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  • 27.07.2023 · IWW-Abrufnummer 236474

    Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 06.06.2023 – 6 U 12/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Brandenburg

    Urteil vom 06.06.2023


    In dem Rechtsstreit

    xxx

    hat das Brandenburgische Oberlandesgericht - 6. Zivilsenat - durch die Richterin am Oberlandesgericht xxx, die Richterin am Landgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht Dr. xxx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2023 für Recht erkannt:

    Tenor:

    Das Versäumnisurteil des Senats vom 17.05.2022 bleibt aufrechterhalten.

    Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur nach Maßgabe vorstehender Anordnungen fortgesetzt werden.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.
    Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage eines von ihr vorgelegten "Immobilien/-Hausverwaltervertrages" auf Zahlung vertraglicher Entgelte in Anspruch.

    Die Parteien sind aus der geschäftlichen Zusammenarbeit des Geschäftsführers der Klägerin und des am XX.XX.2019 verstorbenen ("Name01" "Nachname01") (im Folgenden nur: Erblasser) hervorgegangen. Beide errichteten die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand im Handelsregister mit "Handel mit und Entwicklung von Mobilität und E-Mobilität" beschrieben ist und deren Geschäftsanteile zu 40 % vom Erblasser und zu 60 % von der ("Firma01") GmbH gehalten werden, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer, Herr ("Name02" "Nachname02"), zugleich Geschäftsführer der Klägerin ist. Der Erblasser und Herr ("Nachname02") begründeten ferner sieben Grundstücksgesellschaften als Gesellschaften bürgerlichen Rechts, darunter die Beklagte, die Eigentümerin eines Grundstücks in ("Ort01") war.

    Später verschlechterte sich die geschäftliche Beziehung zwischen beiden. In mehreren im Jahr 2017 geführten Krisengesprächen sprach der Erblasser den Geschäftsführer der Klägerin auf ausstehende Darlehensforderungen und Gesellschaftereinlagen an.

    Am 24.08.2017 beantragte die Klägerin beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheides gegen die Beklagte über eine Hauptforderung in Höhe von 72.000 € (nebst Kosten und Zinsen) betreffend einen "Dienstleistungsvertrag gem. Rechnung vom 01.01.13 bis 31.12.16". Im Mahnantrag sind als gesetzlicher Vertreter der Beklagten der Erblasser als deren geschäftsführender Gesellschafter und als Anschrift der Beklagten und des Erblassers die Adresse ("Straße01") 7, ("PLZ01") ("Ort02") genannt. In dem unter dieser Anschrift gelegenen ehemaligen Bahnhofsgebäude sind die ("Firma01") GmbH und eine ("Firma02") UG geschäftsansässig, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls der Geschäftsführer der Klägerin ist; die Immobilie steht im Eigentum der Klägerin.

    Auf Grundlage des am 13.09.2017 erlassenen Mahnbescheides erging am 17.11.2017 antragsgemäß ein Vollstreckungsbescheid, der an die im Mahnantrag genannte Anschrift gesandt worden ist. In der diesbezüglichen Zustellungsurkunde ist als Zustellungsdatum der 20.10.2017 angegeben und weiter vermerkt, dass "die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich" gewesen und das Schriftstück deshalb "in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt" worden sei.

    Im Januar 2019 veräußerte die Beklagte, vertreten durch den Geschäftsführer der Klägerin als Mitgesellschafter des Erblassers das Grundstück der Beklagten in ("Ort01") ohne dessen Wissen zum Preis von 20.000 € an die Klägerin. Die Klägerin veräußerte das Grundstück im März 2019 für mindestens 220.000 € an einen Dritten weiter, zu dessen Gunsten am 08.05.2019 eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden ist. Ein im Hinblick hierauf Anfang Juli 2019 vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen eingeleitetes einstweiliges Verfügungsverfahren, mit dem der Erblasser die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch erstrebte, blieb erfolglos.

    Mit Schreiben vom 27.09.2019 erklärte der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber dem Erblasser die Kündigung der Beklagten.

    Mit Anwaltsschreiben vom 07.07.2020 benachrichtigte die Klägerin einen der Erben des zwischenzeitig verstorbenen Erblassers nach § 845 Abs. 1 ZPO, dass wegen der Forderungen aus dem Vollstreckungsbescheid vom 17.11.2017 und aus drei weiteren Vollstreckungsbescheiden eine näher bezeichnete Pfändung bevorstehe.
                  
    Die Erbengemeinschaft hat daraufhin mit am 14.07.2020 beim Mahngericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom gleichen Tag im Namen der Beklagten, im eigenen Namen und im eigenen Namen in Prozessstandschaft für die Beklagte Widerspruch gegen den Mahnbescheid vom 13.09.2017 und Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 17.11.2017 eingelegt sowie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, die Bestimmung einer Frist zur Begründung der Klage und - wie sich aus der Antragsbegründung ergibt, hilfsweise - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Widerspruchs- und der Einspruchsfrist beantragt.

