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  • · Fachbeitrag · Zahnarzthaftung

    BGH: Zahnärzte dürfen eine Außenseitermethode anwenden ‒ aber nur nach sorgfältiger Prüfung

    von Rechtsanwalt Dr. Sebastian Braun, Leipzig, blog.lex-medicorum.de

    | Auch Zahnärzte dürfen Außenseitermethoden anwenden ‒ jedoch erst nach sorgfältiger Abwägung aller medizinischen Vor- und Nachteile. Dabei darf die Schulmedizin nicht außer Acht gelassen werden. So entschied der Bundesgerichtshof ( BGH, Urteil vom 30.05.2017, Az. VI ZR 203/16, Abruf-Nr. 195482 ). Aus den Urteilsgründen wird deutlich, dass Zahnärzte, die Außenseitermethoden anwenden, sich in Haftungsrisiken begeben. |

     

    Fall: Zahnarzt bot Methode zur Beseitigung von Störfeldern im Kiefer an

    Der Zahnarzt warb auf seiner Homepage mit einer ganzheitlichen Methode, die er zur Beseitigung von Störfeldern im Kiefer anwendete. Eine solche Störfeldtestung führte er auch bei der Patientin durch. In der Folge entfernte der Zahnarzt mehrere Zähne im rechten Oberkiefer und fräste den Kieferknochen aus. Den verordneten Zahnersatz holte die Patientin selbst in einem Zahnlabor ab, ohne dass er vom behandelnden Zahnarzt eingesetzt, ggf. angepasst oder sie über den Umgang mit der Prothese aufgeklärt wurde. Die Patientin hatte anschließend zunehmend Probleme mit dieser Prothese. Es stellten sich langfristige Schäden ein.

     

    Die Patientin verlangte die Erstattung des Honorars sowie Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld. In erster Instanz hatte sie gewonnen. Auch das Berufungsgericht urteilte, dass eine Haftung des Zahnarztes zu bejahen ist. Dies sei vorrangig darin begründet, dass er bei der Patientin einen äußerst schwerwiegenden Eingriff vorgenommen habe, ohne das Beschwerdebild vorher ausreichend abzuklären.

     

    Urteil: Abweichen von der Schulmedizin ist kein Behandlungsfehler

    Nach Ansicht des BGH reichen die bisherigen Feststellungen jedoch nicht aus, um von einer Haftung des Zahnarztes auszugehen. Insbesondere sei die Anwendung einer Außenseitermethode erlaubt. Dies ließe sich u. a. damit begründen, dass der Patient selbst entscheiden kann, in welche Behandlung er einwilligt, solange diese nicht gegen die guten Sitten verstößt. Jedoch stellte der Senat klar, dass die Anwendung einer Außenseitermethode eine sorgfältige Abwägung aller medizinischen Vor- und Nachteile voraussetzt. Dabei darf die Schulmedizin nicht außer Acht gelassen werden. Je schwerer der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist, desto höher sind die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der angewandten Methode.

     

    PRAXISHINWEIS | Ein Patient muss vollständig über die alternative Methode sowie weitere schulmedizinische Optionen aufgeklärt werden. Ist die geplante Behandlungsweise in der medizinischen Fachwelt umstritten, so ist auch dies dem Patienten zu offenbaren. Sowohl der Abwägungsprozess als auch die vorgenommene Aufklärung sind zu Beweiszwecken zwingend zu dokumentieren.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2018 | Seite 10 | ID 45084090