20.07.2015 · IWW-Abrufnummer 178233
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 20.05.2015 – VII ZB 50/14
Zur Pfändung eines Anspruchs eines Hafenlotsen auf Zahlung anteiligen Lotsgeldes.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier, Dr. Kartzke, Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Sacher
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 24. September 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter) zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben, § 21 GKG .
Gegenstandswert: 200.000 €
Gründe
I.
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Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde.
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Der Schuldner ist Hafenlotse der Hafengruppe B. und gemäß §§ 1, 5 BremLotsO (Lotsenordnung für das Hafenlotsenwesen in Bremerhaven vom 28. November 1979, Brem. GBl. S. 431) als solcher Mitglied der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Drittschuldnerin. Die Hafenlotsen üben ihre Tätigkeit gemäß § 23 BremLotsO als freien, nicht gewerblichen Beruf aus. Der Drittschuldnerin obliegt die Selbstverwaltung des Hafenlotsenwesens. In diesem Rahmen verwaltet sie gemäß § 35 Nr. 6 BremLotsO die Lotsgelder, die die ihr angehörenden Hafenlotsen aufgrund der jeweils geschlossenen Verträge zwischen ihnen und den Reedern der zu lotsenden Schiffe beanspruchen können und die gemäß § 43 BremLotsO von dem zuständigen Hafenamt oder einem beauftragten Dritten eingezogen werden. Die eingezogenen Lotsgelder werden auf ein von der Drittschuldnerin geführtes Lotsgeldverteilungskonto geleitet und von ihr nach Maßgabe der von den Mitgliedern beschlossenen Lotsgeldverteilungsordnung - nach Abzug näher bestimmter Kosten - regelmäßig zu gleichen Teilen an die Hafenlotsen ausgezahlt. Die Auszahlungen erfolgen monatlich in Form einer vom jeweiligen Kassenbestand abhängigen Abschlagszahlung; ein zum Ablauf des Kalenderjahres etwa vorhandener Überschuss wird gleichmäßig auf alle Mitglieder aufgeteilt.
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Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht einen Beschluss erlassen, mit dem wegen eines Teilbetrages in Höhe von 200.000 € der titulierten Hauptforderung unter anderem die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens sowie auf Vergütungen aus Werk- und Dienstleistungsverträgen gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind. Die von der Drittschuldnerin eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen richtet sich die von dem Einzelrichter zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Drittschuldnerin ihr Begehren weiterverfolgt.
II.
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Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 , Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat.
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2. Die Entscheidung des Einzelrichters unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG . Der Einzelrichter durfte über die Zulassung nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der Kammer übertragen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02 , BGHZ 154, 200, 202 ; vom 10. April 2003 - VII ZB 17/02 ,BauR 2003, 1252, 1253; vom 11. September 2003 - XII ZB 188/02 , NJW 2003, 3712; vom 24. Juli 2008 - VII ZB 2/08, [...] Rn. 7; vom 5. Mai 2011 - VII ZB 15/11, [...] Rn. 5; vom 24. November 2011 - VII ZB 33/11 , NJW-RR 2012, 441 Rn. 6 ff.; vom 12. Januar 2012 - VII ZB 25/11, [...] Rn. 4).
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3. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter, der den angefochtenen Beschluss erlassen hat.
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4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) aa) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei schon deshalb aufzuheben, weil nicht die zutreffenden Verfahrensvorschriften angewandt worden seien. Hier komme nur eine Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte in Betracht. Dem einzelnen Hafenlotsen stehe an der Geldforderung aller Hafenlotsen gegen die Drittschuldnerin eine Bruchteils-Mitberechtigung in Höhe des jeweils zur Verteilung anstehenden Betrages zu. In dieses Vermögensrecht sei nach Maßgabe des § 857 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken, wobei Drittschuldner auch die übrigen Hafenlotsen als weitere Mitberechtigte seien.
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bb) Diese Rechtsansicht überzeugt nicht. Die Pfändung und Überweisung einer angeblichen Forderung darf nur dann abgelehnt werden, wenn sie dem Schuldner gegenüber dem bezeichneten Drittschuldner nach keiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2012 - VII ZB 31/12 , WM 2012, 2247 Rn. 7 f. und vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 38/07 , NJW-RR 2008, 733 Rn. 10). Diese Voraussetzungen dürften vorliegend nicht erfüllt sein.
