07.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225123
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 21.07.2021 – VII ZB 34/20
Zum Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juli 2021 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 6. Oktober 2020 sowie der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Regensburg vom 24. Juni 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.
Gründe
I.
1
Der Gläubiger begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids gegen die Schuldnerin als Rechtsnachfolgerin des Titelschuldners. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 hat der Gläubiger beim Amtsgericht Regensburg - Vollstreckungsgericht - (im Folgenden: Amtsgericht - Vollstreckungsgericht -) den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg - Zentrales Mahngericht - vom 29. Juni 2009 in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom 1. März 2017 beantragt.
2
Diese Rechtsnachfolgeklausel, beruhend auf Erbfolge auf Schuldnerseite, ist bei Erteilung mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen und von dem Rechtspfleger unterschrieben worden; nachträglich ist auf dieser Rechtsnachfolgeklausel außerdem händisch ein weiteres Siegel angebracht worden.
3
Mit vom 10. Dezember 2019 datierender Verfügung ist der Gläubiger vom Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf verschiedene Hindernisse, die dem Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen, hingewiesen worden. Insbesondere heißt es in dieser Verfügung wie folgt:
4
Nach Korrektur verschiedener Punkte hat der Gläubiger am 10. März 2020 erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 29. Juni 2009 in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom 1. März 2017 beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt.
5
Hierzu ist der Gläubiger vom Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit vom 19. März 2020 datierender Verfügung insbesondere auf Folgendes hingewiesen worden:
6
Der Gläubiger hat sodann das Amtsgericht Coburg um Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel ersucht. Mit Schreiben vom 27. April 2020 ist der Gläubiger vom Amtsgericht Coburg darauf hingewiesen worden, dass dem Antrag auf Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel nicht entsprochen werden könne, da für einen derartigen Antrag keine Rechtsgrundlage existiere. Die erteilte qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Es erscheine bereits fraglich, ob § 703b Abs. 1 ZPO auf die am 1. März 2017 erteilte Rechtsnachfolgeklausel - gegebenenfalls analog - Anwendung finde, so dass es der Anbringung eines Prägesiegels möglicherweise schon deshalb nicht bedürfe. Spätestens mit der Anbringung des Prägesiegels dürften nun allerdings die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.
7
Am 23. April 2020 hat der Gläubiger erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 29. Juni 2009 in Verbindung mit der am 1. März 2017 erteilten RechtsnachfolgeklauseI beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt.
8
Mit Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - vom 24. Juni 2020 ist der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in vollem Umfang zurückgewiesen worden.
9
Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 6. Oktober 2020 zurückgewiesen.
10
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Gläubiger weiterhin den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
II.
11
Die Rechtsmittel des Gläubigers führen zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht.
12
1. Das Beschwerdegericht hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - ausgeführt, der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei zu Recht durch Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - vom 24. Juni 2020 zurückgewiesen worden. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 14. Dezember 2016 - V ZB 88/16) sei das maschinell erstellte Siegel auf die Rechtsnachfolgeklausel des Amtsgerichts Coburg vom 1. März 2017 nicht anwendbar. Eine direkte Anwendung des § 703b ZPO auf die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel vom 1. März 2017 scheide im vorliegenden Fall aus. Diese Rechtsnachfolgeklausel sei nicht maschinell erteilt worden. Aufgrund der eindeutigen Formulierung und der Unterschrift handele es sich um eine Klausel gemäß § 725 ZPO, welche gerade nicht maschinell erstellt worden sei. Auch eine analoge Anwendung des § 703b ZPO scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. Bei Erteilung der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel habe der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts Coburg explizit nicht die maschinelle Bearbeitung gewählt. Die qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei unterschrieben und ursprünglich mit einem maschinell erzeugten Siegel versehen worden.
13
Das Beschwerdegericht gehe nicht von einer grundsätzlichen Unheilbarkeit der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel vom 1. März 2017 aus. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - habe zu Recht den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund der vorliegenden qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel des Amtsgerichts Coburg vom 1. März 2017, welche ursprünglich mit einem maschinellen Siegel versehen gewesen sei und worauf ein Prägesiegel links davon angebracht worden sei, abgelehnt.
14
Dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - sei beizupflichten, dass in keiner Weise ersichtlich sei, wann das Prägesiegel auf der qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel angebracht worden sei und vor allem von wem. Im vorliegenden Fall sei aufgrund des Verfahrensgangs für das Beschwerdegericht aufgrund der Aktenlage und der eingereichten Vollstreckungsunterlagen in Kombination mit der Aktenlage ersichtlich, dass das Prägesiegel offensichtlich im Jahr 2020, das heißt drei Jahre nach Erteilung der ursprünglichen qualifizierten Rechtsnachfolgeklausel, angebracht worden sei. Jedoch sei nicht ersichtlich, von wem und wann es genau angebracht worden sei. Eine derartige qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel könne nicht als Grundlage zur Zwangsvollstreckung dienen.
15
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
16
Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Erlass des vom Gläubiger beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht abgelehnt werden.
17
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht geprüft, ob eine Rechtsnachfolgeklausel vorliegt. Es unterliegt der Nachprüfung seitens des Vollstreckungsorgans, ob eine Vollstreckungsklausel erteilt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 - VII ZB 22/16 Rn. 15, NJW-RR 2017, 510).
18
b) Der rechtlichen Nachprüfung hält die Begründung des Beschwerdegerichts indes nicht stand, mit der es die Rechtsnachfolgeklausel für nicht wirksam erteilt erachtet hat.
19
Nach § 703b Abs. 1 ZPO werden im Mahnverfahren bei maschineller Bearbeitung Beschlüsse, Verfügungen, Ausfertigungen und Vollstreckungsklauseln mit dem Gerichtssiegel versehen; einer Unterschrift bedarf es nicht. Diese Vorschrift enthält Sonderregelungen für die maschinelle Bearbeitung. Maschinelle Bearbeitung bedeutet grundsätzlich die Bearbeitung durch automatische Datenverarbeitungsanlagen (vgl. BT-Drucks. 7/2729, S. 96, 104). Ausreichend kann sein, wenn eine teilweise maschinelle Bearbeitung stattfindet (vgl. Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 703b Rn. 1; vgl. ferner Prütting/Gehrlein/Sommer, ZPO, 13. Aufl., § 703b Rn. 2). Durch Gesetz vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I 2012 S. 2418), das insoweit am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist (Art. 21 Satz 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012), sind in § 703b Abs. 1 ZPO die Vollstreckungsklauseln aufgenommen worden, um derartige Klauseln, soweit Vollstreckungsbescheide ihrer bedürfen (vgl. § 796 Abs. 1 ZPO), im maschinellen Verfahren zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 17/10490, S. 31 in Verbindung mit BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4; Wieczorek/Schütze/Olzen, ZPO, 4. Aufl., § 703b Rn. 2). Danach wird im Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei Rechtsnachfolgeklauseln auf eine Unterschrift verzichtet (vgl. Musielak/Voit/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 703b Rn. 2).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genügt die Rechtsnachfolgeklausel vom 1. März 2017 den Anforderungen des § 703b Abs. 1 ZPO. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil die Klausel nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, das einen teilweise automatisierten, für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 703b Abs. 1 ZPO genügenden Verfahrensablauf bei dem Mahngericht belegt. Der Umstand, dass die Prüfung des Eintritts der Rechtsnachfolge selbst nicht maschinell erfolgt (vgl. BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4), steht der Anwendung von § 703b Abs. 1 ZPO nicht entgegen (vgl. BT-Drucks. 17/10490, S. 31 in Verbindung mit BR-Drucks. 308/12 (B), S. 4). Entsprechendes gilt für die Unterschrift, mit der der Rechtspfleger im Streitfall die Rechtsnachfolgeklausel versehen hat; es handelt sich bei dieser Unterschrift um einen für Zwecke des § 703b Abs. 1 ZPO unschädlichen, nicht notwendigen Zusatz. Für die nachträgliche Anbringung des händisch angebrachten weiteren Siegels gilt Entsprechendes.
21
3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts nicht bestehen bleiben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da diese nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist.
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Der Senat macht entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch, zugleich auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, das über den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden haben wird.
Pamp
Kartzke
Jurgeleit
Graßnack
Brenneisen