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  • · Fachbeitrag · Haftungsrecht

    Die wichtigsten Entscheidungen zum Haftungsrecht für den Zahnarzt

    von Rechtsanwältin Julia Godemann, LL.M., Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Düsseldorf, www.db-law.de 

    | In der vergangenen Ausgabe des „Zahnärzte Wirtschaftsdienst“ haben wir die „Haftung des Zahnarztes: Grundlagen, Voraussetzungen und Folgen“ erörtert ( ZWD 01/ 2014, Seite 1 ). Nun folgen zu diesen grundsätzlichen Ausführungen die praktischen Fälle. Dieser Beitrag erläutert daher die wichtigsten Entscheidungen zum Haftungsrecht für den Zahnarzt. An dieser Stelle können die Urteile zur Haftung des Arztes nicht beleuchtet werden - sie sind in der Regel aber auch auf den Zahnarzt übertragbar. |

    Mangelhafte Leistung: Wegfalls des Honoraranspruchs?

    Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte darüber zu entscheiden, wann der Honoraranspruch eines Zahnarztes wegfällt, wenn seine Behandlung mangelhaft war. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Honoraranspruch erst dann entfällt, wenn die Leistung nicht nur mangelhaft, sondern vollständig unbrauchbar ist. Zusätzlich muss dem Patienten ein weiterer Nachbesserungsversuch nicht oder nicht mehr zumutbar sein. (Urteil vom 27. August 2012, Az. 5 U 52/12, Abruf-Nr. 131338; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. März 2011, Az. VI ZR 133/10, Abruf-Nr. 113871)

     

    Die Frage, wie viele Nachbesserungsversuche einem Zahnarzt zustehen bzw. dem Patienten zumutbar sind, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls würden Spannungen zwischen Zahnarzt und Patient, die aus wechselseitigen Frustrationsgefühlen resultieren könnten, für sich genommen ebenso wenig eine Unzumutbarkeit begründen wie die Anzahl an notwendigen Behandlungsterminen - im Urteilsfall insgesamt 17.

     

    PRAXISHINWEIS | In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall war der Patientin ein weiterer Nachbesserungsversuch zumutbar gewesen. Der Honoraranspruch des Zahnarztes ist daher nicht entfallen.

     

     

    Zahnarzt darf Untersuchung seines Patienten verfolgen

    Ein Zahnarzt hat das Recht, bei der Untersuchung seines Patienten durch einen gerichtlichen Sachverständigen im Rahmen einer Beweisaufnahme anwesend zu sein. Dies entschied das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10. Januar 2011, Az. 22 U 174/07, Abruf-Nr. 111808).

     

    Während der Zahnarzt in der Regel sein Anwesenheitsrecht für selbstverständlich hält und - im Falle seiner Abwesenheit - befürchtet, der klagende Patient könnte den Sachverständigen zu seinen Ungunsten beeinflussen, ist dies juristisch umstritten. Denn hier stehen sich der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme und das Recht des Zahnarztes auf ein faires Verfahren dem Grundrecht des Patienten auf Achtung seiner Privat- und Intimsphäre gegenüber. Das Gericht hat im entschiedenen Fall dem Anwesenheitsrecht des Zahnarztes den Vorrang eingeräumt. Zwar hatte der Sachverständige dem Zahnarzt angeboten, der Untersuchung beizuwohnen, am Untersuchungstag teilte die Patientin aber mit, dass sie mit der Anwesenheit des Zahnarztes nicht einverstanden sei.

     

    Das vom Zahnarzt daraufhin angerufene Gericht gab ihm Recht. Die Untersuchung der Mundhöhle stelle für sich genommen einen relativ geringen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre der Patientin dar. Hinzu komme, dass der Zahnarzt die Patientin zu Behandlungszwecken bereits mehrfach untersucht habe. Damit stellt sich das Gericht gegen die Auffassung anderer Oberlandesgerichte, die nicht danach unterscheiden, welcher Körperbereich untersucht wird und welche Intimstufe diesem zukommt.

    Aufklärung bei Behandlungen aus kosmetischen Gründen

    Über seltene Risiken im Rahmen der Zahnbehandlung muss ein Zahnarzt seinen Patienten nach der ständigen Rechtsprechung nur dann aufklären, wenn bei Eintritt der Risiken die Lebensführung des Patienten schwer belastet würde. Zudem müssen die Risiken trotz ihrer Seltenheit für die Behandlung spezifisch und für den Laien überraschend sein.