    Sie hat behauptet, vor dem Zugang des Schriftsatzes vom 07.07.2020 hätten weder ihre Mitglieder noch der Erblasser Kenntnis von der Existenz der gegen die Beklagte erlassenen Vollstreckungsbescheide und der diesen zu Grunde liegenden Mahnbescheide gehabt. Unter der im Mahnantrag genannten Anschrift habe der Erblasser keine Wohnung, keinen Geschäftsraum und auch keinen Briefkasten unterhalten. Nach seinem Umzug aus ("Ort03") im Jahr 2016 habe der Erblasser seine Geschäfte ausschließlich von seiner im Haus ("Straße02") 60 in ("Ort04") gelegenen Wohnung bzw. von seinem im Nachbargebäude gelegenen Büro aus geführt. Auswärtige Termine habe er im hier in Rede stehenden Zeitraum nur noch in Begleitung einer Vertrauensperson wahrgenommen. Dies deshalb, weil er unter chronischer Bronchitis gelitten und im Dezember 2015 ein künstliches Herz implantiert erhalten gehabt habe, dessen Batterien jeweils nach wenigen Stunden zu wechseln gewesen seien. Dem Geschäftsführer der Klägerin seien sowohl die gesundheitlichen Einschränkungen des Erblassers als auch dessen Anschrift bekannt gewesen, weshalb die Klägerin mit ihm in diesem Zeitraum - unstreitig - ausschließlich über die Anschrift ("Straße02") 60, ("PLZ02") ("Ort04"), korrespondiert habe. In den Mahnanträgen habe der Geschäftsführer der Klägerin eine hiervon abweichende Anschrift angegeben, um sich, anscheinend angesichts der im Jahr 2017 in der Geschäftsbeziehung zum Erblasser eingetretenen Krise, die Vollstreckungsbescheide zu erschleichen.

    Auch die Beklagte, an der der Erblasser und der Geschäftsführer der Klägerin mit einem Geschäftsanteil von jeweils 50 % beteiligt gewesen seien, habe unter der im Mahnantrag angegebenen Adresse keinen Geschäftssitz unterhalten. Eines besonderen Geschäftssitzes habe es nicht bedurft, da die Gesellschaft ausschließlich das Grundstück in ("Ort01") als Vermögensgegenstand gehalten habe. Es habe - ebenso wie unstreitig bei den sechs übrigen Grundstücksgesellschaften bürgerlichen Rechts, - auch für die Beklagte kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag bestanden. Bei dem von der Klägerin bzw. ihrem Geschäftsführer - der unstreitig unter anderem wegen Urkundenfälschung vorbestraft ist - vorgelegten Gesellschaftsvertrag (Anlage G1, Blatt 156 ff. d.A.) handele es sich um eine Fälschung. Gleiches gelte für den der streitgegenständlichen Hauptforderung zu Grunde gelegten "Immobilien/-Hausverwaltervertrag" (Anlage W1, Blatt 164 f. d.A.). Der Erblasser habe die betreffenden Vertragsurkunden nicht unterzeichnet. Auch habe er der Klägerin keinen dem Verwaltervertrag entsprechenden Auftrag erteilt. Die Geschäfte der Beklagten seien allein vom Erblasser besorgt worden; die Klägerin habe - was ebenfalls unbestritten geblieben ist - keine Leistungen aufgrund des von ihr behaupteten Vertrages erbracht. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien davon abgesehen verjährt.

    Die Klägerin hat beantragt, den Widerspruch und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen und auch den Antrag auf Gewährung der Wiedereinsetzung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen. Sie hat gemeint, die Beklagte sei nicht mehr existent, nachdem im Mai 2019 das Grundstück in ("Ort01") als einziger Vermögensgegenstand der Beklagten unstreitig an die Klägerin aufgelassen worden sei. Zudem sei der Erblasser gemäß § 6 des als Anlage G1 vorgelegten Gesellschaftsvertrages jedenfalls mit seinem Tod aus der Gesellschaft ausgeschieden. Dessen Erben seien nicht berechtigt, den Rechtsstreit auf Passivseite aufzunehmen.

    Die streitgegenständliche Hauptforderung sei begründet. Die Klägerin habe im Dezember 2012 den als Anlage W1 vorgelegten Rahmenvertrag mit den vom Erblasser und dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn ("Nachname02"), gegründeten Grundstücksgesellschaften geschlossen, nach welchem ihr für jedes Objekt eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.500 € zustehe. Dass die sich hieraus ergebende Forderung mit dem im vorliegenden Verfahren erwirkten Vollstreckungsbescheid tituliert worden sei, sei dem Erblasser bekannt gewesen, von ihm aber nicht ernst genommen worden. Der Vollstreckungsbescheid sei auch wirksam zugestellt worden. Die Beklagte habe seit Anfang des Jahres 2017 unter der im Mahnantrag genannten Anschrift ihren Geschäftssitz und eine Briefkastenanlage unterhalten. Auch habe der Erblasser Zugang zu allen Briefkästen der Grundstücksgesellschaften gehabt. Wenn der Geschäftsführer der Klägerin unterwegs oder im Urlaub gewesen sei, habe sich der Erblasser um die Entleerung der Briefkästen aller BGB-Gesellschaften gekümmert und dabei auf den Eingang von Fristsachen geachtet. Der Erblasser sei unter der Anschrift ("Straße03") 26e, ("PLZ03") ("Ort04"), geschäftsansässig gewesen und habe von dort seine geschäftlichen Beteiligungen an den Grundstücksgesellschaften und an der Klägerin gesteuert. Diese Anschrift habe er zudem zur Verschleierung gegenüber Behörden verwendet, um für amtliche Bescheide und Zahlungsaufforderungen nicht erreichbar zu sein.

    Das Landgericht hat mit Beschluss vom 05.01.2021 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen für den Widerspruch gegen den Mahnbescheid und für den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurückgewiesen und mit Urteil vom selben Tag den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid auf Kosten der Erben als unzulässig verworfen. Es hat gemeint, der Wiedereinsetzungsantrag sei unzulässig, da die Erbengemeinschaft nicht in die Stellung eines Gesellschafters der Beklagten eingetreten und daher auch nicht zu deren Vertretung befugt sei. Ausgehend vom Vortrag der Erbengemeinschaft, wonach die Gesellschafter für die Beklagte keine von den gesetzlichen Regelungen abweichenden Vereinbarungen getroffen hätten, ergebe sich dies aus § 727 Abs. 1 BGB. Der nach dem Vorbringen der Klägerin geschlossene Gesellschaftsvertrag sehe zwar vor, dass die Gesellschaft nicht durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst werde und der überlebende Gesellschafter einem Erben die Fortsetzung der Gesellschafterstellung ermöglichen könne; eine derartige Erklärung habe der Geschäftsführer der Klägerin als überlebender Gesellschafter der Beklagten jedoch nicht abgegeben.

    Gegen den Beschluss und das Urteil hat die Erbengemeinschaft im Namen der Beklagten jeweils mit am 28.01.2021 beim hiesigen Gericht eingegangenen Schriftsätzen Berufung eingelegt, mit der sie der Sache nach die Abänderung der angefochtenen Entscheidungen gemäß ihren erstinstanzlichen Anträgen beantragt hat. Sie rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung und führt zur Begründung aus, das Landgericht habe verkannt, dass die Auflösung der Beklagten mit dem Tod des Erblassers nach § 727 Abs. 1 BGB nicht zur Vollbeendigung der Beklagten geführt habe, sondern diese bis zur Beendigung der Auseinandersetzung als Abwicklungsgesellschaft zwischen dem verbleibenden Gesellschafter und den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortbestehe und die Beklagte sowohl hinsichtlich der Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid und der Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung von Widerspruchs- und Einspruchsfrist als auch hinsichtlich des Streits um das Bestehen der Vertretungsmacht als parteifähig anzusehen sei. Die Auseinandersetzung der Beklagten sei bislang nicht beendet, weil das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer der Klägerin wegen der unberechtigten Veräußerung des Grundstücks zu klären bleibe. Zudem stelle bereits die Möglichkeit, im vorliegenden Rechtsstreit einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin zu erlangen, eine die Vollbeendigung der Beklagten hindernde ausreichende Vermögensposition dar.

    Entgegen der Auffassung des Landgerichts werde sie, die Beklagte, auch durch die Erbengemeinschaft wirksam vertreten. In der strukturierten Abwicklungsgesellschaft sei die Erbengemeinschaft geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Im Streitfall habe sie sogar die alleinige Geschäftsführungsbefugnis, da der einzig weitere Gesellschafter vorliegend als mittelbarer Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin von der Geschäftsführung der Beklagten ausgeschlossen sei. Der Ausschluss folge zum einen wegen seiner Doppeleigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin und Mitgesellschafter der Beklagten aus § 51 ZPO, ferner aus der sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen und rechtlichen Verflechtung sowie aus dem Grundsatz, wonach niemand Richter in eigener Angelegenheit sein dürfe. Darüber hinaus sei die Erbengemeinschaft unter dem Gesichtspunkt der Notgeschäftsführung analog § 744 Abs. 2 BGB zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung der Beklagten befugt, da der Geschäftsführer der Klägerin den hier in Rede stehenden Vollstreckungsbescheid erschlichen habe, aus diesem die Vollstreckung drohe und zu deren Abwendung die Einlegung des Einspruchs zwingend notwendig gewesen sei. Ferner begründe sich ein Notgeschäftsführungsrecht aus § 727 Abs. 2 Satz 1 BGB, da dem Erblasser bis zu seinem Tode die alleinige Geschäftsführung der Beklagten übertragen gewesen sei und die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid eine nicht aufschiebbare Gefahr für die Beklagte begründet habe. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagtenseite ihr erstinstanzliches Vorbringen.

    Die Klägerin hatte angekündigt zu beantragen, die Berufungen gegen den Beschluss und gegen das Urteil jeweils als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen. Zur Begründung hatte sie ausgeführt hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses fehle es bereits an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Rechtfertigung der Berufung. Davon abgesehen seien die Rechtsmittel aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet. Die Beklagte sei durch den Tod des Erblassers aufgelöst und zugleich beendet worden, da sich deren Gesellschaftsanteile damit in der Person des Mitgesellschafters, des Geschäftsführers der Klägerin, vereinigt hätten. Auf die zuvor vom Geschäftsführer der Klägerin erklärte Kündigung der Beklagten, die nur Druckmittel gewesen und zwischenzeitlich widerrufen worden sei, komme es nicht an. Ein Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 Abs. 2 BGB stehe der Erbengemeinschaft nicht zu, da mit dem Tod des Erblassers dessen Anteil dem verbliebenen Gesellschafter zugewachsen sei und weil das Notgeschäftsführungsrecht allenfalls das Recht zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft im eigenen Namen, nicht aber eine prozessuale Vertretungsmacht für die Gesellschaft begründe. Zudem ließen die Berufungen nicht erkennen, weshalb es der Erbengemeinschaft nicht möglich sei, eine Mitwirkung ihres Mitgesellschafters zur Abwendung der Gefahr für die Gesellschaft zu erreichen. Darüber hinaus sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowohl nach § 234 Abs. 1 ZPO als auch nach Abs. 3 der Vorschrift verfristet. Aufgrund des streitgegenständlichen Vollstreckungsbescheides sei das ehemalige Grundstück der Beklagten mit einer Sicherungshypothek belastet worden, was dem Erblasser aus dem beim Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen geführten einstweiligen Verfügungsverfahren bewusst gewesen sein müsse.

    Mit Beschluss vom 12.05.2021 hat der Senat die Verfahren, die hinsichtlich der Berufungen gegen den Beschluss und das Urteil vom 05.01.2021 unter den Az.: 6 U 12/21 und 6 U 13/21 bis dahin gesondert geführt worden waren, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Vollstreckungsbescheid vom 17.11.2017 einstweilen eingestellt.

    Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.05.2022 ist ein Versäumnisurteil ergangen, mit welchem auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Vollstreckungsbescheid vom 17.11.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen worden ist. Gegen das dem Klägervertreter am 20.05.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 30.05.2022 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.

    Die Klägerin beantragt,

    das Versäumnisurteil des Senats vom 17.05.2022 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

    Die Beklagtenseite beantragt,

    das Versäumnisurteil des Senats vom 17.05.2022 aufrechtzuerhalten, den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 17.11.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    II.
    Der zulässige, insbesondere nach §§ 338, 339, 340 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des Senats hat in der Sache keinen Erfolg.

    1.
    Die Berufungen gegen die landgerichtlichen Entscheidungen sind zulässig.

    a)Das hinsichtlich des Urteils eingelegte Rechtsmittel ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO als Berufung statthaft. Im Ergebnis gleiches gilt nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung für die Anfechtung der in Beschlussform erfolgten Entscheidung über die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

    Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung steht der Partei, wenn das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt hat, dagegen sowohl das Rechtsmittel zu, dass nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre (st. Rspr., s. etwa BGH, Beschluss vom 14.9.2022 - IV ZB 34/21, NJW 2022, 3436, Rn. 14).

    Die Entscheidung, durch die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil oder gegen ein dem Versäumnisurteil gleichstehenden Vollstreckungsbescheid (§ 700 Abs. 1 ZPO) versagt wird, muss nach § 238 Abs. 2 Satz 1, § 341 Abs. 2 ZPO durch Urteil ergehen; dies gilt auch dann, wenn sie isoliert vorab und nicht zusammen mit der Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung sowie ohne mündliche Verhandlung getroffen wird (BGH, Urteil vom 19.07.2007 - I ZR 136/05, NJW-RR 2008, 218, Rn. 13 ff.). Die im Streitfall erfolgte Verlautbarung der Entscheidung über die Versagung der Wiedereinsetzung in Beschlussform war mithin der Form nach unzutreffend, sodass die Entscheidung sowohl mit der sofortigen Beschwerde als dem grundsätzlich für die Anfechtung von Beschlüssen zulässigen Rechtsbehelf als auch mit der Berufung als dem gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 511 Abs. 1 ZPO für die geboten gewesene Entscheidungsform des Urteils statthaften Rechtsbehelf anfechtbar war.

    b)
    Die Berufungen sind form- und fristgerecht eingelegt und - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch hinsichtlich der Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO begründet worden.

    Wird die Berufung darauf gestützt, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 Var. 1, § 546 ZPO) beruht, sind in der Berufungsbegründung diejenigen Umstände zu bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Der Berufungsführer hat also - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleiten (s. etwa BGH, Beschluss vom 10.03.2015 - VI ZB 28/14, NJW 2015, 1458). Dem trägt die Berufungsbegründung hinsichtlich der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag Rechnung. Sie beanstandet eine fehlerhafte Rechtsanwendung dahingehend, dass die Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht durch den Tod des Erblassers beendet worden sei, sondern als Liquidationsgesellschaft unter Beteiligung der Erbengemeinschaft weiterbestehe, weshalb die Erbengemeinschaft zur Vertretung der Beklagten befugt sei.

    Soweit die Klägerin einen die Zulässigkeit des Rechtsmittels hindernden Begründungsmangel darin zu erkennen meint, dass es an der Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung fehle, übersieht sie, dass sich die Berufung lediglich gegen eine vermeintlich falsche Rechtsanwendung und nicht (auch) im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ZPO gegen die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wendet.

    c)
    Darauf, ob die Beklagte parteifähig ist und von der Erbengemeinschaft wirksam vertreten wird, kommt es für die Zulässigkeit der Berufungen nicht an.

    Zwar ist die rechtliche Existenz und damit die Parteifähigkeit jeder an einem Rechtsstreit beteiligten Partei eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens - auch in den Rechtsmittelinstanzen - von Amts wegen zu prüfen ist (§ 56 Abs. 1 ZPO) und ohne die ein Sachurteil nicht ergehen darf (BGH, Urteil vom 04.05.2004 - XI ZR 40/03, NJW 2004, 2523). Gleiches gilt für die ordnungsgemäße Vertretung der im Prozess selbst nicht handlungsfähigen Partei im Sinne von § 51 f. ZPO, die nicht nur Sachurteils-, sondern auch Prozesshandlungsvoraussetzung ist, sodass die von einer oder gegenüber einer nicht ordnungsgemäß vertretenen Partei vorgenommenen Prozesshandlungen unwirksam sind (BGH Versäumnisurteil vom 08.07.2022 - V ZR 202/21, NJW 2022, 3003 [BGH 02.06.2022 - I ZR 135/18], Rn. 5 m.w.N.).

    In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass eine Prozesspartei, deren Parteifähigkeit in Streit steht, zur gerichtlichen Klärung dieser Frage als parteifähig zu behandeln ist. Eine nicht existente oder aus anderen Gründen parteiunfähige Partei kann Rechtsmittel einlegen, um ihre Nichtexistenz oder anderweitig fehlende Parteifähigkeit geltend zu machen oder um zu rügen, dass ihre Parteifähigkeit vorinstanzlich zu Unrecht verneint worden ist (BGH, Beschluss vom 31.05.2010 - II ZB 9/09, BeckRS 2010, 16726, Rn. 9 m.w.N.). Ebenso wirkt sich der Mangel in der gesetzlichen Vertretung auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht aus; für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei als prozessfähig anzusehen (BGH, Urteil vom 05.07.2011 - II ZR 199/10, NZG 2011, 1140, Rn. 8 m.w.N.).

