· Simultanvollstreckung
Gleichzeitige Vollstreckung aus Titel gegen mehrere Schuldner

von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, Berlin
| Will der Gläubiger gegen mehrere Schuldner gleichzeitig vollstrecken, steht er ggf. vor dem Problem, dass örtlich und/oder sachlich verschiedene Vollstreckungsorgane zuständig sind, denen er die vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels nicht gleichzeitig vorlegen kann. Diesem Problem kann der Gläubiger aber bereits frühzeitig begegnen bzw. es noch nachträglich lösen. Der folgende Beitrag zeigt, was der Gläubiger beachten muss, welche Kosten dabei entstehen und, ob diese erstattungsfähig sind. |
1. Frühzeitig den richtigen Antrag stellen
Oft wird in der Klageschrift bereits ein allgemeiner Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des späteren Urteils gestellt. Dieser wird dann auch im Kostenfestsetzungsverfahren für den KFB gestellt. Der Antrag selbst ist erforderlich, da eine vollstreckbare Ausfertigung nur auf Antrag erteilt wird (Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl., § 724 Rn. 8). Bereits hier kann der Kläger bzw. spätere Gläubiger aber frühzeitig mit einem bestimmten Antrag die Voraussetzungen für die später gleichzeitige Vollstreckung schaffen (Bussmann, VE 05, 52).
Beachten Sie | Die Möglichkeit, Anträge in einem Zivilprozessverfahren bedingt zu stellen, ist allgemein unter der Voraussetzung anerkannt, dass die Antragstellung nicht von dem Eintritt eines außer-, sondern eines innerprozessualen Ereignisses abhängt (BAGE 158, 214; BGHZ 132, 390).
a) Schuldner sind Teilschuldner
Sind mehrere Schuldner zur jeweiligen Teilleistung verpflichtet, können dem Gläubiger auf seinen Antrag hin so viele vollstreckbare Ausfertigungen erteilt werden, wie Schuldner vorhanden sind (Prütting/Gehrlein/Hanewinkel, ZPO, 16. Aufl., § 724 Rn. 8). Aber Achtung: Es müssen mehrere Ausfertigungen mit Teilklausel beantragt werden, die den jeweiligen Schuldner wegen allein seiner gegen ihn gerichteten Forderung zugunsten des Gläubigers ausweist.
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Drei Beklagte sollen verurteilt werden, an den Kläger je 10.000 EUR zu zahlen. Der Kläger möchte die insgesamt 30.000 EUR später gleichzeitig vollstrecken.
Lösung Er muss daher die Erteilung dreier vollstreckbarer Ausfertigungen mit entsprechender Teilklausel beantragen. |
Musterformulierung / Antrag auf Erteilung einer Teilklausel |
Für den Fall des Erlasses des beantragten [Urteils/Kostenfestsetzungsbeschlusses] wird schon jetzt die Erteilung von [Anzahl] Ausfertigungen mit jeweils Teilklausel wegen der den/die jeweilige/n Beklagte/n nach dem [Urteil/Kostenfestsetzungsbeschluss] obliegenden Verpflichtung beantragt. |
Beachten Sie | Es handelt sich dabei nicht um „weitere Ausfertigungen“ i. S. v. § 733 ZPO, weil im Fall von Teilschuldnern aus einem Titel mehrere Schuldner unterschiedliche Leistungen schulden (KK-Vollstreckung/Hake, 8. Aufl., § 733 ZPO, Rn. 1; Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl., § 733 Rn. 2). Eine „weitere Ausfertigung“ setzt dagegen voraus, dass im Hinblick auf ein und denselben Vollstreckungsanspruch oder eines betragsmäßigen Teils hiervon zur gleichen Zeit mehr als eine vollstreckbare Ausfertigung in Umlauf kommt (Prütting/Gehrlein/Hanewinkel, ZPO, 16. Aufl., § 733 Rn. 2).