     

    Keine zahnmedizinische Notwendigkeit

    Etwas anderes gilt hingegen bei Zahnbehandlungen aus überwiegend kosmetischen Gründen: Diese erfolgen überwiegend aufgrund psychischer oder ästhetischer Bedürfnisse und nicht aus zahnmedizinischer Notwendigkeit. In diesen Fällen gilt es als unwahrscheinlich, dass der Patient zugestimmt hat, obwohl er die Risiken kannte. Daher entschied das OLG Hamm (Urteil vom 30. Mai 2011, Az. I 3 U 205/10, 3 U 205/10, Abruf-Nr. 112691), dass der Zahnarzt seine Patientin bei einer überwiegend der Kosmetik dienenden Zahnbeschleifung über das seltene Risiko einer Pulpitis hätte aufklären müssen.

     

    Aufklärungspflicht wegen Belastungen bei Risikoverwirklichung

    Das Risiko einer Pulpitis beim Beschleifen von Zähnen sei zwar gering, wegen der damit verbundenen Belastungen und Beeinträchtigungen jedoch aufklärungspflichtig. Das Gericht sprach der Patientin 8.000 Euro Schmerzensgeld sowie die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden zu.

    Wann muss die Berufshaftpflicht zahlen?

    In dem vom Landgericht (LG) Kaiserslautern entschiedenen Fall war der Zahnarzt wegen fehlerhafter Behandlung und Verletzung von Aufklärungspflichten auf Schadensersatz verklagt worden (Urteil vom 21. Juni 2013, Az. 3 O 693/12, Abruf-Nr. 140068). Seine Haftpflichtversicherung lehnte eine Einstandspflicht mit der Begründung ab, es handele sich um Erfüllungs- und Garantieansprüche aus dem Behandlungsvertrag. Für über die ursprüngliche Behandlung hinausgehende Schäden bejahte sie grundsätzlich ihre Einstandspflicht. Das Gericht gab der Haftpflichtversicherung Recht: Die Erfüllung von Verträgen sei immer dann betroffen, wenn die vertraglich vereinbarten Primärleistungen im Streit stünden. Diese seien nicht versicherbar, da sie das Unternehmerrisiko darstellten.

    Höhe des Schmerzensgelds bei fehlerhaftem Implantat

    In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hatte ein Zahnarzt für die Längenbestimmung eine falsche Bezugsebene gewählt, sodass das Implantat zu groß ausgefallen war (Beschluss vom 25. November 2013, Az. 5 U 1202/13, Abruf-Nr. 140363). Dies führte bei dem Patienten zu sechstägigen starken Nervenschmerzen sowie zu einer dauerhaften Gefühlsbeeinträchtigung im Behandlungsbereich. Daher hielt das Gericht ein Schmerzensgeld für den Patienten in Höhe von 5.000 Euro für angemessen.

    Aufklärungspflicht bei Alternativen zur Zahnspange

    Der Zahnarzt nahm in dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall bei einer über 40-jährigen Patientin unter anderem eine Lückenversorgung vor. In der Folge machte die Patientin eine fehlerhafte Behandlung geltend. Insbesondere sei sie nicht über die Möglichkeit des Einsatzes einer Zahnspange aufgeklärt worden. Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht.

     

    Zwar müsse ein Zahnarzt auf adäquate zielführende Behandlungsalternativen hinweisen, die sich in ihren Belastungen, Risiken und Erfolgschancen wesentlich unterscheiden, so die Richter. Dass die Zahnspangenbehandlung vorliegend eine solche Alternative gewesen wäre, sei aber nicht erkennbar. So habe die Patientin nicht dargelegt, inwieweit der Einsatz einer Zahnspange erfolgversprechend hätte sein können.

    Beweislast trägt grundsätzlich der Patient

    Grundsätzlich gilt: Will ein Patient seinen Zahnarzt wegen einer Fehlbehandlung in Anspruch nehmen, muss er den geltend gemachten Behandlungsfehler, dessen Ursächlichkeit für den Schaden sowie das Verschulden des Zahnarztes darlegen und beweisen.

     

    Wenn die Ursache für eine mangelhafte Okklusion nicht mehr ermittelt werden kann und Ursachen in Betracht kommen, die nicht im Verantwortungsbereich des Zahnarztes liegen, bleibt der Patient beweispflichtig, dass diese im behandlungsfehlerhaften Verhalten des Zahnarztes liegen, so das OLG Köln (Beschluss vom 6. Januar 2012, Az. 5 U 109/11, Abruf-Nr. 140364).

     

    Für die Feststellung eines Behandlungsfehlers müsse die Patientin beweisen, dass dies durch ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten des Zahnarztes verursacht worden sei. Dieser Beweis sei hier nicht gelungen. So könne nicht mehr geklärt werden, was zu der mangelhaften Okklusion geführt habe. Eine funktionelle Störung könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Anhaltspunkte für die Annahme eines groben Behandlungsfehlers, die zu einer Beweislastumkehr führen, habe das Gericht auch nicht erkennen können.

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 15 | ID 42500168