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  • · Fachbeitrag · Zwangsversteigerung

    Räumung aus dem Zuschlagsbeschluss: Das ist zu beachten

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ihr Mandant kommt mit einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Zuschlagsbeschlusses in die Kanzlei mit der Bitte, einen Räumungsauftrag beim Gerichtsvollzieher zu stellen. Es war nach dem Versteigerungstermin eine Räumung des versteigerten Objekts durch Schuldner S. (ehemaliger Eigentümer) zum 31.12.23 mit dem neuen Eigentümer (Ihr Mandant) vereinbart worden. Im Zuschlagsbeschluss und der erteilten Vollstreckungsklausel ist namentlich nur S. (= Vollstreckungsschuldner) aufgeführt. Ihr Mandant gibt an, dass die Lebensgefährtin des S., die L., und deren unter Betreuung stehender Sohn, der B., ebenfalls im Objekt wohnen bzw. schon vor der Versteigerung dort gewohnt haben. Eine Einwohnermeldeamtsanfrage bestätigt dies. Was ist zu tun? |

    1. Zuschlagsbeschluss ist Räumungs- und Herausgabetitel

    Aus dem Zuschlagsbeschluss findet gegen den Besitzer des Grundstücks oder einer mitversteigerten Sache die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe statt (§ 93 Abs. 1 S. 1 ZVG). Es kommt dabei weder auf Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses noch auf Eintragung des Erstehers im Grundbuch oder Zahlung des Meistgebotes an.

     

    Beachten Sie | Aus Sicht des Erstehers richtet sich die Vollstreckung gegen den alten Eigentümer und Grundstücksbesitzer. Dessen genaue Bestimmung ist für die Erteilung der Vollstreckungsklausel und somit für die Zwangsvollstreckung von zentraler Bedeutung. Denn nur die in der Vollstreckungsklausel genannten Personen muss der Gerichtsvollzieher aus dem Besitz setzen.

     

    In Betracht kommen dabei:

     

    • der (Alt)Eigentümer (Schuldner), der die Immobilie (alleine) bewohnt oder nutzt,
    • „Dritte“, die zur Familie des Eigentümers gehören (Ehegatte, Lebensgefährte, Eltern, Geschwister) und
    • Dritte, deren Besitzrecht durch Zwangsvollstreckung untergegangen ist (§ 91 Abs. 1 ZVG), z. B. Begünstigte aus Nießbrauchs-, Wohnungs- oder Erbbaurecht.

     

    Alle Personen, die im Objekt leben, müssen in der Vollstreckungsklausel namentlich aufgeführt sein, andernfalls wird die Vollstreckung gehindert. Dabei gilt:

     

    • Ehegatte/Lebenspartner/nicht ehelicher Lebenspartner: Er ist als Mitbesitzer (§ 866 BGB) gleichfalls Räumungsschuldner. Folge: Er ist in der Vollstreckungsklausel namentlich zu bezeichnen (§ 750 Abs. 1 ZPO; BGH VE 08, 163; Stöber/Becker, 23. Aufl., ZVG § 93 Rn. 4).

     

    • Minderjährige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen: Die Räumungsvollstreckung erfordert nur einen Vollstreckungstitel gegen die Eltern bzw. den Elternteil als alleinige Besitzer (BGH VE 08, 163).

     

    • Volljährige Kinder: Die Besitzverhältnisse an der Wohnung ändern sich im Regelfall nicht, wenn die Kinder nach dem Erreichen der Volljährigkeit mit ihren Eltern weiter zusammenleben. Folge: Für eine Räumungsvollstreckung reicht deshalb ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus (BGH VE 08, 163).

     

    • PRAXISTIPP | Sieht man dennoch auch dieses Kind als Besitzer an (Teilbesitz nach § 865 BGB und Mitbesitz an Gemeinschaftsräumen nach § 866 BGB), ist der Zuschlagsbeschluss ein Vollstreckungstitel auch gegen dieses Kind als Besitzer und daher mit der Vollstreckungsklausel auch gegen diesen Räumungsschuldner zu versehen (Stöber/Becker, a. a. O., Rn. 5).