b) Schuldner sind Gesamtschuldner
Sind mehrere Schuldner Gesamtschuldner und damit jeweils zur Leistung der gesamten Forderung verpflichtet (vgl. VE 15, 16), ist streitig, ob dem Gläubiger auf Antrag mehrere oder nur eine einzige vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden kann (h. M.: nur eine vollstreckbare Ausfertigung, z. B. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 45. Aufl., § 724 Rn. 11; Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl., § 724 Rn. 12). Gegen die h. M. der Erteilung nur einer gemeinsamen vollstreckbaren Ausfertigung wird argumentiert, dass es sich prozessual um mehrere Ansprüche des Gläubigers handele. Dieser stünde somit schlechter da, als wenn er gegen jeden Schuldner selbstständig geklagt hätte (Prütting/Gehrlein/Hanewinkel, a. a. O., § 733 Rn. 4; MüKo/Wolfsteiner, ZPO, 6. Aufl., § 724 Rn. 25). Denn in diesem Fall würde ihm unstreitig eine vollstreckbare Ausfertigung gegen jeden der Gesamtschuldner zustehen.
Allerdings ist es (auch nach der h. M.) zulässig, dem Gläubiger mit einem einzigen Vollstreckungstitel gegen Gesamtschuldner auf dessen Antrag „weitere Ausfertigungen“ nach § 733 ZPO zu erteilen. Dafür muss der Gläubiger allerdings ein Rechtsschutzinteresse an der selbstständigen Vollstreckung gegen die einzelnen Schuldner an verschiedenen Orten (OLG Koblenz NJW-RR 13, 1019; LG Leipzig JurBüro 04, 559; OLG Koblenz JurBüro 87, 1228) oder durch mehrere Vollstreckungsorgane (OLG Koblenz NJW-RR 13, 1019; OLG Karlsruhe InVo 00, 353) dem Gericht bzw. Notar gegenüber darlegen. Einer Glaubhaftmachung bedarf es dabei nicht (LG Leipzig, a. a. O.; OLG Karlsruhe, a. a. O.).
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Drei Beklagte sollen gesamtschuldnerisch verurteilt werden, an den Kläger 10.000 EUR zu zahlen. Der Kläger möchte die 10.000 EUR später gegen alle drei Beklagten gleichzeitig vollstrecken.
Lösung Er muss daher die Erteilung zweier „weiterer“ vollstreckbarer Ausfertigungen i. S. v. § 733 ZPO mit Klausel gegen zwei der drei Beklagten beantragen und darlegen, dass er gegen jeden einzelnen Schuldner an verschiedenen Orten selbstständig oder durch mehrere Vollstreckungsorgane vorgehen möchte. |
Musterformulierung / Antrag auf Erteilung einer Teilklausel |
Für den Fall des Erlasses des beantragten [Urteils/Kostenfestsetzungsbeschlusses] wird bereits jetzt die Erteilung von [Anzahl] weiteren Ausfertigungen mit jeweiliger Klausel betreffend den/die Beklagte/n zu Ziff. [Nummer/n] beantragt. Die Zwangsvollstreckung soll gegen sämtliche Beklagte gleichzeitig erfolgen, für die verschiedene Vollstreckungsorgane zuständig sind. Es sind daher die gleichzeitige Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels und somit die Erteilung von [Anzahl] weiteren vollstreckbaren Ausfertigungen notwendig. |
Beachten Sie | Im Verfahren nach § 733 ZPO vor dem Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RPflG) ist trotz seines Ermessens der Schuldner vor Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung(en) anzuhören. Nur im Ausnahmefall kann bei besonderer Eilbedürftigkeit, die dann vom Gläubiger aber dargelegt werden muss, von der Anhörung abgesehen werden (OLG Koblenz JurBüro 87, 1228; Zöller/Seibel, a. a. O., § 733 Rn. 11; Prütting/Gehrlein/Hanewinkel, a. a. O., § 733 Rn. 9). Eine Eilbedürftigkeit kann sich z. B. daraus ergeben, dass der Gläubiger aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Lage dringend auf den Erfolg der Vollstreckung angewiesen ist, er in Konkurrenz mit weiteren Gläubigern steht und daher auf eine schnelle Vollstreckung zur Rangwahrung angewiesen ist oder der Schuldner beabsichtigt, vollstreckbares Vermögen beiseitezuschaffen (Muster s. u., 2. b)).
2. Nachträglicher Antrag
Verfügt der Gläubiger bereits über eine einzige vollstreckbare Ausfertigung mit einer Klausel gegen sämtliche Schuldner, kann er noch nachträglich wie folgt vorgehen:
a) Schuldner sind Teilschuldner
Der Gläubiger kann unter Rückgabe der (ersten) Ausfertigung weitere vollstreckbare Ausfertigungen mit jeweiliger Teilklausel beantragen (s. o., 1. a)).
Musterformulierung / Gericht |
In Sachen [Rubrum/Az.] reiche ich die dem Gläubiger erteilte vollstreckbare Ausfertigung vom [Datum] des [Urteils/Kostenfestsetzungsbeschlusses] vom [Datum] zurück und beantrage, dem Gläubiger [Anzahl] neue Ausfertigungen mit jeweils Teilklausel wegen der den/die jeweilige/n Beklagte/n nach dem [Urteil/Kostenfestsetzungsbeschluss] obliegenden vollstreckbaren Verpflichtung zu erteilen. |
Musterformulierung / Notar |
[im Betreff:] (Bezeichnung der Urkunde) vom (Datum) zu (UR-Nr./UVZ-Nr.) [bei Notariatsverwaltung oder Aktenverwahrung:] des/der Notar/in (Name) mit Amtssitz in (Ort)
[Anrede] namens und in Vollmacht des Gläubigers reiche ich die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung vom [Datum] des/der [Bezeichnung der Urkunde] vom [Datum] zurück und beantrage, ihm [Anzahl] neue Ausfertigungen mit jeweils Teilklausel wegen der von dem/den zu Ziff. [Nummer/n] Erschienenen auf Seite [Nummer] in §/Abschnitt/Ziff. [Nummer] übernommenen vollstreckbaren Verpflichtung/en zu erteilen. |
b) Schuldner sind Gesamtschuldner
Handelt es sich um Gesamtschuldner, können dem Gläubiger nach der h. M. auf Antrag „weitere“ vollstreckbare Ausfertigungen nach § 733 ZPO erteilt werden (s. o., 1. b)). Die ihm bereits erteilte (erste) vollstreckbare Ausfertigung behält der Gläubiger in seinem Besitz, während er für jeden weiteren Schuldner eine weitere Ausfertigung beantragen kann.
Musterformulierung / Gericht |
In Sachen [Rubrum/Az.] wird beantragt, dem Gläubiger [Anzahl] weiteren Ausfertigungen mit jeweiliger Klausel betreffend den/die Schuldner/in zu Ziff. [Nummer/n] des [Urteils/Kostenfestsetzungsbeschlusses] zu erteilen. Die Zwangsvollstreckung soll gegen sämtliche Schuldner gleichzeitig erfolgen, für die verschiedene Vollstreckungsorgane zuständig sind. Es sind daher die gleichzeitige Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels und somit die Erteilung von [Anzahl] weiteren vollstreckbaren Ausfertigungen notwendig.
[ggf. mit nachfolgender Ergänzung]
Das Gericht wird im Rahmen seines Ermessens gebeten, den Schuldner vor der Erteilung der Ausfertigung[en] nicht anzuhören (OLG Koblenz JurBüro 87, 1228; Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl., § 733 Rn. 11; PG/Hanewinkel, ZPO, 16. Aufl., § 733 Rn. 9). Die Vollstreckung ist besonders eilbedürftig, weil … (Zutreffendes ankreuzen)
( ) der Gläubiger wegen seiner eigenen beengten wirtschaftlichen Situation dringend auf den Erfolg der Vollstreckung angewiesen ist (Gründe sind näher auszuführen).