    Nach diesen Maßstäben ist die Beklagte, deren Existenz die Klägerin in Abrede stellt und deren wirksame Vertretung durch die Erbengemeinschaft das Landgericht verneint hat, hier als parteifähig und ordnungsgemäß vertreten zu behandeln.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet daher auch die Vertretung der Beklagten durch ihre Prozessbevollmächtigten (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) keinen durchgreifenden Bedenken. Denn entsprechend der nach dem Vorstehenden gegebenen Möglichkeit der potenziell prozessunfähigen Partei, den Streit um die Prozessfähigkeit durch Einlegung eines Rechtsmittels zu klären, kann sie auch bis zur abschließenden Klärung dieser Frage materiell-rechtlich wirksam Prozessvollmacht erteilen (BGH, Urteil vom 08.07.2021 - III ZR 344/20, NJW-RR 2021, 1648, Rn. 8).

    2.
    Die Berufungen der Beklagten sind begründet.

    a)
    Das Landgericht hat den von der Erbengemeinschaft im Namen der Beklagten eingelegten Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 17.11.2017 zu Unrecht verworfen. Der Einspruch ist zulässig.

    aa)
    Die Beklagte ist - nach wie vor - parteifähig. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie insbesondere nicht erloschen, sondern weiterhin existent.

    (1) Die Beklagte ist nicht dadurch erloschen, dass der Geschäftsführer der Klägerin das Grundstück der Beklagten in ("Ort01") in der ersten Hälfte des Jahres 2019 an die Klägerin veräußert und übereignet hat.

    Ausgehend von der vom Erblasser und dem Geschäftsführer der Klägerin geübten Praxis, Grundstücksgesellschaften bürgerlichen Rechts zu gründen, deren Gegenstand jeweils eine konkrete Immobilie war, kann zwar angenommen werden, dass der Geschäftszweck der Beklagten in der Verwaltung und Verwertung des Grundstücks in ("Ort01") bestand, sodass der Gesellschaftszweck der Beklagten mit der Veräußerung des Grundstücks erreicht worden ist bzw. nicht weiter gefördert werden konnte.

    Das Erreichen oder Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks führt bei der Außen-GbR aber regelmäßig nicht zur Vollbeendigung, sondern nach § 726 BGB zur Auflösung und zum Eintritt ins Abwicklungsstadium (von Proff zu Irnich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2023, § 726 BGB, Rn. 7). Bis zur vollständigen Durchführung der Abwicklung, also der Verteilung des gesamten Gesellschaftsvermögens, besteht die Gesellschaft somit fort. Eine Änderung ihrer Identität, ihrer Rechtsfähigkeit oder ihres Mitgliederbestands wird durch die Auflösung als solche nicht bewirkt (Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 730 BGB, Rn. 38 m.w.N.). Sie bleibt auch im Außenverhältnis bis zum Abschluss der Liquidation als rechtsfähiges Subjekt bestehen und ist nach § 50 ZPO weiterhin parteifähig (s. etwa Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 28.04.2008 - 3 W 59/07, BeckRS 2008, 9169).
                 
    Im Streitfall ist nicht festzustellen, dass die Liquidation der Beklagten bereits abgeschlossen ist. Insbesondere wird von Beklagtenseite das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs wegen der Veräußerung des Grundstücks gegen den Geschäftsführer der Klägerin geltend gemacht, dessen Bestehen und gegebenenfalls Umfang bislang nicht geklärt sind.

    (2) Die Beklagte ist ferner nicht durch die vom Geschäftsführer der Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2019 erklärte Kündigung erloschen.

    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 27.09.2019 gekündigt hat. Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung bestehen nicht.

    Das Kündigungsrecht des Geschäftsführers der Klägerin folgt aus § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dass die Gesellschafter eine das Kündigungsrecht nach § 723 Abs. 1 Sätze 2, 3 BGB einschränkende Zeitdauer bestimmt haben, ist nicht festzustellen. Zwar sieht die von der Klägerin als Anlage G1 vorgelegte Kopie der auf den 12.12.2012 datierten Vertragsurkunde unter § 4 Abs. 1 vor, die Gesellschaft werde für die Dauer von zehn Jahren errichtet und sei während dieser Zeit nur aus wichtigem Grund kündbar. Das Zustandekommen eines entsprechenden Gesellschaftsvertrages ist aber nicht festzustellen. Die Klägerin hat keinen Beweis für die von der Beklagtenseite bestrittene Unterzeichnung einer entsprechenden Urkunde durch den Erblasser angetreten. Die Voraussetzungen für eine auch von Amts wegen mögliche Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin nach § 448 ZPO liegen mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit für den behaupteten Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2020 - VIII ZR 230/19, NZM 2020, 1106, Rn. 35 m.w.N.) nicht vor. Vielmehr sprechen die Umstände des Streitfalls gegen den Abschluss dieses Vertrages. So ist unstreitig, dass der Geschäftsführer der Klägerin und der Erblasser für die sechs weiteren von ihnen errichteten Grundstücksgesellschaften bürgerlichen Rechts keinen (schriftlichen) Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Gründe dafür, im Fall der Beklagten anders zu verfahren, sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Geschäftsführer der Klägerin in dem wegen der Veräußerung des Grundstücks der Beklagten an die Klägerin vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen geführten einstweiligen Verfügungsverfahren an Eides statt versichert hat: "Ich habe gemeinsam mit dem vormaligen Miteigentümer ... [dem Erblasser] ... das Grundstück in Rechtsform einer GbR ersteigert ohne, dass wir einen GbR-Vertrag schriftlich abgefasst haben.... Da wir zum einen keinen schriftlichen GbR-Vertrag hatten, zum anderen mir eine umfangreiche - und nicht widerrufliche Vollmacht vom ... [Erblasser] erteilt wurde, ... habe ich die Möglichkeit ergriffen ... den Erwerb des Grundstücks an die von mir vertretene Gesellschaft (damals war der ... [Erblasser] auch noch Mitgesellschafter der GmbH) umzusetzen" (Anlage AG18, Blatt 333 f. d.A.). Dieser - diametral zum hiesigen Vortrag stehenden - Erklärung entspricht es im Übrigen, dass die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit nicht das Original der Urkunde des behaupteten GbR-Vertrages vorgelegt, sondern ausgeführt hat: "ein Original ist trotz intensiver Suche nicht vorliegend, muss beim Erblasser sein" (Schriftsatz vom 10.05.2022, Blatt 340 d.A.). Darauf, dass der Geschäftsführer der Klägerin unstreitig wegen Urkundenfälschung vorbestraft ist, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.
                  
