rechtsschutz und die von der Beklagten vorgenommene Einschränkung ist mit den Versicherungsbedingungen nicht vereinbar.

    49
    Maßgeblich für den Umfang des Versicherungsschutzes sind die zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen und ihre Auslegung. Eine Beschränkung auf eine Sammelklage darf der Versicherer nach Auffassung der Kammer nur dann vornehmen, wenn sich eine solche Berechtigung aus den Versicherungsbedingungen ergibt. Eine ausdrückliche entsprechende Regelung enthalten die ARB 75 nicht. Bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist darauf abzustellen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGHZ 123, 83 m.w.N.). Den §§ 1 und 2 der ARB lässt sich aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ein solches Recht der Versicherung nicht entnehmen. Grundsätzlich wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer den gewährten Versicherungsschutz so verstehen, dass er eine Klage erheben und dafür einen eigenen Rechtsanwalt beauftragen darf. Von der Möglichkeit, ihn zu einer gemeinsamen Geltendmachung mit anderen anzuhalten, ist bei der Beschreibung des Versicherungsschutzes keine Rede. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird auf den allgemeinen "Normalfall" abstellen, der eine Einzelvertretung und die Erhebung einer Einzelklage betrifft.

    50
    Nach Auffassung der Beklagten ergibt sich eine Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Erhebung einer Sammelklage aus der Obliegenheit des § 15 Abs. 1 d, cc ARB 75, wonach Maßnahmen, die Kosten auslösen, insbesondere die Erhebung von Klagen und Einlegung von Rechtsmitteln mit dem Versicherer abzustimmen sind und alles zu vermeiden ist, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte. Auch diese Klausel ist aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen. Dieser wird im Normalfall die Einzelklage, nicht aber zwingend eine Sammelklage kennen.

    51
    Jedenfalls wird er der Vorschrift des § 15 nicht entnehmen können, dass ihm vorgeschrieben werden kann, ob er alleine klagen oder sich anderen Klägern anschließen muss. Der Wortlaut der Klausel gibt für ein solches Recht des Versicherers nichts her und der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift ein solches Verweisungsrecht nicht entnehmen. Es versteht sich von selbst, dass der Kläger bei der Erhebung der Klage keine unnötigen und sinnlosen Kosten verursachen darf. Eine Verpflichtung zur Geltendmachung der Ansprüche im Rahmen eines umfangreichen Sammelprozesses erwartet der Versicherungsnehmer indes ‒ auch nach der Lektüre des § 15 ARB 75 ‒ nicht. Dies gilt um so mehr, als der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei der Erhebung einer Sammelklage die Sorge haben würde, dass seine Interessen nicht in gleichem Maße vertreten werden, wie im Falle einer Einzelklage. In § 15 Abs. 1 d, cc ARB 75 ist ausgeführt, dass kostenauslösende Maßnahmen, insbesondere die Erhebung von Klagen, einer Abstimmung bedürfen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird unter dieser Obliegenheit nur verstehen, dass er vor der Entscheidung, das Gericht überhaupt anzurufen, eine Abstimmung vornehmen muss. Er wird die Norm hingegen nicht dahingehend verstehen, dass er auch die Art der Klage abstimmen muss. Zwar muss er darlegen, dass die beabsichtigte Klage Erfolgsaussicht hat. Ein Recht auf Einschränkung des Rechtsschutzes auf das Institut der Sammelklage folgt aus den ARB aber nicht.

    52
    Das ergibt sich beispielsweise auch daraus, dass in den ARB der Verweis auf eine Teilklage in einer Extravorschrift (§ 15 Abs. 1 d, aa) geregelt ist. Wäre § 15 Abs. 1 d, cc ARB 75 in dem weiten Sinne der Beklagten auszulegen, bestünde kein Bedarf für eine Extraregelung im Hinblick auf eine Teilklage, da dann auch diese von Ziffer dd umfasst wäre. Das wird in der Rechtsprechung indes so nicht gesehen. Die Teilklage wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer jedoch wesentlich bekannter und in ihrer prozessualen Sinnhaftigkeit wesentlich nachvollziehbarer sein als eine Sammelklage. Wenn die ARB 75 für die näher liegende Teilklage schon eine eigenständige Regelung enthalten, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer die allgemeinere Klausel d, cc nicht so verstehen, dass sie ein Verweisungsrecht auf die ferner liegende Sammelklage ermöglicht. Dafür würde der Versicherungsnehmer erst recht eine eigenständige Regelung erwarten.