( ) der Gläubiger in Konkurrenz mit weiteren Gläubigern steht und zur Rangwahrung auf eine schnelle Vollstreckung angewiesen ist (Tatsachen sind näher darzulegen).
( ) bekannt geworden ist, dass der Schuldner versucht, vollstreckbares Vermögen beiseitezuschaffen und dem Zugriff des Gläubigers damit zu entziehen (Tatsachen für diese Kenntnis darlegen).
Zur Glaubhaftmachung füge ich die eidesstattliche Erklärung des Gläubigers (ggf. weitere Dokumente, welche die Gründe der Eilbedürftigkeit belegen) als Anlage bei/versichere ich den vorstehenden Sachverhalt anwaltlich.
Rechtsanwalt |
Musterformulierung / Notar |
Der Betreff nebst Anrede kann dem Muster in Buchst. a) entnommen werden. Nach der Anrede kann z. B. mit „namens und in Vollmacht des Gläubigers wird beantragt“ folgend das Muster für das Gericht entsprechend verwandt werden. |
3. Kosten und Anwaltsvergütung
a) Erteilung von Ausfertigungen mit Teilklauseln
aa) Gerichtskosten
Eine gesonderte Gebühr fällt nicht an. Allenfalls kann die gerichtliche Dokumentenpauschale (Nr. 9000 KV GKG, Nr. 2000 KV FamGKG, Nr. 31000 KV GNotKG) zusätzlich anfallen. Hierbei ist die Anm. Abs. 3 zur Dokumentenpauschale zu beachten: Für den Gläubiger und auch für seinen Anwalt sind (wiederum) jeweils eine vollständige Ausfertigung jeder gerichtlichen Entscheidung und jedes vor Gericht abgeschlossenen Vergleichs sowie jeweils eine Ausfertigung (ohne Begründung, vgl. z. B. § 317 Abs. 2 S. 3 ZPO) frei.
Beachten Sie | Zwar kann das Gericht die Erteilung von einem Vorschuss für die entstehenden Auslagen abhängig machen (§ 17 Abs. 2 GKG, § 16 Abs. 2 FamGKG, § 14 Abs. 2 GNotKG). Davon wird es i. d. R. aber keinen Gebrauch machen, wenn die Auslagen nicht mehr als 25 EUR betragen oder kein Verlust für die Staatskasse zu befürchten ist (§ 20 Abs. 5 KostVfG). Ist Gläubiger eine Gemeinde, ein Gemeindeverband oder eine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts, wird kein Vorschuss erhoben (§ 20 Abs. 6 KostVfG).
bb) Notarkosten
Bei dem Notar fällt ebenfalls keine gesonderte Gebühr an. Die Dokumentenpauschale nach Nr. 32000 KV GNotKG (bei Antragstellung noch während der Beurkundung: Nr. 32001 KV GNotKG) sieht im Gegensatz zur gerichtlichen Regelung allerdings keine Freiexemplare für die Beteiligten vor. Daneben entstehen ggf. weiter Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 32004 KV GNotKG sowie 19 % USt nach Nr. 32014 KV GNotKG.
cc) Rechtsanwaltsvergütung
Nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 RVG ist die Tätigkeit des Anwalts bei der erstmaligen Erteilung der Vollstreckungsklausel, wenn deswegen keine Klage erhoben wird (§ 731 ZPO), als sog. Vorbereitungs- bzw. Nebentätigkeit (§ 19 Abs. 1 S. 2 RVG) durch seine Gebühren abgegolten.
- In Fall der frühzeitigen Antragstellung (s. o., Fall 1. a)) fällt somit keine weitere Gebühr für den Anwalt an.