    Die Wirksamkeit der Kündigung wird auch nicht durch den im Berufungsrechtszug gehaltenen Vortrag der Klägerin infrage gestellt, wonach ihr Geschäftsführer die "vermeintliche" Kündigung der GbR "nur als Druckmittel" ausgesprochen gehabt und zwischenzeitlich widerrufen habe. Dafür, dass die Kündigungserklärung vom Erblasser nach §§ 133, 157 BGB nicht als eine von einem entsprechenden Bewusstsein getragene Erklärung verstanden werden musste oder der Geschäftsführer der Klägerin die Kündigung im Sinne von § 118 BGB nicht ernst gemeint und nur in der Erwartung erklärt hat, der Mangel an Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichts ersichtlich. Vielmehr spricht das vom Geschäftsführer der Klägerin vermeintlich verfolgte Ziel, durch die Kündigungserklärung Druck auf den Erblasser auszuüben, dafür, dass dieser die Kündigungserklärung als solche verstehen und ernst nehmen sollte. Auch ist nichts dafür erkennbar, dass es infolge des zwischenzeitlichen Widerrufs der Kündigungserklärung zu einer Neubegründung der Gesellschaft gekommen ist. Dies gilt zumal deshalb, weil der Zweck der Beklagten, das Grundstück in ("Ort01") zu verwalten und zu verwerten, nach der Veräußerung dieses Grundstücks durch den Geschäftsführer der Klägerin nicht mehr erreichbar gewesen sein dürfte.

    Rechtsfolge der mithin als wirksam anzusehenden Kündigung ist aber nicht die Vollbeendigung der Beklagten, sondern wiederum lediglich die Umwandlung in eine Abwicklungsgesellschaft (Lübke, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2023, § 723 BGB, Rn. 46; Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 730 BGB, Rn. 1, jeweils m.w.N.).

    (3) Keine andere Rechtsfolge hat sich aus dem Versterben des Erblassers ergeben.

    Nach § 727 Abs. 1 BGB wird die Gesellschaft durch den Tod eines der Gesellschafter aufgelöst, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes ergibt. Wie anhand der Regelungen in § 727 Abs. 2 Satz 3 und § 730 Abs. 2 Satz 1 BGB erkennbar ist, bleibt die Gesellschaft auch in diesem Fall - ebenso wie in den Fällen des Erreichens oder Unmöglichwerdens des Zwecks nach § 726 BGB sowie der Kündigung nach § 743 Abs. 1 Satz 1 BGB - grundsätzlich als Abwicklungsgesellschaft bestehen (Schäfer, a.a.O., vor § 723, Rn. 5; § 730 Rn. 4, 38). In diese Abwicklungsgesellschaft tritt der Erbe des verstorbenen Gesellschafters bzw. die nach ihm stehende Erbengemeinschaft ein (BGH, Beschluss vom 20.05.1981 - V ZB 25/79, NJW 1982, 170; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 12.05.2021 - 11 U 249/20, BeckRS 2021, 24777).

    Dass der Erblasser und der Geschäftsführer der Klägerin eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung getroffen haben, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist aus den vorstehend dargelegten Erwägungen nicht festzustellen, dass der Erblasser den von der Klägerin vorgelegten Gesellschaftsvertrag unterzeichnet hat. Davon abgesehen sieht auch der behauptete Vertrag nicht vor, dass der Anteil des verstorbenen Gesellschafters dem Überlebenden ohne weiteres anwächst, sondern ist hierin unter § 6 Abs. 3 bestimmt, dass "der Erbteil des verstorbenen Gesellschafters ... von der Gesellschaft - durch Erklärung des verbleibenden Gesellschafters - gegen Abfindung eingezogen [wird]". Es ist nicht erkennbar, dass der Geschäftsführer der Klägerin als verbleibender Gesellschafter der Beklagten eine derartige Erklärung abgegeben hat.

    bb) Die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit durch die Erbengemeinschaft nach dem Erblasser ordnungsgemäß vertreten.

    Der Umfang der Vertretungsmacht der Gesellschafter bestimmt sich im Zweifel nach der Befugnis zur Geschäftsführung (statt vieler Schäfer, a.a.O., § 714 BGB, Rn. 24). Die Geschäftsführung steht in der Abwicklungsgesellschaft gemäß § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB, wenn nicht anderes vereinbart ist, nach der gesetzlichen Regel des § 709 Abs. 1 BGB allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu, auch wenn für die werbende Gesellschaft Einzelgeschäftsführung vereinbart war (Schäfer, a.a.O., § 730 BGB, Rn. 40 m.w.N.).

