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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Freiberufliche PZR-Mitarbeiter: Die große Falle

    von Rechtsanwalt Michael Lennartz, Kanzlei Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte PartG, Bonn, medi-ip.de 

    | Am Dentalmarkt gibt es immer wieder Angebote, Prophylaxe- und Zahnhygiene-Leistungen aus der Praxis niedergelassener Zahnärzte juristisch auszugliedern. Das Mittel der Wahl sind hierzu Verträge über eine freie Mitarbeit weitergebildeter zahnmedizinischer Fachangestellter oder Dentalhygieniker. Diese kommen nach einzelner Beauftragung oder auf Basis eines Rahmenvertrages in die Praxis und erbringen dort anstelle des Zahnarztes die Prophylaxe- und Zahnhygiene-Leistungen - wie zum Beispiel die PZR. |

    Vorgelagerte Probleme freier Mitarbeit

    Unabhängig von den spezifischen Problemen der Delegation zahnärztlicher Leistungen an freie Mitarbeiter sind vorab die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Probleme zu erläutern: Hierbei ist insbesondere die Abgrenzung zu abhängig beschäftigten Arbeitnehmern bedeutsam. Das Institut der freien Mitarbeit steht bei den Arbeitsgerichten in keinem guten Ruf, da die Gefahr besteht, dass Regelungen für angestellte Mitarbeiter - etwa Erholungsurlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - umgangen werden.

     

    Wegen dieser Missbrauchsgefahr stellen Arbeitsgerichte häufig auch in solchen Fällen Arbeitsverhältnisse fest, in denen die Parteien übereinstimmend nur eine freie Mitarbeit gewollt und vereinbart hatten. Entscheidend ist jedoch, wie das Vertragsverhältnis objektiv gelebt wird - und nicht die von den Vertragsparteien gewählte Bezeichnung.

    Arbeitsrechtliche Risiken

    Arbeitnehmer ist, wer zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Diese vermeintlich klaren Abgrenzungsmerkmale werfen im Einzelfall Probleme auf. So kann je nach Vertragsgestaltung auch ein freier Mitarbeiter konkreten Weisungen unterworfen sein. Umgekehrt gibt es Arbeitnehmer - etwa leitende Angestellte wie Chefärzte -, denen gegenüber das Weisungsrecht des Arbeitgebers stark beschränkt ist. „Abhängigkeit“ kann etwa auch vorliegen, wenn der Mitarbeiter ausschließlich oder nahezu ausschließlich für einen Auftraggeber tätig wird - also eine einzige Zahnarztpraxis. Vieles ist hier Frage des Einzelfalls.

     

    Zumeist scheitert eine „freie Mitarbeit“ arbeitsrechtlich bereits daran, dass der Mitarbeiter über seine Arbeitskraft nicht frei disponieren kann, sondern die Einteilung dem Auftraggeber obliegt - also dem Zahnarzt. Hierin liegt bereits eine „Fremdbestimmung“ im Sinne des genannten Arbeitnehmerbegriffs. Deshalb ist es jedenfalls ein starkes Indiz für die Eigenschaft als (verdeckter) Arbeitnehmer, wenn der vermeintlich freie Mitarbeiter Aufträge der Praxis laut Vertrag nicht ohne Grund ablehnen kann.

     

    Sollen Termine für Prophylaxe-Leistungen in der Praxis ohne jeweilige Rücksprache mit dem freien Mitarbeiter vergeben werden, ist eine solche Ablehnungsbefugnis praktisch nicht durchführbar, ohne eine Verstimmung der Patienten zu riskieren. Die nachträgliche gerichtliche Feststellung, dass es sich bei einem „freien Mitarbeiter“ in Wahrheit um einen Angestellten handelt, hat gravierende finanzielle Konsequenzen: So sind nachträglich krankheitsbedingte Ausfallzeiten zu vergüten und Arbeitnehmern zwingend zustehende Urlaubsansprüche zu erfüllen bzw. nach Vertragsende abzugelten.

    Sozialversicherungsrechtliche Risiken

    Wirtschaftlich weit gravierender sind die Auswirkungen zu den Sozialversicherungsträgern, wenn für den vermeintlich freien Mitarbeiter nachträglich eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird. Deren Voraussetzungen - und damit eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung - sind zwar nicht deckungsgleich mit den arbeitsrechtlichen Voraussetzungen. Allerdings wird ein arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer qualifizierter Mitarbeiter in aller Regel versicherungspflichtig sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Entscheidend sind auch hier die wirtschaftliche Abhängigkeit und der Umfang der Weisungsgebundenheit sowie die Frage, ob der Mitarbeiter ein eigenes unternehmerisches Risiko trägt und ob er nur für einen oder - wie bei Selbstständigen üblich - für mehrere Auftraggeber tätig ist.

