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  • · Fachbeitrag · Strafrecht

    Patientin stirbt nach Zahn-OP: Anästhesist zu zweijähriger Bewährungsstrafe verurteilt

    | Das Landgericht (LG) Osnabrück hat am 30.01.2025 einen 74 Jahre alten Anästhesisten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (Az. 6 Ks 11/24). In dem Verfahren ging es um die Tötung einer 63 Jahre alten Frau, die vier Tage nach Einleitung einer Narkose für eine zahnärztliche Heilbehandlung verstorben war. Ursache für den Tod war ein durch Sauerstoffunterversorgung eingetretener schwerster hypoxischer Hirnschaden. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. |

     

    Der Fall

    Der Angeklagte Anästhesist hatte es am 04.04.2023 vor Einleitung der Narkose pflichtwidrig unterlassen, die vorgeschriebene Funktionsprüfung des Narkosegeräts sowie den Kurzcheck durchzuführen. Hätte er den Kurzcheck durchgeführt, bei dem überprüft wird, ob Sauerstoff durch das Narkosegerät fließt, wäre ihm aufgefallen, dass dieses wegen eines defekten Ventiltellers nicht der Fall war. Der Arzt klärte die Patientin vor der Operation nicht darüber auf, dass er die vorgeschriebene Funktionsprüfung des Narkosegerätes nicht durchführe. Nach Einleiten der Narkose gelangte aufgrund des defekten Ventiltellers kein Sauerstoff in den Körper der Patientin. Nach Erkennen der mangelnden Sauerstoffversorgung unterließ es der Arzt pflichtwidrig, die Patientin vom Narkosegerät zu trennen und alternativ zu beatmen, sodass es in der Folge zu einem funktionellen Kreislaufstillstand kam. In Ermangelung eines standardgerechten Monitorings erkannte der Anästhesist diesen Umstand jedoch nicht. Vielmehr versuchte er bis zum Eintreffen des Notarztes, die Patientin über das Narkosegerät zu beatmen. Der Notarzt konnte die Patientin zwar reanimieren, zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits aufgrund der Sauerstoffunterversorgung ein schwerster hypoxischer Hirnschaden eingetreten. Am 08.04.2023 verstarb die Patientin an den Folgen der Sauerstoffunterversorgung.

     

    Die Entscheidung

    Das LG würdigte die Tat als Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung. Der Arzt habe pflichtwidrig gehandelt. Mangels hinreichender Aufklärung liege eine vorsätzliche Körperverletzung im Blick auf die eingeleitete Narkose vor. Eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 Strafgesetzbuch (StGB) scheide allerdings aus, da sich in dem Todeseintritt keine der mit den Aufklärungsmängeln verbundenen Pflichtwidrigkeiten realisiert hätten, sondern ein davon unabhängiger weiterer Sorgfaltsverstoß am konkreten Behandlungstag, nämlich der unterbliebene Kurzcheck ursächlich für den Tod der Patientin gewesen sei. Es bleibe aber noch der Tatbestand der fahrlässigen Tötung, der zum Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit hinzutrete. Zugunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass er sich im Kerngeschehen geständig eingelassen habe, nicht vorbestraft sei sowie auf seine Arztzulassung im Laufe des Verfahrens mit Wirkung zum 31.03.2025 verzichtet habe. Zulasten des Angeklagten spreche das erhebliche Maß der Pflichtwidrigkeitsverstöße.

     

    Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, da die begründete Erwartung bestehe, dass der Angeklagte die Verurteilung als Warnung wahrnehme und er auch ohne Strafvollstreckung in Zukunft keine weiteren Straftaten begehe. Da der Angeklagte zuvor straffrei gelebt habe und er mit Verzicht auf seine Arztzulassung keine Narkosen mehr durchführen werde, sei eine solche Erwartung nach Ansicht der Kammer gegeben. Es sei nicht mit schweren weiteren Straftaten zu rechnen. Auch die übrigen Voraussetzungen einer Strafaussetzung lägen vor. Das von der Nebenklage geforderte strafrechtliche Berufsverbot nach § 70 StGB wurde ebenso wenig angeordnet, weil dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Im Rahmen des ergangenen Bewährungsbeschlusses wurde dem Angeklagten unter anderem aufgegeben, an drei verschiedene gemeinnützige Einrichtungen eine Geldauflage von insgesamt 54.000 Euro zu zahlen.

     

    Quelle: landgericht-osnabrueck.niedersachsen.de

    Quelle: ID 50325554