    Ausgehend von dem Vorstehenden, wonach sich die Beklagte von einer werbenden Gesellschaft in eine Abwicklungsgesellschaft umgewandelt hat und mit dem Tod des Erblassers an dessen Stelle die nach ihm bestehende Erbengemeinschaft in die Abwicklungsgesellschaft eingetreten ist, steht die Vertretung der Beklagten demnach grundsätzlich der Erbengemeinschaft und Herrn ("Name02" "Nachname02") gemeinsam zu. Diesem kommt allerdings im Hinblick darauf, dass er zugleich Geschäftsführer der Klägerin ist, eine Doppelstellung zu, die ihn im vorliegenden Rechtsstreit von der Vertretung der Beklagten ausschließt.

    Zwar findet das in § 181 BGB verankerte grundsätzliche Verbot des Insichgeschäfts auf Prozesshandlungen keine unmittelbare Anwendung (BGH, Urteil vom 30.01.1964 - VII ZR 5/63, NJW 1964, 1129). Es gilt aber der allgemeine Grundsatz, dass in einem streitig geführten Rechtsstreit keiner auf beiden Seiten als Partei bzw. Vertreter mehrerer oder aller Parteien stehen kann (Fröhler, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2021, § 181, Rn. 282). Es ist daher nicht zulässig, einen Rechtstreit mit sich selbst - und zwar auch als Vertreter eines anderen - zu führen (BGH, Versäumnisurteil vom 08.07.2022 - V ZR 202/21, NJW 2022, 3003 [BGH 02.06.2022 - I ZR 135/18] m.w.N.), also auch als Geschäftsführer einer GmbH gegen diese einen Prozess zu führen und sie dabei zu vertreten (Schäfer, in: BeckOK BGB, Stand: 01.05.2023, § 181 BGB, Rn. 16).

    Nach diesem Grundsatz kann der Geschäftsführer der Klägerin, der diese als deren einziger Geschäftsführer hier vertritt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), im vorliegenden Rechtsstreit nicht auch aufgrund seiner Gesellschafterstellung die Beklagte vertreten, sondern ist er hier von der Vertretung der Beklagten ausgeschlossen. Im vorliegenden Rechtsstreit wird die Beklagte daher von der keinem Vertretungsverbot unterliegenden Erbengemeinschaft allein vertreten (vgl. BGH Versäumnisurteil vom 08.07.2022 - V ZR 202/21, NJW 2022, 3003 [BGH 02.06.2022 - I ZR 135/18], Rn. 36).

    Auf die Frage, ob im Streitfall die Voraussetzungen eines Notgeschäftsführungsrechts analog § 744 Abs. 2 BGB oder der einstweiligen Fortsetzung der Geschäftsführung nach § 727 Abs. 2 Satz 1 BGB gegeben sind, kommt es daher nicht mehr an.

    cc) Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 17.11.2017 ist rechtzeitig erfolgt.

    Nach § 700 Abs. 1, §§ 338, 339 Abs. 1 ZPO ist der Einspruch, der der Partei gegen einen Vollstreckungsbescheid zusteht, innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen, die mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheide beginnt. Diese Frist ist im Streitfall bei Eingang des Einspruchs beim Mahngericht am 17.07.2020 noch nicht in Gang gesetzt gewesen, weil eine wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheids an die Beklagte nicht festgestellt werden kann.

    Die Zustellung an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat an den geschäftsführenden Gesellschafter zu erfolgen, sofern ein solcher bestellt ist, ansonsten kann grundsätzlich an jeden Gesellschafter zugestellt werden (vgl. Dörndorfer, in. BeckOK ZPO, Stand: 01.03.2023, § 170, Rn. 4).

    Ausgehend vom Vorbringen der Klägerin könnte es hieran bereits deshalb fehlen, weil § 8 Abs. 1 Satz 1 des von ihr vorgelegten Gesellschaftsvertrages bestimmt, dass ihrem Geschäftsführer auch die Geschäftsführung und Vertretung der Beklagten oblag, der Mahn- und der Vollstreckungsbescheid hingegen an den Erblasser als "geschäftsführenden Gesellschafter" gerichtet waren. Eine wirksame Zustellung ist allerdings auch dann nicht gegeben, wenn - das Vorbringen der Beklagten zugrunde gelegt -, von einer Geschäftsführung durch den Erblasser auszugehen wäre oder nach dem Vorstehenden angenommen wird, dass der Geschäftsführer der Klägerin aufgrund seiner Doppelrolle von einer organschaftlichen Vertretung der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit ausgeschlossen war und deshalb diesbezügliche Zustellungen nicht an ihn, sondern an den Erblasser zu richten waren. Denn auch dem Erblasser ist der Vollstreckungsbescheid nicht wirksam zugestellt worden.

    Eine persönliche Zustellung des Vollstreckungsbescheides durch Übergabe im Sinne von § 177 ZPO an den Erblasser ist unstreitig nicht erfolgt. Eine Zustellung nach § 178 ZPO wird von der Klägerin ebenfalls nicht behauptet.

    Die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nach § 180 ZPO sind im Streitfall nicht festzustellen. Nach der Vorschrift kann das zuzustellende Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar ist. Geschäftsraum in diesem Sinne ist jeder Raum in dem die gewerblichen, freiberuflichen oder amtlichen Geschäfte regelmäßig ausgeübt werden (vgl. Dörndorfer, a.a.O., § 178 ZPO, Rn. 12 m.w.N.).
                  
    Das unter der Anschrift ("Straße01") 7, ("PLZ01") ("Ort02"), ein Raum bestand, in dem der Erblasser regelmäßig Geschäfte ausgeübt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Beweis für ihre dahingehende Behauptung hat die hierfür nach den allgemeinen Grundsätzen für die Voraussetzungen einer wirksamen Zustellung des Vollstreckungsbescheides darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht angeboten. Insbesondere genügt hierfür die sich aus der Akte des Mahnverfahrens ergebende Zustellungsurkunde nicht. Die darin abgegebene Erklärung, das Schriftstück in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt zu haben, indiziert zwar, dass der Zustellungsbeamte vor Ort Umstände wahrgenommen hat, die ihn zu der Annahme geführt haben, dass der Briefkasten, in den er den verschlossenen Umschlag eingelegt hat, zu einem Geschäftsraum des Zustellungsadressaten gehörte. Dieses Indiz wird aber bereits dadurch erschüttert, dass der Geschäftsführer der Klägerin nach dem unbestritten gebliebenen und durch die als Anlagenkonvolut AG11 vorgelegten Schreiben (Blatt 107 ff. d.A.) unterlegten Vortrag mit dem Erblasser stets und ausschließlich über dessen Wohnanschrift in der ("Straße02") 60 in ("Ort04") korrespondierte. Ein nachvollziehbarer Grund dafür, in dem dem vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde liegenden Mahnverfahren die Adresse ("Straße01") 7, ("PLZ01") ("Ort02") als Zustellungsanschrift der Beklagten anzugeben, erschließt sich nicht. Dies gilt erst recht angesichts des weiteren Vorbringens der Klägerin, wonach der Erblasser seinen Geschäftssitz unter der Anschrift ("Straße03") 26e in ("Ort04") gehabt habe. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass die Klägerin selbst Eigentümerin der unter der Anschrift ("Straße01"), ("PLZ01") ("Ort02"), gelegenen Immobilie war, bleibt die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass diese Zustellungsanschrift benannt worden ist, um durch entsprechende Manipulationen den Eindruck des Bestehens eines Geschäftsraumes des Erblassers bzw. der Beklagten hervorzurufen und damit im Ergebnis den Anschein einer wirksamen Zustellung zu erzeugen.

    Eine Zustellung unter der im Mahnantrag genannten Anschrift wäre allerdings selbst bei unterstelltem Bestehen eines Geschäftsraumes des Erblassers nicht wirksam. Die Klägerin trägt vor, der Erblasser habe sich immer, wenn der Geschäftsführer der Klägerin unterwegs oder im Urlaub gewesen sei, um die Entleerung des Briefkastens aller BGB-Gesellschaften gekümmert und dabei auf "gelbe Umschläge mit Fristen" geachtet. Dieses Vorbringen ist nicht anders zu verstehen, als dass der betreffende Briefkasten jedenfalls auch dem Geschäftsführer der Klägerin, mithin dem Prozessgegner im hiesigen Rechtsstreit zugänglich war. Eine Ersatzzustellung an den Erblasser durch Einlegen in diesen gemeinsamen Briefkasten ist in entsprechender Anwendung des § 178 Abs. 2 ZPO allerdings unwirksam (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.11.2009 - 8 U 518/08, BeckRS 2009, 88513).
                  
    Eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO ist ebenfalls nicht festzustellen. Die Klägerin behauptet zwar, dem Erblasser sei der Vollstreckungsbescheid bekannt gewesen, bietet hierfür aber keinen Beweis an. Auch genügt es nicht, dass - wie die Klägerin weiter vorträgt - das ehemalige Grundstück der Beklagten in Garmisch-Patenkirchen auf der Grundlage des Vollstreckungsbescheides mit einer Sicherungshypothek belastet worden sei und dies dem Erblasser aus dem dort geführten einstweiligen Verfügungsverfahren bewusst gewesen sein müsse. Denn einer Heilung nach der Vorschrift setzt voraus, dass der Zustellungsadressat das Schriftstück in die Hand bekommen hat (BGH, Urteil vom 12.09.2019 - IX ZR 262/18, NZG 2020, 70); die bloße Kenntnis von dessen Existenz genügt nicht (BGH, Beschluss vom 12.03.2020 - I ZB 64/19, BeckRS 2020, 6358).

    b)
    Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 17.11.2017 ist auch begründet. Die geltend gemachte Vergütungsforderung steht der Klägerin aus keinem Rechtsgrund zu.

    Auf der Grundlage des behaupteten Vertrages kann die Klägerin eine Zahlung schon deshalb nicht beanspruchen, weil das Zustandekommen des Vertrages nicht festzustellen ist. Die Beklagte bestreitet, dass der als Anlage W1 vorgelegte Vertrag, wie die Klägerin behauptet, von dem Erblasser geschlossen worden sei. Beweis für ihre Behauptung hat die Klägerin nicht angetreten.

    Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereicherung sind bereits deshalb nicht gegeben, weil nicht festzustellen ist, dass die Klägerin zu Gunsten der Beklagten Leistungen der in dem als Anlage W1 vorgelegten Vertrag beschriebenen Art zu Gunsten der Beklagten erbracht hat. Vielmehr ist sie dem Einwand der Beklagten, wonach die Beklagte keinerlei derartige Leistungen erbracht habe, nicht entgegengetreten.

    c)
    Begründet ist die Berufung schließlich auch hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Da die Einspruchsfrist nach dem Vorstehenden nicht versäumt worden ist, ist die innerprozessuale Bedingung, unter der der Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden ist, nicht eingetreten, sodass dieser Antrag nicht zur Entscheidung angefallen ist.

    3.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 und 3 ZPO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

    Es verbleibt bei der Streitwertfestsetzung aus dem Versäumnisurteil vom 17.05.2022.

    RechtsgebietErsatzzustellungVorschriften§ 180 ZPO