15.07.2011
BGH: Beschluss vom 19.05.2011 – IX ZB 94/09
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die Richterin Möhring
am 19. Mai 2011 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 17. März 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
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Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 6, 7, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert. Die Rechtsbeschwerdebegründung deckt einen solchen Zulässigkeitsgrund nicht auf.
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1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass eine Bezugnahme auf einen Bericht des Insolvenzverwalters sowohl zur Darstellung des Versagungsgrundes wie auch zu seiner Glaubhaftmachung genügt (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - IX ZB 73/08, ZInsO 2009, 395 Rn. 6). Auch die indirekte Bezugnahme auf den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft (Anlage des Schlussberichts des Insolvenzverwalters) genügt den Anforderungen. Durch diese zulässige Bezugnahme haben die Gläubiger den Versagungsgrund konkret dargelegt und darüber hinaus glaubhaft gemacht.
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In ständiger Rechtsprechung entscheidet der Senat darüber hinaus, dass sich die Glaubhaftmachung auf eine schlüssige Darstellung des Sachverhalts beschränken kann, sofern der Schuldner diesen nicht bestreitet (BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139, 142 f). Damit stehen die angefochtenen Entscheidungen im Einklang. Der Schuldner hat selbst in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht in Abrede gestellt, in den Jahren 2003 bis 2005 der Barkasse der Zahnarztpraxis, die er auf Kosten der Masse fortgeführt hat, erhebliche Beträge ohne Zustimmung und Information des Insolvenzverwalters entnommen zu haben.
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2. Dadurch hat der Schuldner gegen seine sich aus § 97 InsO ergebenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verstoßen, § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Der Senat hat bereits entschieden, dass Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt, in vollem Umfang, ohne einen Abzug für beruflich bedingte Ausgaben, zur Insolvenzmasse gehören. Der Schuldner kann nur gemäß § 850i ZPO beantragen, dass ihm von seinen durch Vergütungsansprüche gegen Dritte erzielten Einkünften ein pfandfreier Betrag belassen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2003 - IX ZB 388/02, WM 2003, 980, 983 f; Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 169/04, ZVI 2007, 78 Rn. 3). Danach war dem Schuldner keinesfalls erlaubt, sich den pfandfreien Anteil, den er für Unterhaltsleistungen benötigte, ohne einen Beschluss nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850i ZPO zu erwirken und ohne Absprache mit dem Insolvenzverwalter aus der Kasse zu entnehmen. Entsprechendes gilt für die von ihm behaupteten Entnahmen zur Finanzierung der Arztpraxis. Soweit der Schuldner in den Instanzen und auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorträgt, das Bargeld aus Sicherheitsgründen abends entnommen zu haben, hat das Landgericht mit Recht seinen Vortrag in Wahrnehmung seiner tatrichterlicher Verantwortung als unsubstantiiert zurückgewiesen.
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3. Ebenso wenig greifen Zulässigkeitsgründe gegen die Feststellung des Beschwerdegerichts ein, der Schuldner habe insoweit zumindest grob fahrlässig gehandelt. Die Anforderungen an die Annahme grober Fahrlässigkeit im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97; Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258, 259). Der Senat könnte die Einschätzung des Beschwerdegerichts, die Schuldnerin habe "zumindest grob fahrlässig" gehandelt, in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüfen, ob das Beschwerdegericht den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt und bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Das Beschwerdegericht geht ausdrücklich von demjenigen Begriff der groben Fahrlässigkeit aus, den die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt hat. Bei der Anwendung dieses Begriffes auf den Streitfall hat es keine wesentlichen Umstände außer Acht gelassen. Es hat insbesondere berücksichtigt, dass der Schuldner die Privatentnahmen ordnungsgemäß in den Kassenbüchern vermerkt hat und ihm der Insolvenzverwalter keine Anweisungen darüber gegeben hat, wie die Kassenbücher zu führen sind. Auch die weiteren für die Entnahmen angeführten Gründe hat das Beschwerdegericht ersichtlich zur Kenntnis genommen, jedoch als den Schuldner nicht entlastend gewertet. Darin liegt kein Gehörsverstoß.
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4. Soweit die Rechtsbeschwerde die verfahrensmäßige Handhabung der Sache zwischen Eingang der privatschriftlichen Beschwerde und dem Erlass der Beschwerdeentscheidung als gehörswidrig beanstandet, zeigt sie keine ursächlichen Verfassungsverstoß auf. Entsprechendes gilt, soweit er rügt, in seinen Rechten auf ein faires Verfahren verletzt zu sein. Jedenfalls beruht auf diesen Verstößen die angefochtene Entscheidung nicht. Auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz stellt der Beschwerdeführer nach zwischenzeitlicher Akteneinsicht den Sachverhalt, auf den das Beschwerdegericht die Versagung gestützt hat, nicht in Frage. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring