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  • · Fachbeitrag · Pfändungsgrenzen

    Berechnung der Pfändungsgrenzen bei ausländischen gesetzlichen Renten

    Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens sind auf Antrag ausländische gesetzliche Renten mit inländischen gesetzlichen Renten zusammenzurechnen (BGH 18.9.14, IX ZB 68/13, Abruf-Nr. 172423).

     

    Sachverhalt

    Die Schuldnerin bezog von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und eine hohe Witwenrente. Weiter bezog sie von einer Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Wien eine monatliche Pension.

     

    Im eröffneten Insolvenzverfahren der Schuldnerin hat der Treuhänder beantragt, die beiden Renten und die Pension zusammenzurechnen und den pfändbaren Betrag der Deutschen Rentenversicherung Bund zu entnehmen. Der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts hat dem Antrag entsprochen. Im Rahmen des durchgeführten Rechtsbeschwerdeverfahrens stellt der BGH fest, dass die getroffene Anordnung zulässig ist.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist im Verbraucherinsolvenzverfahren ergangen und lässt sich auch auf die Einzelvollstreckung übertragen. Der BGH begründet seine Entscheidung u.a. mit dem sog. Universalitätsprinzip.

     

    Hiernach gilt gemäß § 35 Abs. 1 InsO, dass das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen erfasst, das einem Schuldner zurzeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Dazu gehört auch Auslandsvermögen. Deswegen fällt - neben der deutschen Alters- und Witwenrente (§ 54 SGB I) - auch die österreichische gesetzliche Altersrente (Pension) als Neuerwerb in die Insolvenzmasse, soweit diese Renten nicht nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO, § 850c ZPO unpfändbar sind.

     

    Der BGH erklärt hierbei die Zusammenrechnungsregelung nach § 850e ZPO für analog anwendbar, da der Gesetzgeber das Zusammentreffen von inländischen und ausländischen Rentenansprüchen eines Schuldners im Rahmen dieser Vorschrift nicht bedacht hat. § 850e ZPO ist aber Grundlage für die konkrete Berechnung des pfändbaren Betrags nach § 850c und § 850d ZPO. Könnte eine Addition nicht erfolgen, würden die Gläubiger benachteiligt, weil ihre Vollstreckungsaussichten geschmälert würden, zumal zu den Eigentumsrechten i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG auch schuldrechtliche Forderungen gehören.

     

    Der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz erstreckt sich insbesondere auf das Befriedigungsrecht des Gläubigers. Der Staat, der selbst das Zwangsvollstreckungsmonopol ausübt, darf den betroffenen Gläubigern das Einkommen bestimmter Schuldnerkreise nicht generell als Haftungsgrundlage entziehen.

     

    Wichtig | Eine Zusammenrechnung muss stets erfolgen, wenn die ausländische Rente im Grundsatz pfändbar ist. Denn sowohl § 850e Nr. 2a ZPO als auch § 54 Abs. 4 SGB I schließen es aus, Ansprüche auf Arbeitseinkommen mit Sozialleistungen oder Ansprüche auf verschiedene Sozialleistungen untereinander zusammenzurechnen, soweit diese der Pfändung nicht unterworfen sind (BGH VE 05, 170). Dies ist für die österreichische Pension aber gerade nicht der Fall. Denn nach österreichischem Recht regelt die sog. Exekutionsordnung (EO), inwieweit Pensionsansprüche pfändbar sind (§ 98a ASVG). Nach Art. 290a Abs. 1 Nr. 4 EO sind Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung nach Art. 291a EO pfändbar. Danach schützt die EO das Existenzminimum durch einen unpfändbaren Freibetrag. Die Zusammenrechnung der österreichischen mit den deutschen Renten erlaubt hingegen Art. 292 EO.

     

    Ein vom Gläubiger beantragter und vom Gericht erlassener Zusammenrechnungsbeschluss wirkt nur für den jeweils antragstellenden Gläubiger. Die Gläubiger, die keine Zusammenrechnung beantragt haben, können daher nur auf den von ihnen konkret gepfändeten Lohn(-anteil) zugreifen. Dies gilt auch für vorrangige Gläubiger (BAG, NJW 1997, 479).

     

    Deshalb kann die Zusammenrechnung mehrerer Einkommen gerade für nachrangig pfändende Gläubiger vorteilhaft sein. Zwar kann der rangschlechtere Gläubiger das bessere Pfandrecht des vorrangigen Gläubigers nicht zerstören. Der nachrangige Gläubiger kann aber seine Rangposition dadurch verbessern, dass er noch auf den erhöhten Betrag zugreifen kann, der sich durch eine Zusammenrechnung ergibt und der von der Pfändung des vorrangigen Gläubigers gerade nicht betroffen ist. Führen mehrere Pfändungspfandgläubiger durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts eine zusätzliche Pfändbarkeit herbei, ist der zusätzlich pfändbare Betrag von dem Zeitpunkt an, in dem der Beschluss dem Drittschuldner zugestellt wird (§ 850g S. 3 ZPO) unter den Pfändungspfandgläubigern, die den Beschluss erwirkt haben, an den Gläubiger mit dem besten Rang auszukehren (BAG MDR 85, 82).

     

    Der Antrag auf Zusammenrechnung verschiedener Einkommensarten kann zugleich mit der Pfändung erfolgen. Dann sind mehrere Drittschuldner im Pfändungsantrag zu benennen.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Rahmen des Bezugs eines Einkommens des Schuldners bei einem ausländischen Drittschuldner ist jedoch zu beachten, dass regelmäßig diese(r) Drittschuldner die Pfändung nach deutschem Recht nicht anerkennen und daher auch eine Addition in der Regel nicht beachten werden. Hier sollte eine nachträgliche Zusammenrechnung erfolgen.

     

    Zugleich sollte auch stets eine Kontopfändung mit beantragt werden. Grund: Erkennt der ausländische Drittschuldner die Pfändung nicht an, wird dennoch regelmäßig davon auszugehen sein, dass er - der Drittschuldner - die Zahlungen auf ein deutsches Konto des Schuldners vornimmt. Hier wird nur die Forderung geschützt, aber nicht die vom Gläubiger eingenommenen Zahlungen (BGH 18.9.14, IX ZB 68/13).

     

     

    Checkliste / Pfändung und gleichzeitiger Antrag auf Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte

    Schritt 1

    Auf Seite 1 des Formulars ist folgendes anzukreuzen:

     

    Es wird beantragt, den nachfolgenden Entwurf als Beschluss auf  Pfändung  und  Überweisung zu erlassen

     Zugleich wird beantragt, die Zustellung zu vermitteln ( mit der Aufforderung nach § 840 der Zivilprozessordnung - ZPO) alternativ:  Die Zustellung wird selbst veranlasst.

     

    Es wird gemäß dem nachfolgenden Entwurf des Beschlusses Antrag gestellt auf (alternativ)

     Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen (§ 850e Nummer 2 ZPO)

     Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen (§ 850e Nummer 2a ZPO)

     

    Schritt 2

    Auf Seite 2 des Formulars ist folgendes anzukreuzen:

     Pfändung  und  Überweisungsbeschluss in der Zwangsvollstreckungssache

     

    Schritt 3

    Auf Seite 3 bzw. 5 des Formulars sind unter der Rubrik „Drittschuldner” der/die Arbeitgeber bzw.