- Im Fall der nachträglichen Anstellung (s. o., Fall Ziff. 2. a)) ist das anders:
- Die wiederholte Beantragung der mehreren Teilklauseln lässt aufgrund des Wortlauts und Zwecks des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 RVG nach allg. M. bei dem für die Vollstreckung beauftragten Anwalt eine 0,3-Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV nebst Auslagen nach Nrn. 7000 ff. VV RVG entstehen (AKPRSS/Schütz, 11. Aufl., § 19 Rn. 141; AnwK-RVG/Volpert, 9. Aufl., Nr. 3309 Rn. 406; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG; 26. Aufl., Nr. 3309 Rn. 403). Diese Tätigkeit bildet aber als sog. Vorbereitungshandlung zusammen mit der nachfolgenden Vollstreckung gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG für den Anwalt dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit.
- Der Gegenstandswert bestimmt sich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Wert der nach dem Vollstreckungstitel vollstreckbaren Forderung inklusive der Nebenforderungen, wie z. B. Zinsen (a. A. ‒ ohne Nebenforderungen ‒ H. Schneider, JurBüro 04, 632 zu Ziff. 2, allerdings ohne Begründung; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl., § 25 Rn. 44 mit Verweis auf H. Schneider, a. a. O., sowie Enders, JurBüro 97, 113, 114 zu Ziff. 3 ‒ der sich aber auf die Klage nach § 731 ZPO bezieht).
b) Erteilung von weiteren Ausfertigungen nach § 733 ZPO
aa) Gerichtskosten
Es entsteht eine Festgebühr von 22 EUR (Nr. 2110 KV GKG, Nr. 1600 KV FamGKG, Nr. 18001 KV GNotKG). Nach ihrer jeweiligen Anm. S. 1 wird sie für jede weitere vollstreckbare Ausfertigung gesondert erhoben.
Beachten Sie | Die Gebühr ist eine Verfahrensgebühr und entsteht mit der Antragstellung. Wird der Antrag zurückgenommen, bleibt es dennoch bei der Kostenschuldnerschaft des Gläubigers für die entstandene(n) Gebühr(en).
Für den Gläubiger besteht eine Vorauszahlungspflicht (§ 12 Abs. 6 S. 1 GKG, § 14 Abs. 3 FamGKG, § 13 S. 1 GNotKG), von der das Gericht seine weitere Handlung abhängig machen kann. Ausnahme: Dem Gläubiger ist PKH/VKH bewilligt, ihm steht allgemein Gebührenfreiheit zu oder die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint weder aussichtslos noch mutwillig. Im letzten Fall muss der Gläubiger glaubhaft machen, dass ihm die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde oder eine Verzögerung ihm einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde, wobei zur Glaubhaftmachung in diesem Fall die Erklärung des Anwalts des Gläubigers genügt.
Da die Gerichtskosten i. d. R. im unteren zweistelligen Bereich liegen, wird der Gläubiger Zahlungsschwierigkeiten nur schwer glaubhaft machen können, zumal er in diesem Fall trotz evtl. Unannehmlichkeiten gehalten ist, z. B. ein entsprechendes Darlehen aufzunehmen (NK-GK/Volpert, 3. Aufl., § 14 GKG Rn. 35 m. w. M.).
Musterformulierung / Vorschusspflicht vermeiden |
Das Gericht wird gebeten, nach [§ 14 GKG/§ 14 FamGKG/§ 16 GNotKG] seine Tätigkeit nicht von dem Eingang des Vorschusses nach [§ 12 Abs. 6 S. 1 GKG/§ 14 Abs. 3 FamGKG, § 13 S 1 GNotKG] abhängig zu machen. Der Gläubiger ist auf einen schnellen Vollstreckungszugriff angewiesen, weil
( ) er in Konkurrenz mit weiteren Gläubigern steht, weshalb die schnelle Rangwahrung eilbedürftig ist.
( ) bekannt geworden ist, dass der Schuldner versucht, vollstreckbares Vermögen beiseitezuschaffen und dem Zugriff des Gläubigers damit zu entziehen (Tatsachen für diese Kenntnis darlegen).
Zur Glaubhaftmachung füge ich die eidesstattliche Erklärung des Gläubigers (ggf. weitere Dokumente, welche die Behauptungen glaubhaft erscheinen lassen) als Anlage bei / versichere ich den vorstehenden Sachverhalt anwaltlich. |
Eine Ausnahme von der gesonderten Gebührenerhebung gilt nach der Anm. S. 2 der Festgebühren (nach Nr. 2110 KV GKG, Nr. 1600 KV FamGKG) bei einem Vollstreckungsbescheid: Dem Antragsteller soll kein Nachteil dadurch entstehen, dass ‒ wie im maschinellen Mahnverfahren regelmäßig ‒ bei einem einheitlichen Antrag gegen mehrere Antragsgegner im Anschluss mehrere Vollstreckungsbescheide gegen diese und kein einheitlicher Vollstreckungstitel ergehen (NK-GK/Volpert, 3. Aufl., Nr. 2110 KV GKG Rn. 3). Die Festgebühr von 22 EUR fällt daher nur einmal an, wenn
- derselbe Anspruch in demselben Mahnverfahren gegen mehrere Antragsgegner geltend gemacht worden ist,
- dann mehrere Vollstreckungsbescheide ergangen sind und
- gleichzeitig ein einziger Antrag auf Erteilung jeweils einer einzigen weiteren vollstreckbaren Ausfertigung gegen einen oder alle weiteren Antragsgegner gestellt wird.
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Gegen drei Schuldner ist im selben Mahnverfahren jeweils ein Vollstreckungsbescheid wegen desselben Anspruchs ergangen. Der Gläubiger beantragt, ihm
a) eine weitere vollstreckbare Ausfertigung gegen einen der drei Schuldner zu erteilen. Später beantragt er, gegen die beiden weiteren Schuldner jeweils weitere vollstreckbare Ausfertigungen zu erteilen.
Lösung Im Verhältnis des einen zu den weiteren beiden Schuldnern fehlt es an der gleichzeitigen Antragstellung. Denn die Anträge wurden nacheinander gestellt. Im Verhältnis der weiteren beiden Schuldner zueinander liegt allerdings der gleichzeitige Antrag vor. Lösung: Die Festgebühr von 22 EUR ist doppelt (= 44 EUR) entstanden.
b) jeweils eine weitere vollstreckbare Ausfertigung gegen jeden der drei Schuldner zu erteilen.
Lösung Aufgrund der gleichzeitigen Antragstellung fällt die Festgebühr von 22 EUR nur einmal an. |
Bezüglich der gerichtlichen Auslagen (s. o., 3. a), aa)) können für die obligatorische Anhörung des Schuldners zum Antrag des Gläubigers ggf. zusätzlich noch Zustellungsauslagen (Nr. 9002 KV GKG, Nr. 2002 KV FamGKG, Nr. 31002 KV GNotKG) entstehen.
bb) Notarkosten
Bei dem Notar fällt ebenfalls eine gesonderte Festgebühr von 22 EUR (Nr. 23804 KV GNotKG) an. Hinsichtlich ihrer Entstehung (auch bei Antragsrücknahme) gilt dasselbe wie bei der Gerichtsgebühr (s. o., 3. a) aa)). Bezüglich der Auslagen gilt das Vorstehende zu 3. a), bb)).
Hört der Notar den Schuldner vor der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung(en) an, wird er die Anhörung entweder durch Zustellung oder Einschreiben veranlassen. Hinsichtlich der ihm dafür gesondert entstehenden Kosten hat der Notar (trotz des irreführenden Wortlauts der Anm. Abs. 2 zu Nr. 32004 KV GNotKG) ein Wahlrecht (NK-GK/Volpert/Böhringer, GNotKG, 3. Aufl., Nr. 32004 KV Rn. 5 m. w. N.): Er kann entweder pauschal 3,50 EUR oder die tatsächlich entstandenen Kosten berechnen.