       

      Um in solchen Fällen Streitfragen zu umgehen, sollte der Gläubiger beim Beantragen der Vollstreckungsklausel diese auch stets auf volljährige Kinder erstrecken lassen!

       
    • Gäste, Hausangestellte: Sie üben kein selbstständiges Besitzrecht aus. Folge: Eine Vollstreckungsklausel ist entbehrlich.

    2. Erteilung der Vollstreckungsklausel

    Die Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt durch den

     

    • Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (U. d. G.), wenn nur gegen Alteigentümer (= Schuldner) vollstreckt wird (§ 724 Abs. 2 ZPO) und
    • Rechtspfleger, wenn gegen (mitbesitzende) Dritte vollstreckt wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 12 RpflG)

     

    Beachten Sie | In diesem Fall ist eine sog. qualifizierte Vollstreckungsklausel gemäß § 727 ZPO zu erteilen (OLG Hamm Rpfleger 89, 165; OLG Hamm Rpfleger 90, 286; LG Darmstadt DGVZ 96, 72; a. A. AG Westerburg DGVZ 05, 46; Stöber/Becker, a. a. O., Rn. 9: § 726 Abs. 1 ZPO).

     

    Der Besitz des Dritten muss dabei bei Gericht entweder offenkundig sein ‒ was bei Familienangehörigen und Lebensgefährten i. d. R. der Fall ist ‒ oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden bzw. im Klauselverfahren zugestanden sein (§ 288 ZPO; vgl. Stöber/ Becker, a. a. O., Rn. 9).

     

    PRAXISTIPP | Schon bei Erstellen des Verkehrswertgutachtens (vgl. § 74a ZVG) während des Versteigerungsverfahrens ist darauf zu achten, dass die tatsächliche Nutzung des Grundstücks unter Benennung aller Besitzer beschrieben wird, weil dann die Besitzverhältnisse für das Gericht offenkundig sind. Auch kann eine Einwohnermeldeamtsanfrage als öffentliche Urkunde herangezogen werden.

     

    Lässt sich der Nachweis nicht führen, muss der Ersteher auf Erteilung der Vollstreckungsklausel klagen (§ 731 ZPO).

     

    3. Wichtig: Zustellung nicht vergessen

    Der Zuschlagsbeschluss als Vollstreckungstitel ist vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig zuzustellen (§ 750 Abs. 1 S. 1 ZPO).

     

    Im Einzelnen gilt:

     

    a) Vollstreckung erfolgt nur gegen Alteigentümer

    Der Zuschlagsbeschluss wird von Amts wegen (§ 88 ZVG) zugestellt. Der Nachweis erfolgt durch eine Zustellbescheinigung des Gerichts.

     

    Zusätzlich ist aber auch die nach § 727 ZPO erteilte Vollstreckungsklausel zuzustellen. Dies erfolgt dadurch, dass der Gläubiger nachträglich noch den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung zu beauftragen hat (§ 192 ZPO).

     

    b) Vollstreckung erfolgt auch gegen Dritte

    Hier müssen der Zuschlagsbeschluss, die Vollstreckungsklausel und die dieser zugrunde liegenden Urkunden vor Beginn der Räumungsvollstreckung oder gleichzeitig zugestellt werden (§ 750 Abs. 2 ZPO). Insofern ist das Verkehrswertgutachten, in dem der Besitz des Dritten dargestellt ist, oder die Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamts durch den Gerichtsvollzieher zuzustellen.

     

    Beachten Sie | Kann der Besitz Dritter für die Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht nachgewiesen werden, muss der Ersteher nach § 731 ZPO (§ 795 ZPO) Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel erheben.

     

    Die Möglichkeit dieser Klauselklage beseitigt das Rechtsschutzinteresse für eine Herausgabeklage nach § 985 BGB jedoch nicht (Stöber/Becker, a. a. O., Rn. 9).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Wer ist Besitzdiener und wer Mitbesitzer?, VE 08, 163
    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 95 | ID 49983980