    Agentur für Arbeit bzw. (mehrere) Versicherungsträger einzutragen. Hierbei ist dem jeweiligen Drittschuldner unbedingt ein Anspruch zuzuordnen

     

    Schritt 4

    Auf Seite 4 bzw. 5 des Formulars ist unter der Rubrik „Forderung aus Anspruch” anzukreuzen

     A (an Arbeitgeber) oder/und

     B (an Agentur für Arbeit bzw. Versicherungsträger)

     

    Schritt 5  

    Auf Seite 4 bzw. 5 des Formulars ist unter „Anspruch A (an Arbeitgeber)“ einzutragen:

    unter 3.: Herausgabe der Lohnabrechnungen, nach Wahl der Drittschuldnerin auch Faxkopien hiervon (BGH 9.12.12, VII ZB 50/11, VE 13, 59)

     

    Schritt 6

    Auf Seite 7 bzw. 8 des Formulars ist alternativ:

     

    a) der erste Kasten auszufüllen

     

    Es wird angeordnet, dass zur Berechnung des nach § 850c ZPO pfändbaren Teils des Gesamteinkommens zusammenzurechnen sind:

     

     Arbeitseinkommen bei Drittschuldner (genaue Bezeichnung)

    und

     Arbeitseinkommen bei Drittschuldner (genaue Bezeichnung)

    Der unpfändbare Grundbetrag ist in erster Linie den Einkünften des Schuldners bei Drittschuldner (genaue Bezeichnung) zu entnehmen, weil dieses Einkommen die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet.

     

    b) der zweite Kasten auszufüllen

     

    Es wird angeordnet, dass zur Berechnung des nach § 850c ZPO pfändbaren Teils des Gesamteinkommens zusammenzurechnen sind:

     

     laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch von Drittschuldner (genaue Bezeichnung der Leistungsart und des Drittschuldners)

    und

     Arbeitseinkommen bei Drittschuldner (genaue Bezeichnung)

    Schritt 7

    Auf Seite 8 bzw. 9 des Formulars ist unter der Rubrik „Es wird angeordnet, dass” bei den bereits dort vorhandenen fünf Aufzählungen ein Kreuz zu setzen beim ersten Kästchen und die dort vorgegebene Formulierung wie folgt zu ergänzen:

     

    „der Schuldner außer den laufenden Lohn- Gehaltsabrechnungen auch (BGH VE 07, 41) die Lohn- oder Gehaltsabrechnungen oder die Verdienstbescheinigungen einschließlich der entsprechenden Bescheinigung der letzten drei Monate vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger herauszugeben hat“

     

    Schritt 8

    Auf Seite 9 bzw. 10 ist im Freikasten - vor der Unterschrift des Rechtspflegers - ein Kreuz zu setzen und einzutragen: Nicht amtlicher Hinweis: Es wird angeordnet, dass bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens nach § 850e Nr. 1 S. 1 ZPO die sog. Nettomethode anzuwenden ist. Die der Pfändung entzogenen Bezüge sind mit ihrem Bruttobetrag vom Gesamteinkommen abzuziehen. Ein erneuter Abzug der auf diesen Bruttobetrag entfallenden Steuern und Abgaben erfolgt nicht (BAG 17.4.13, 10 AZR 59/12, VE 13, 153).

     

     

    Der Zusammenrechnungsantrag kann auch noch nachträglich formlos gestellt werden. Im letzteren Fall kann der Gläubiger beantragen, dass das weitere Einkommen mit dem zuvor gepfändeten Einkommen addiert wird. Die Pfändung des Haupteinkommens sowie der Antrag auf Addition genügen daher.

     

    Eine zusätzliche Pfändung ist somit nicht zwingend erforderlich, aber zu empfehlen. Denn sonst kann ein anderer Gläubiger im Rahmen der Pfändung auf die Einkünfte zugreifen und damit die Grundlage einer Addition vereiteln.

     

    Der Gläubiger muss lediglich die erforderlichen Angaben, z.B. ungefähre Höhe des Einkommens, genaue Drittschuldnerangabe sowie die Zahl unterhaltsberechtigter Personen belegen (Behr, JurBüro 96, 234). Bei fehlenden Angaben ist der Antrag abzulehnen. Dem Schuldner ist vor der Anordnung einer nachträglichen Zusammenrechnung rechtliches Gehör zu gewähren .

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 203 | ID 43041127