22.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133302
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 26.09.2013 – IX ZB 247/11
Vermögen, das der Schuldner nach der Verfahrenseröffnung aus pfändungsfreiem Arbeitseinkommen angespart und auf ein Konto eines Kreditinstituts eingezahlt hat, unterliegt dem Insolvenzbeschlag.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 26. September 2013
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 19. August 2011 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 13. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Der Schuldner trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.044,57 € festgesetzt.
Der Antrag des weiteren Beteiligten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
1
Auf Eigenantrag des Schuldners wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts am 11. Dezember 2006 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner errichtete am 25. April 2008 neben seinem Gehaltskonto ein weiteres Konto bei einem Kreditinstitut und zahlte hierauf einen Betrag von 1.000 € ein, den er aus seinen monatlichen pfändungsfreien Lohneinkünften angespart hatte. Weitere Einzahlungen dieser Art folgten am 2. Juli 2008 und am 7. Oktober 2008 über jeweils 500 €, sowie am 1. Januar 2009 über 44,57 €. Mit Beschluss vom 14. April 2009 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt und der weitere Beteiligte zum Treuhänder bestellt.
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Nachdem der Schuldner dem weiteren Beteiligten mitgeteilt hatte, er habe im laufenden Insolvenzverfahrens 2.044,57 € angespart, hat der weitere Beteiligte beantragt, die Nachtragsverteilung anzuordnen. Das Insolvenzgericht hat dem Antrag entsprochen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben und den Antrag des weiteren Beteiligten auf Durchf ührung der Nachtragsverteilung abgelehnt. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 204 Abs. 2, §§ 6, 7 aF InsO, Art. 103 f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie Erfolg und führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Insolvenzgerichts.
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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Sparrücklagen des Schuldners fielen nicht in die Insolvenzmasse. Sie seien weiterhin als unpfändbares Arbeitseinkommen anzusehen. Ein Insolvenzbeschlag komme nur in Betracht, wenn der Schuldner das unpfändbare Einkommen in pfändbare Gegenstände investiere. Der bloße Umstand, dass er Geld beiseitegelegt habe, könne ohne weitere Anhaltspunkte auch nicht dahin verstanden werden, dass er damit auf den Pfändungsschutz verzichte und sein unpfändbares Arbeitseinkommen der Insolvenzmasse zur Verfügung stelle.
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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Sparrücklagen des Schuldners unterliegen dem Insolvenzbeschlag. Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist hierüber die Nachtragsverteilung durchzuführen.
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a) Gemä ß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO wird die Nachtragsverteilung auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen angeordnet, wenn Gegenstände der Masse nachträglich ermittelt werden. Hierbei kann es sich um Gegenstände handeln, deren Existenz dem Verwalter unbekannt geblieben ist, etwa, weil, wie vorliegend gegeben, er hierüber nicht unterrichtet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - IX ZB 229/06, WM 2008, 305 Rn. 6). Handelt es sich bei dem Gegenstand um ein Sparkonto des Schuldners, so gehören hierzu nach § 35 Abs. 1 InsO das Sparbuch selbst und der darin verbriefte Rückzahlungsanspruch sowie die während des Insolvenzverfahrens angefallenen Zinsen (Wagner in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, § 203 Rn. 8).
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b) Nicht in die Insolvenzmasse gehören gemäß § 36 Abs. 1 InsO hingegen die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 21; Beschluss vom 10. November 2011 - IX ZA 99/11, WM 2011, 2376 Rn. 4). Eine Unpfändbarkeit der hier in Rede stehenden Sparrücklagen ist nicht gegeben. Unpfändbar war für den maßgeblichen Zeitraum von Dezember 2006 bis April 2009 lediglich das monatliche Einkommen im Rahmen des § 850c ZPO. Selbst nach dem hier noch nicht anwendbaren § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO wird Guthaben, über das der Schuldner in dem jeweiligen Kalendermonat nicht in Höhe des nach § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO pfändungsfreien Betrag verfügt hat, lediglich in den folgenden Kalendermonat übertragen. Arbeitseinkommen anzusparen und dem Gläubigerzugriff zeitlich unbegrenzt vorzuenthalten, ist dagegen rechtlich nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - VII ZB 64/10, BGHZ 191, 270 Rn. 15).
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Im Übrigen ist anerkannt, dass zum nach Verfahrenseröffnung begründeten Neuerwerb nicht nur das pfändbare Arbeitseinkommen des Schuldners aus selbständiger oder nichtselbständiger Erwerbstätigkeit gehört, sondern auch der Erwerb eines Gegenstandes mit insolvenzfreien Mitteln oder der Erlös bei Verkauf einer unpfändbaren Sache (vgl. HK-InsO/Eickmann, 6. Aufl., § 35 Rn. 36; Uhlenbruck/Hirte, InsO 13. Aufl., § 35 Rn. 115, § 36 Rn. 51a; MünchKomm-InsO/Peters, 3. Aufl., § 35 Rn 45 f). Gleiches gilt für das aus dem unpfändbaren Bestand des Arbeitseinkommens angesparte Vermögen, das hier zudem auf ein neues Konto eingezahlt wurde und damit eine eigenständige Forderung gegen das Kreditinstitut begründete. Der Senat ist daher auch bisher davon ausgegangen, dass Vermögen, das aus angesparten pfändungsfreien Beträgen gebildet wird, nach § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InsO in die Masse fällt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - IX ZB 170/11, WM 2013, 1030 Rn. 19).
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3. Danach ist die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei der Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
III.
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Der Antrag des weiteren Beteiligten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
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1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den weiteren Beteiligten als Partei kraft Amtes scheitert bereits an der Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Zwar besteht Masseunzulänglichkeit, so dass die Kosten der geplanten Rechtsverfolgung nicht gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - IX ZB 62/12, ZVI 2013, 32 Rn. 9 f). Den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Gläubigern ist es jedoch zuzumuten, die Vorschüsse auf die Prozesskosten aufzubringen.
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2. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1090; vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 2). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9; vom 13. September 2012, aaO).
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3. Hieran gemessen ist den Gläubigerinnen Nr. 2 und Nr. 4 der Tabelle Anlage 6, die zusammen einen Anteil von etwa 95 v.H. der festgestellten Forderungen haben, die Aufbringung der Verfahrenskosten, die entgegen der Darstellung in der Antragsschrift nicht etwa 1.250 €, sondern bei einem Gegenstandswert von 2.044,57 € für den Verfahrensbevollmächtigten gemäß den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes 215,39 € (und im Unterliegensfall für Gerichtskosten 100 €, mithin zusammen 315,59 €) ausmachen, zumutbar. Der Umstand, dass die Gläubigerin Nr. 2 nicht bereit ist, sich an den Verfahrenskosten zu beteiligen, ist unbeachtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2012, aaO Rn. 6 mwN).
Kayser
Gehrlein
Vill
Fischer
Grupp