    53
    Der durchschnittliche Versicherungsnehmer darf bei Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages davon ausgehen, dass seine individuellen Interessen durch die Versicherung geschützt sind. Er darf daher davon ausgehen, dass er ‒ alleine ‒ einen Prozess führen darf. Will sich der Versicherer ein Verweisungsrecht auf eine Sammelklage vorbehalten, muss er dies in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich regeln.

    54
    Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die beabsichtigte Geltendmachung im Wege einer Einzelklage auch nicht mutwillig im Sinne des § 1 Abs. 1 ARB 75, so dass die Beklagte auch daraus kein Verweisungsrecht auf eine Sammelklage herleiten kann. Unabhängig davon, dass der Verweis auf die Mutwilligkeit schon nach § 158 n VVG ausgeschlossen sein dürfte, liegen die Voraussetzungen der Mutwilligkeit hier auch nicht vor. Wie oben bereits dargelegt, überzeugt der Vergleich mit der Prozesskostenhilfe nicht. Für die Mutwilligkeit nach den ARB ist allein entscheidend, wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtsuchender, der aber auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten würde. Es mag sein, dass eine kostenempfindliche Partei von der beabsichtigten Einzelklage auf Grund der geringen Erwartungen an die Realisierbarkeit der Forderung absehen würde. Eine nicht rechtsschutzversicherte Partei, die jegliche Kostenüberlegungen aber ausblenden könnte, würde von der Einzelklage indes nicht absehen, da er seiner Klage mehr Chancen einräumen würde, wenn er wüsste, dass in dem Verfahren allein seine persönlichen Interessen vertreten würden. Davon wird der normale Rechtssuchende ausgehen. Und da die Klage auch dann im Ergebnis lohnenswert sein dürfte, wenn nur wenige tausend Euro realisiert werden können, würde er auch nicht überhaupt ‒ wie von der Beklagten behauptet ‒ von der gerichtlichen Geltendmachung absehen. Selbst wenn sich nicht unmittelbar Geld realisieren lassen könnte, wäre die Erhebung der Klage angesichts des über viele Jahre vollstreckbaren Titels immer noch sinnvoll. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine nicht auf Kosten Rücksicht nehmende Partei auf diese Gewinnchance verzichten sollte, wenn ihr selbst kein wirtschaftlicher Schaden durch die Klageerhebung droht. Mutwilligkeit wäre hier nur dann gegeben, wenn der Erfolg die Lage des Klägers nicht nennenswert verbessern würde, auf einfacherem Weg erreicht werden könnte oder der Aufwand völlig außer Verhältnis zum Nutzen steht (vgl. Prölss-Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 ARB 75, Rdnr. 4). Lediglich die Finanzierung sinnloser und wirtschaftlich in hohem Maße unvernünftiger rechtlicher Maßnahmen Einzelner wird mit Rücksicht auf die Gefahrengemeinschaft der Versicherten ausgeschlossen sein. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo sich das Verhalten des Versicherungsnehmers mit dem einer vernünftigen, unversicherten, aber nicht auf Kostenüberlegungen angewiesenen Partei, nicht mehr in Einklang bringen lässt, vgl. OLG Hamm, VersR 1993, 310 (zwar zu § 15, in der Sache aber zu den Kriterien der Mutwilligkeit). Nach diesen Grundsätzen, die auch die Kammer zugrunde legt, kann hier indes von Mutwilligkeit keine Rede sein.

    55
    Dass die Erhebung einer Sammelklage erheblich niedrigere Anwaltskosten und Gerichtsgebühren auslösen würde, ist nicht von Relevanz. Entscheidend ist allein, ob die Versicherungsbedingungen eine Regelung vorsehen, die solche Überlegungen in der Berechtigung des Versicherers münden lassen, den Versicherungsnehmer auf eine Sammelklage zu verweisen. Das ist ‒wie aufgezeigt ‒ nicht der Fall.