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(1) Die Gläubigerin hat die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens sowie auf Vergütungen aus Werk- und Dienstleistungsverträgen gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Dies beinhaltet die hier in Rede stehenden Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf monatliche Zahlung der auf ihn entfallenden anteiligen Lotsgelder sowie auf Zahlung eines etwaigen Überschusses zum Ablauf des Kalenderjahres.
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(2) Dem Schuldner können solche Ansprüche gegen die Drittschuldnerin auf der Grundlage der Regelung des § 35 Nr. 6 BremLotsO in Verbindung mit der betreffenden Lotsgeldverteilungsordnung B. zustehen.
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Nach der Ausgestaltung der Selbstverwaltung des Hafenlotsenwesens handelt es sich dabei um Ansprüche des einzelnen Hafenlotsen gegen die die Lotsgelder verwaltende Drittschuldnerin als eigenständige juristische Person. Die Hafenlotsen bilden entgegen der Auffassung der Beschwerde keine Bruchteilsgemeinschaft hinsichtlich der die Lotsgelder betreffenden Anspr üche mit der Folge, dass eine Anteilspfändung gemäß § 857 Abs. 1 ZPO erforderlich wäre. Sie sind vielmehr in der Weise organisiert, dass sie als Mitglieder der Drittschuldnerin angehören, bei der es sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts um eine juristische Person handelt. Aufgabe der Drittschuldnerin ist unter anderem die Verwaltung der von den Hafenlotsen insgesamt erwirtschafteten Lotsgelder. Diese Aufgabe ist nach § 35 Nr. 6 BremLotsO in Verbindung mit der Lotsgeldverteilungsordnung B. derart geregelt, dass die Drittschuldnerin verpflichtet ist, ein Lotsgeldverteilungskonto zu führen und nach Abzug der festgelegten Kosten von den eingehenden Lotsgeldern anteilige monatliche Zahlungen als Abschläge an ihre jeweiligen Mitglieder vorzunehmen und nach Ablauf des Kalenderjahres etwaige Überschüsse auszukehren. Mit dieser Verpflichtung der Drittschuldnerin korrespondiert das Bestehen entsprechender Zahlungsansprüche der einzelnen Mitglieder gegen sie. Daraus folgt weiter, dass sich diese Zahlungsansprüche ausschließlich gegen die Drittschuldnerin richten und deren - im Bestand wechselnde - Mitglieder insoweit nicht als weitere Drittschuldner einzubeziehen sind.
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(3) Die danach in Betracht kommenden gesonderten Zahlungsansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin, die auf den ihm zustehenden Anteil an dem gemeinsam erwirtschafteten Gewinn gerichtet sind, können zum Gegenstand eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß §§ 829 , 835 ZPO gemacht werden. Sie gehören ausschließlich zu dessen Vermögen. Eine Einschränkung der Pfändbarkeit ergibt sich auch nicht aus § 851 ZPO . Das Beschwerdegericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass diese Ansprüche übertragbar sind.
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b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zu beanstanden, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO in Bezug nimmt. Denn die von dem Beschluss erfassten Forderungen sind als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO einzuordnen. Der Umstand, dass der Hafenlotse seine Tätigkeit als freien Beruf ausübt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei den erwirtschafteten Lotsgeldern, die von der Drittschuldnerin nach Maßgabe der Regelung des § 35 Nr. 6 BremLotsO in Verbindung mit der Lotsgeldverteilungsordnung jeden Monat anteilig an ihre Mitglieder ausgezahlt werden, um Vergütungen handelt, die die Existenzgrundlage der Mitglieder bilden, weil sie deren Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1985 - IX ZR 9/85 , BGHZ 96, 324, 326 ff. m.w.N.). Dies führt zur Anwendbarkeit des § 850c ZPO . Dem Schuldner bleibt die Möglichkeit, durch einen Antrag nach § 850f ZPO gegebenenfalls eine höhere Pfändungsfreigrenze zu erreichen. Ein solcher Antrag ist hier nicht gestellt worden.
Eick
Halfmeier
Kartzke
Jurgeleit
Sacher