     

    Wird in einem sogenannten Statusfeststellungsverfahren die Eigenschaft als abhängig Beschäftigter festgestellt, sind Sozialversicherungsbeiträge bis zu fünf Jahre rückwirkend durch den Zahnarzt zu zahlen - und zwar die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmeranteile. Die Arbeitnehmeranteile können auch nur sehr begrenzt bei dem Mitarbeiter zurückgefordert werden, nämlich nur durch Verrechnung mit den drei auf die Feststellung folgenden Monatsgehältern. Ist das Vertragsverhältnis bereits beendet, kommt naturgemäß auch das nicht in Betracht. Im Ergebnis bleibt der Zahnarzt jedenfalls auf dem weit überwiegenden Teil der gesamten Sozialversicherungsbeiträge sitzen.

     

    Zu den Beiträgen kommt ein „Säumniszuschlag“ von 1 Prozent pro Monat. Ist das versicherungspflichtige Entgelt nicht mehr vollständig zu ermitteln, wird es unter Berücksichtigung der ortsüblichen Vergütung sogar geschätzt. Die Größenordnung des Risikos zeigt ein Urteil des Landessozialgerichts Bayern vom 15. Februar 2005 (Az. L 5 KR 252/03, Abruf-Nr. 144648): Dort hatte ein Zahnarzt einen Zahntechniker als „freien Mitarbeiter“ deklariert. Das Gericht entschied, dass der Techniker objektiv Arbeitnehmer sei, und verurteilte den Zahnarzt zu einer Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen von mehr als 45.000 Euro für einen Zeitraum von vier Jahren.

     

    PRAXISHINWEIS | Hinzu treten in solchen Fällen naturgemäß noch die Lohnsteuernachforderungen, für die gegenüber den Finanzbehörden ebenfalls ausschließlich der Arbeitgeber - in diesem Fall also der Praxisinhaber - haftet.

     

    Delegation nach dem Zahnheilkundegesetz

    § 1 Abs. 5 Zahnheilkundegesetz (ZHG) lässt die Delegation bestimmter, nicht abschließend aufgeführter Tätigkeiten an dafür qualifiziertes Personal zu. Dazu gehören auch die PZR und bestimmte oralhygienische Maßnahmen wie die Demonstration und praktische Übung ausreichender Zahnhygiene. Der Gesetzgeber versteht unter dem Begriff „Personal“ Arbeitnehmer im oben beschriebenen arbeitsrechtlichen Sinn bzw. abhängig Beschäftigte im oben genannten sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Folglich ist hiernach die Delegation auf selbstständig Tätige grundsätzlich untersagt.

     

    Zahnarzt muss Delegationsempfänger anweisen können

    Sie widerspräche im Übrigen auch dem Wesen der „Delegation“ im Sinne des Zahnheilkundegesetzes. Danach wird zwar eine ständige Anwesenheit des Zahnarztes „neben dem Stuhl“ nicht verlangt. Der Zahnarzt muss aber vorab prüfen, ob der Delegationsempfänger die Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, einzelfallbezogene fachliche Anweisungen zu organisieren, Arbeits- und Verantwortungsbereiche mittels klarer Anordnungen eindeutig abzugrenzen und zuzuweisen sowie Anleitungen zu geben und Kontrollregeln aufzustellen.

     

    Bürgerliches Gesetzbuch fordert persönliche Leistungserbringung

    Dieser enge Überwachungs- und Kontrollrahmen ist typisch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Einer selbstständigen Tätigkeit ist er hingegen wesensfremd. Im Übrigen ist der Zahnarzt schon zivilrechtlich zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet (§§ 630b, 613 Bürgerliches Gesetzbuch). Mit dieser Pflicht ist eine Delegation ohnehin nur in engen Grenzen vereinbar. Die Delegation nach § 1 Abs. 5 ZHG muss deshalb von dem eben ausschließlich gegenüber einem Arbeitnehmer bestehenden uneingeschränkten Weisungsrecht des Zahnarztes begleitet sein.