Auch der Notar kann seine Tätigkeit von der Zahlung eines zur Deckung der Kosten ausreichenden Vorschusses abhängig machen oder auch nur einen Vorschuss fordern (§ 15 GNotKG). Für das Absehen vom Vorschuss gelten dieselben Grundsätze wie vorstehend zu 3. a), bb)).
cc) Rechtsanwaltsvergütung
Die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO stellt für den Rechtsanwalt gebührenrechtlich immer eine besondere Angelegenheit dar (§ 18 Abs. 1 Nr. 5 RVG).
Das gilt auch bei gleichzeitiger Beantragung mehrerer weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen (str., N. Schneider, DGVZ 11, 26; Zöller/Seibel, a. a. O., § 733 Rn. 16; a. A. AKPRSS/Pankatz, RVG, 11. Aufl., § 18 Rn. 23; NK-GK/Hinne, 3. Aufl., § 18 RVG Rn. 8; BeckOK RVG/v. Seltmann, 65. Edition 2021, § 18 Rn. 24). Es entstehen jeweils (str.) eine 0,3-Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG nebst Auslagen nach Nrn. 7000 ff. VV RVG nach einem Gegenstandswert gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 RVG (s. o., 3. a) cc)).
4. Erstattungsfähigkeit
Die Verfahrenskosten für die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung muss der Schuldner dem Gläubiger nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO grundsätzlich erstatten.
Eine Erstattung scheidet aber aus, wenn der Gläubiger die Notwendigkeit einer weiteren Ausfertigung zu vertreten hat (OLG Karlsruhe FamRZ 05, 49; PG/Hanewinkel, a. a. O., § 733 Rn. 12; KK-Vollstreckung/Hake, 8. Aufl., § 733 Rn. 13). Das ist z. B. der Fall, wenn die erste vollstreckbare Ausfertigung auf dem Postweg verloren geht (KGR Berlin 09, 884; a. A. AG Leipzig JurBüro 04, 214 m. abl. Anm. Benner). Denn grundsätzlich ist sie an der die Akten führenden Stelle (Gericht, Notar) dem Gläubiger auszuhändigen (vgl. § 734 ZPO). Er trägt daher das Verlustrisiko des postalischen Versands (KG, a. a. O.; KK-Vollstreckung/Hake, 8. Aufl., § 734 Rn. 1).
Will der Gläubiger gegen mehrere Gesamtschuldner an verschiedenen Orten selbstständig oder durch mehrere Vollstreckungsorgane vorgehen, sind die Kosten als grundsätzlich notwendig i. S. v. § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO anzuerkennen (OLG Zweibrücken JurBüro 99, 160). Das gleichzeitige Vorgehen kann aber auch gegen Treu und Glauben verstoßen und eine Erstattungsfähigkeit ausschließen, wenn unverhältnismäßig hohe Vollstreckungskosten dadurch verursacht werden (LG Lübeck DGVZ 86, 119 ‒ gleichzeitige Vollstreckung gegen 20 Gesamtschuldner; Zöller/Geimer, ZPO, 35. Aufl., § 788 Rn. 10).
Beachten Sie | In der Zwangsvollstreckung fehlt es an einer Streitgenossenschaft zwischen den Schuldnern. Folge: Es handelt sich bei jedem Vollstreckungsverfahren gegen jeden Gesamtschuldner gebührenrechtlich für den Anwalt um eine besondere Angelegenheit i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG (BGH AGS 03 561). Die 0,3-Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG nebst Auslagen nach Nrn. 7000 ff. VV RVG entsteht daher je Gesamtschuldner gesondert.
Gesamtschuldner haften für notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung auch als Gesamtschuldner (§§ 788 Abs. 1 S. 3, 100 Abs. 4 ZPO). Das betrifft nicht nur die Vollstreckung in eine gemeinsame Forderung oder Sache, sondern auch die notwendigen Kosten der Einzelvollstreckung gegen nur einen der Gesamtschuldner.
Beachten Sie | Keine Mithaftung der übrigen Gesamtschuldner besteht für die Kosten erfolgloser Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel eines der Gesamtschuldner gegen die Zwangsvollstreckung (§ 788 Abs. 1 S. 3, § 100 Abs. 3 ZPO).