    56
    Ebenfalls irrelevant sind die Ausführungen der Beklagten zu den Pflichten des Anwalts gegenüber seinem Mandanten. Es ist zwar zutreffend, dass der Anwalt die Partei über kostengünstigere Alternativen belehren muss. Aber auch, wenn er dies getan hat, steht es dem Mandanten natürlich frei, die kostspieligere Variante zu wählen. Wenn diese Entscheidung im vorliegenden Fall auf dem Umstand beruht, dass der Kläger rechtsschutzversichert ist, ist dies die rechtspolitische Folge der Existenz der Rechtsschutzversicherung. Ob der Anwalt seinen Beratungspflichten hinreichend nachgekommen ist ‒ was hier unbekannt ist ‒, spielt allein eine Rolle für das Verhältnis Mandant/Anwalt, nicht hingegen für das Verhältnis Versicherungsnehmer/Versicherer. Es mag auch sein - und es bestehen hier auch gewisse Anhaltspunkte dafür - dass das Vorgehen der Prozessbevollmächtigten des Klägers von eigenen pekuniären Interessen bestimmt ist. Dies führt aber nicht zu einer Beschneidung der Rechte des Versicherungsnehmers im Verhältnis zu seinem Versicherer, da hierfür allein die Versicherungsbedingungen maßgeblich sind. Bewegt sich der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner versicherungsrechtlichen Rechte, besteht für den Versicherer keine Möglichkeit, seine Leistungspflicht abzuwenden.

    57
    Nach alledem durfte die Beklagte den Kläger nicht auf die Erhebung einer Sammelklage verweisen.

    58
    Selbst wenn man den Verweis auf die Sammelklage für zulässig halten würde ‒ wie die Kammer auch zunächst erwogen hatte ‒ wäre der Feststellungsantrag im vorliegenden Fall begründet. Die Grenze für den Verweis auf die Sammelklage wäre nämlich bei einer unbilligen Benachteiligung des Versicherungsnehmers zu ziehen (§ 15 Abs. 1 d). Davon wäre hier auszugehen. Die Beklagte hätte nachweisen müssen, dass die von ihr geltend gemachten Fälle derart identisch sind, für den Versicherungsnehmer jede relevante Benachteiligung auszuschließen wäre. Dies ist der Beklagten mit den von ihr vorgelegten Klageentwürfen nicht gelungen. Diese sind zwar nahezu wortidentisch, aber letztlich in einigen ‒ wenn auch wenigen aber entscheidenden ‒ Punkten unterschiedlich. So beispielsweise in der Frage, wie und unter welchen ganz genauen Umständen es zu der Zeichnung der Anlagen gekommen ist. Auch hinsichtlich der Motive für die Zeichnung dürfte jeder Sachverhalt anders gelagert sein. Wenn ‒ was nicht auszuschließen ist ‒ auf die konkreten Umstände der Zeichnung abzustellen ist, könnte für jeden Fall eine Beweisaufnahme durchzuführen sein. Dann wäre die Sammelklage aber zum einen nach Auffassung der Kammer schon insgesamt ungeeignet, zum anderen läge dann jedenfalls eine unbillige Beeinträchtigung der Interessen des Versicherungsnehmers vor. Dieser dürfte dann nämlich befürchten, dass seine individuellen Interessen im Rahmen eines derartigen Massenverfahrens untergehen und eine sachgerechte Durchführung einer auf seinen Fall bezogenen Beweisaufnahme gefährdet ist. Aufgrund dieser unbilligen Beeinträchtigung der Rechte des Klägers wäre der Verweis auf die Sammelklage daher schon nicht mehr mit § 15 ARB 75 vereinbar. Eine Benachteiligung dürfte allenfalls in solchen Fällen fraglich sein, in denen es allein um ‒ gleich gelagerte ‒ Rechtsfragen geht. Das ist hier möglicherweise nicht der Fall. Dabei kommt es im Übrigen auch nicht allein auf die ursprünglichen Klageentwürfe an, sondern auf das, was letztlich im Laufe des Prozesses vorzutragen wäre. Daher ist auch zu berücksichtigen, welche Erkenntnisse sich aus den bereits ergangenen Urteilen des Landgerichts Göttingen ergeben haben.

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    Nach alledem war der Klage auch hinsichtlich des Feststellungsantrages stattzugeben.

    60
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.