    Abrechnung der Leistung nicht gewährleistet

    Das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Abrechenbarkeit der Leistungen. Sowohl gegenüber privat als auch gegenüber gesetzlich versicherten Patienten sowie gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) sind ausschließlich persönlich durch den Zahnarzt erbrachte oder im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auf Dritte delegierte Leistungen abrechenbar.

     

    Mit einer Delegation auf freie Mitarbeiter wird indes der nach § 1 Abs. 5 ZHG zulässige Rahmen der Delegation gesprengt. Von freien Mitarbeitern und nicht angestelltem zahnmedizinischen Fachpersonal erbrachte Leistungen sind demnach auch nicht abrechenbar. Werden solche Leistungen dennoch liquidiert, begründet dies entsprechende Regressansprüche und kann unter Umständen auch zu strafrechtlichen Implikationen führen.

    Schweigepflicht

    Zahnärzte unterliegen der Schweigepflicht (§ 203 Strafgesetzbuch). Die Offenbarung von Patientendaten und sonstigen im Zusammenhang mit der Behandlung stehenden Tatsachen wird mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft.

     

    Die Weitergabe von Daten an angestelltes zahnmedizinisches Fachpersonal ist hingegen unproblematisch, weil diese als „berufsmäßig tätige Gehilfen“ ihrerseits zum Schweigen verpflichtet sind und sich bei Verletzung dieser Pflicht strafbar machen. Die Weitergabe an selbstständige freie Mitarbeiter wäre demgegenüber berufsrechtlich unzulässig und strafbar.

     

    Deshalb müsste man bei dem Einsatz freier Mitarbeiter in jedem Einzelfall eine Entbindung von der zahnärztlichen Schweigepflicht des jeweiligen Patienten einholen. Zudem müsste die Tätigkeit des freien Mitarbeiters in der Praxis so organisiert werden, dass jede Kenntnisnahme von Daten anderer als des behandelten Patienten vollständig ausgeschlossen ist. Das ist gerade in kleineren Behandlungseinheiten de facto nicht zu gewährleisten.

    Haftpflichtversicherung

    In der obligatorischen Berufshaftpflichtversicherung der Zahnärzte ist die angestellte Tätigkeit nicht-zahnärztlichen Personals im Rahmen einer zulässigen Delegation umfasst. Dies gilt aber nicht für freie Mitarbeiter.

     

    Zahnarzt haftet auch im Fall der Delegation

    Eine eigene Haftpflichtversicherung des eingesetzten freien Mitarbeiters - unterstellt, eine solche würde von Versicherungen überhaupt angeboten - würde das Problem nicht beseitigen. Im Verhältnis zum Patienten haftet wegen der oben genannten Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung auch im Falle der Delegation ausschließlich der Zahnarzt.

     

    Fehlende Haftpflichtversicherung ist berufsrechtlicher Verstoß

    Im Übrigen sind Zahnärzte nach den Heilberufsgesetzen der Länder bzw. den entsprechenden Berufsordnungen der Kammern verpflichtet, zur Deckung sämtlicher Risiken ihrer Berufsausübung eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Eine nicht haftpflichtversicherte Tätigkeit oder Delegation stellt damit zugleich einen erheblichen berufsrechtlichen Verstoß dar.

     

    FAZIT | Schon wegen der bestehenden arbeits- und sozialrechtlichen Unsicherheiten ist der Einsatz selbstständiger Dentalhygieniker und ähnlich Qualifizierter problematisch. Infrage kommt der Einsatz von freien Mitarbeitern bei administrativen Tätigkeiten (zum Beispiel im Bereich der Abrechnung), wenn die datenschutzrechtlichen Bestimmungen und die Schweigepflicht beachtet werden (unter anderem ist die Einwilligung des Patienten in die Datenweitergabe erforderlich). Sofern die freie Mitarbeit in diesen Fällen begründet werden soll, empfiehlt es sich aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht, vorab gemäß § 7aSGB-IV den Status der Mitarbeiterin als „frei“ überprüfen und verbindlich feststellen zu lassen, um der nachträglichen Festsetzung von Beiträgen in erheblicher Höhe vorzubeugen.

     

    Im Bereich der Delegation zahnmedizinscher Leistungen - zum Beispiel bei der PZR - ist vom Abschluss von Verträgen über freie Mitarbeit aus berufs-, straf- und abrechnungsrechtlicher Sicht dringend abzuraten, selbst wenn die strengen Kriterien einer tatsächlich objektiv freien Tätigkeit eingehalten würden.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 10 | ID 43412689